Deutsch lernen in der Gastronomie-Ausbildung

HiBiFo – Haushalt in Bildung & Forschung 3-2023: Deutsch lernen im Lernort Betrieb: Möglichkeiten und Herausforderungen in der gastronomischen Ausbildung Neuzugewanderter am Beispiel der Salam Kitchen

Deutsch lernen im Lernort Betrieb: Möglichkeiten und Herausforderungen in der gastronomischen Ausbildung Neuzugewanderter am Beispiel der Salam Kitchen1

Anneke Groeneveld, Julia Kastrup & Fara Steinmeier

HiBiFo – Haushalt in Bildung & Forschung, Heft 3-2023, S. 86-99.

 

Vorliegende Erkenntnisse zum Erwerb der deutschen Sprache und zu den Möglichkeiten der Sprachförderung beziehen sich oft auf den Fachunterricht in der Schule. Während der Ausbildung ergeben sich auch im Betrieb viele Lernmöglichkeiten für Neuzugewanderte, um Deutsch zu lernen. Die Herausforderungen und Unterstützungsmöglichkeiten werden am Beispiel eines gastronomischen Betriebes aufgezeigt.

Schlüsselwörter: Deutsch lernen, gastronomische Ausbildung, Neuzugewanderte, Lernort Betrieb

 

Learning German in the workplace: Opportunities and challenges in the gastronomic vocational education of newly arrived using the example of Salam Kitchen

Existing knowledge about the acquisition of the German language and the possibilities of language support often refers to the subject lessons in school. In vocational education, there are also many learning opportunities for newly arrived to learn German in the company. The challenges and support possibilities are shown using the example of a gastronomic business.

Keywords: Learning German, vocational training in gastronomy, newly arrived, learning location company

 

1 Einleitung

Die Integration von Neuzugewanderten in die Gesellschaft erfolgt u. a. dadurch, dass ihnen die Möglichkeit geboten wird, am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt teilzunehmen. Für die berufliche Handlungsfähigkeit ist das Beherrschen von Deutsch dabei unabdingbar und ein Mangel an Deutschkenntnissen gestaltet Lernprozesse schwieriger (Widera & Settelmeyer, 2020, S. 118). Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (2022) beschäftigte das Gastgewerbe im September 2022 rund 51.000 Mitarbeitende aus Asylherkunftsländern, davon befanden sich wiederum rund 1600 Geflüchtete in einer gastronomischen Ausbildung. Eine Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes hat gezeigt, dass die Betriebe fehlende Deutschkenntnisse als größte Herausforderung in der Zusammenarbeit mit Neuzugewanderten ansehen (DEHOGA Bundesverband, 2016). Die Ausbildung in der Gastronomie findet in der Regel dual an den Lernorten Betrieb und Schule statt. Besonders in der alltäglichen Arbeit im Betrieb eröffnen sich eine Vielzahl von Lernmöglichkeiten, bei denen Deutsch erworben werden kann. Allerdings fehlt es bisher an differenzierten Studien zum Deutsch lernen im betrieblichen Bereich (Granato & Settelmeyer, 2017, S. 51) und die vorliegenden Erkenntnisse zum Spracherwerb sowie den Möglichkeiten von Sprachförderung beziehen sich oftmals auf den Lernort Schule bzw. den Spracherwerb im Fachunterricht (Carnevale, C. et al, 2015; Leisen, 2013).

Für den Spracherwerb bzw. das Deutsch lernen in der gastronomischen Ausbildung bietet es sich aufgrund der inhaltlichen bzw. fachlichen Nähe an, das Thema „Essen und Trinken“ beim Deutsch lernen aufzugreifen. Es bietet zudem „subjektive Anknüpfungspunkte für individuelle Lernprozesse“ (Schreiter, 2015, S. 30), denn es handelt sich um ein „totales gesellschaftliches Phänomen“ (Mauss, 1968, S. 17f.). Das bedeutet, jeder Mensch hat individuelle Bezüge zum Essen und zum Trinken. Diese Bezugspunkte können für weitere Lernprozesse genutzt werden, die hieran angeknüpft sind, wie z. B. auch den Spracherwerb. In der gastronomischen Ausbildung kann zudem über das Thema „Essen und Trinken“ nicht nur die Alltagssprache2, sondern auch die Fachsprache3 gefördert werden.

Der Fokus des vorliegenden Beitrages liegt auf dem Deutsch lernen in der betrieblichen Ausbildung am Beispiel eines gastronomischen Ausbildungsbetriebes – der Salam Kitchen. Ziel ist es, Möglichkeiten und Herausforderungen beim Deutsch lernen und entsprechende Maßnahmen zur Unterstützung aufzuzeigen. Hierzu wird zunächst die Salam Kitchen – ein Restaurant, das mit Neuzugewanderten zusammenarbeitet und sie ausbildet – vorgestellt (Kapitel 2). Dargelegt wird zudem das Potenzial, welches die Themen „Essen und Trinken“ für das Deutsch lernen mitbringen (Kapitel 3). Schließlich werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung vorgestellt (Kapitel 4) und erste Schlussfolgerungen für die Förderung der deutschen Sprache in der betrieblichen Ausbildung von Neuzugewanderten in Form eines Fazits gezogen (Kapitel 5).

2 Die Salam Kitchen

Die Salam Kitchen ist ein Restaurant in der Stadt Münster in Nordrhein-Westfalen, das orientalische, fusionierte Küche anbietet. „Salam“ ist ein arabisches Grußwort und bedeutet „Wohlbehaltenheit“ oder „Frieden“. Diese Bedeutung spiegelt sich auch in der Philosophie des im Jahre 2017 gegründeten Restaurants wider. Es soll ein Ort der Zusammenkunft und des Miteinanders sein. Verschiedene Kulturen und Nationalitäten treffen hier aufeinander und kreieren etwas Gemeinsames (Salam Kitchen GmbH & Co. KG, 2023).

Seit ihrer Gründung ist die Salam Kitchen auch ein Ort der (Weiter-)Bildung. Angefangen mit dem Projekt „Kitchen Class“, das in vier Durchgängen mit insgesamt ca. 60 Teilnehmenden stattgefunden hat. Der Kurs richtete sich speziell an Neuzugewanderte, dauerte vier Monate und sollte die Teilnehmenden auf ihre Berufsausbildung im Gastgewerbe vorbereiten. Am Vormittag wurde Deutsch unterrichtet und am Nachmittag im Restaurant das Berufsfeld in praktischen Einheiten erprobt. Ziel des Projektes war es, nicht nur einen Einblick in den Beruf zu bekommen, sondern auch erste berufsbezogene Deutschkenntnisse zu erlernen. Unterstützt wurde das Projekt von der Agentur für Arbeit, dem Jobcenter und dem Amt für Schule und Weiterbildung. Den Neuzugewanderten wurde so eine Perspektive und ein erster Anhaltspunkt für die berufliche und gesellschaftliche Integration geboten. Viele Teilnehmende begannen daraufhin eine Berufsausbildung in der Küche oder im Service in einem gastgewerblichen Betrieb. Einige von ihnen blieben für die Ausbildung in der Salam Kitchen und schlossen sie erfolgreich ab (Salam Kitchen GmbH & Co. KG, 2023).

Zurzeit arbeiten zwei Auszubildende in der Küche, die zuvor eine einjährige Einstiegsqualifizierung absolviert haben. Ein anderer Mitarbeiter in der Küche der Salam Kitchen durchläuft derzeit die betriebliche Einstiegsqualifizierung.4 Die Einstiegsqualifizierung ist ein sozialversicherungspflichtiges Praktikum mit einer Dauer von sechs bis zwölf Monaten. Sie wird von der Agentur für Arbeit gefördert und soll den Weg ins Berufsleben von Neuzugewanderten erleichtern (Agentur für Arbeit, 2023).

Darüber hinaus ist der Münsteraner Bildungsträger SelMA derzeit in der Salam Kitchen angesiedelt und bietet Orientierungscoachings für Nicht-Muttersprachlerinnen und Nicht-Muttersprachler an. Salam Kitchen bildet somit ein Zentrum der Begegnung, an dem neue berufliche Perspektiven und Möglichkeiten entstehen (Salam Kitchen GmbH & Co. KG, 2023).

3 Deutsch lernen entlang der Themen Essen und Trinken

Die Beherrschung von Sprachhandlungen öffnet die Tür zur sozialen Integration (Kurse et al., 2017, S. 124). Der Spracherwerb als solches ist ein soziales Ereignis und zwischenmenschliche Kontakte und Freundschaften zu deutschsprachigen Mitmenschen sind eine Grundvoraussetzung für das Erlernen der Sprache (Baumann, 2017, S. 141). Baier-Klenkert (2021, S. 47) spricht von „interethnischen Kontakten“, die sich z. B. auch auf die Nachbarschaft, den Sportverein oder auch auf die Nutzung von deutschen Medien beziehen. Sprachliches Handeln ist gleichzeitig auch die Grundlage für berufliches Handeln selbst und untrennbar damit verwoben (Roche, 2015, S. 239). Im Lernort Betrieb treten neben den berufsbezogenen Dialogen häufig auch alltägliche Gesprächssituationen auf, die den Gebrauch von Alltagssprache erforderlich machen. Bei Sprachhandlungen im Betrieb richten sich die Auszubildenden in der Regel durch Imitation, Nachfragen, Ausprobieren und sprachbegleitendes Handeln nach ihren Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern. Dabei hängt es vom Betrieb ab, inwieweit Unterstützung geleistet wird und die Ausbilderinnen und Ausbilder sowie Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen als Vorbilder fungieren. Sprachliche Handlungen variieren je nach Betriebskultur und oft ist eine Wiederholung bestimmter Sprachmuster im Arbeitsalltag zu beobachten (Kruse et al., 2017, S. 124).

Im Lernort Schule werden formale, strukturierte Sprachfördermaßnahmen im Unterricht durchgeführt (Kruse et al., 2017, S. 124), wobei der Fokus auf der Vermittlung von Fach- und Bildungsprache5 liegt. Häufig liegt der Schwerpunkt in der Verknüpfung von Sprach- und Fachunterricht (Pineker-Fischer, 2017, S. 107). Zur Sprachförderung in (berufsbildenden) Schulen liegen eine Reihe an Erkenntnissen vor, wie z. B. die Gestaltung von sprachsensiblem Fachunterricht nach Leisen (2013) oder die Methode des Scaffoldings6 nach Gibbons (2002). Diese Konzepte bieten zahlreiche Hinweise, die auch für das Deutsch lernen in der betrieblichen Ausbildung genutzt werden können. Explizite Erkenntnisse zur Sprachförderung im betrieblichen Lernort bzw. insbesondere am Arbeitsplatz im Betrieb liegen nur wenige vor (vgl. z. B. Sander & Efing, 2021).

Begründet in der Tatsache, dass alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Kultur oder ihrem Bildungsstand Erfahrungen mit Essgewohnheiten haben, kann insbesondere hierüber auch in heterogenen Lerngruppen ein Zugang zur deutschen Sprache eröffnet werden: Die Lernenden können sich mit individuellen Vorlieben, Prägungen und Abneigungen im Rahmen ihrer Essgewohnheiten auseinandersetzen, sodass hierüber gleichzeitig ein Einstieg für weitere Lernprozesse genutzt werden kann. „Die leichte Erfahrbarkeit von ‚Essen‘, seine profunde Verankerung im menschlichen Handeln sowie seine Bedeutung als kulturelle Praxis ermöglichen die Nutzung dieses Themas zur Förderung von Reflexions- und Lernprozessen“ (Schreiter, 2015, S. 21), so auch z. B. zum Lernen der deutschen Sprache, wie exemplarisch die beiden folgenden Projekte zeigen:

Das Projekt „Food Literacy“ (Laufzeit 2004-2007) (Schnögl et al., 2006) wurde insbesondere für den außerschulischen Bereich und die Zielgruppe der Erwachsenen entwickelt. Food Literacy wird verstanden als die „Fähigkeit, den Ernährungsalltag selbstbestimmt, verantwortungsbewusst und genussvoll zu gestalten“ (Büning-Fesel, 2008, S. 2). Neben der Förderung dieser Fähigkeit kann Food Literacy vor allem auch als Aufhänger für Deutscherwerb dienen (Müller & Groeneveld, 2015).

Ausgangspunkt des Projektes „Spielend implizit Lesen und Schreiben lernen durch die Ernährungsbildung und Bewegungsförderung – Alphabetisierung und Integration durch Ernährungsbildung und Bewegungsförderung“ ist, dass bei den Themen Essen, Trinken und Bewegung alle Menschen mitreden können und sich diese Themen deshalb auch eignen, um Deutsch in Wort und Schrift zu lernen. Das Team der Europa-Universität Flensburg hat von 2016 bis 2020 u. a. sprachsensible Lehr-/Lernmaterialien entwickelt, die in Sprachkurse integriert werden können (Johannsen & Schlapkohl, 2020, S. 9) – gesprochen wird auch von Food & Move Literacy. „Häppchenweise Deutsch“ ist eines der Werke, das auf dem didaktischen Konzept von Food & Move Literacy basiert (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, 2019).

Gleichzeitig liegen eine Vielzahl an Lehr-/Lernmaterialien für das Deutsch lernen im Kontext von Essen und Trinken vor, die auch in der gastronomischen Ausbildung genutzt werden können, wie z. B. Kochen nach Bildern, ein Bildwörterbuch für die Küche, ein Arbeitsheft in leicht verständlichem Deutsch oder interaktive Videoclips (vgl. Wessels, 2016; Büchner, 2017; John & Nied, 2021; Fachstelle Übergänge in Ausbildung und Beruf, 2021).

Vor dem Hintergrund dieser Ausgangslage soll durch eine empirische Erhebung Erkenntnisse über die sprachliche Förderung von Auszubildenden mit Fluchthintergrund und weiteren Unterstützungsmöglichkeiten für das Deutsch lernen im Betrieb gewonnen werden.

1 Der vorliegende Text entstand auf Grundlage der im Jahr 2022 verfassten Bachelorarbeit von Anneke Groeneveld „Sprache lernen im Lernort Betrieb: Möglichkeiten und Herausforderungen in der gastronomischen Ausbildung Geflüchteter am Beispiel der Salam Kitchen“ an der FH Münster.
2 Alltagssprache wird in alltäglichen Situationen verwendet und dient der unkomplizierten, vorwiegend mündlichen Kommunikation. Sie findet in dem gewohnten, vertrauten Umfeld statt und kann je nach Alter, Region oder Stadt variieren (Hoffmann, 2019). Kennzeichnend sind Abkürzungen, Füllwörter, Satzabbrüche und oftmals grammatikalische Fehler.
3 Die Fachsprache findet ihren Platz in speziellen Fachgebieten. Sie besteht aus einem eigenen Fachvokabular, das nach Bickes (2019, S. 258) „für den Austausch komplexer Informationen in präziser und komprimierter Form“ eingesetzt wird.
4 Die Informationen basieren auf Grundlage eigener Erfahrungen der Verfasserin (Anneke Groeneveld) als Servicemitarbeiterin in der Salam Kitchen.
5 Bildungssprache zeichnet sich durch diskursive, grammatikalische und lexikalische Merkmale aus. Beispiele hierfür sind die Verwendung von Operatoren, die Bildung komplexer Haupt- und Nebensätze sowie die Nutzung von abstrahierenden und differenzierenden Begriffen. Sie zeichnet sich im Wesentlichen durch ein hohes Maß an Schriftlichkeit aus und steht immer im Zusammenhang mit (schulischem) Bildungserfolg (Heppt, 2016, S. 33).
6 Scaffolding heißt übersetzt „(Bau)Gerüst“ und steht für die Unterstützung beim Lösen von Aufgaben. Dabei werden die Hilfestellungen an das Lernniveau angepasst. Die Aufgaben sollten so konzipiert sein, dass sie knapp oberhalb des Kompetenzniveaus des Lernenden liegen, sodass die Unterstützungen die eigenständige Bewältigung der Aufgabe ermöglichen und Lernerfolge generieren (Harr et al., 2018, S. 91).

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