Podcasts und Interaktives Ambulantes Assessment zur Förderung des studentischen Lernprozesses

ZeHf – Zeitschrift für empirische Hochschulforschung 1-2023: Selbstwirksamkeit in selbstregulierten Lernprozessen an Hochschulen mithilfe von Podcasts fördern – eine Interventionsstudie mit Interaktivem Ambulantem Assessment

Selbstwirksamkeit in selbstregulierten Lernprozessen an Hochschulen mithilfe von Podcasts fördern – eine Interventionsstudie mit Interaktivem Ambulantem Assessment

Caroline Götz, Paul Erhardt, Simone N. Löffler

ZeHf – Zeitschrift für empirische Hochschulforschung, Heft 1-2023, S. 34-55.

 

Zusammenfassung: Selbstwirksamkeit (SW) im Selbstregulierten Lernprozess (SRLP) gilt als wichtiger Faktor, um Studienerfolg an Hochschulen vorauszusagen. Wir verwendeten Interaktives Ambulantes Assessment in Kombination mit Podcasts, um die SW im SRLP zu fördern. Dafür bearbeiteten Studierende (N = 106) drei Mal täglich Abfragen zu ihrem Lernprozess, die ihnen über elektronische Tagebücher präsentiert wurden. Unterschiede zwischen der Kontrollgruppe (KG) ohne Feedback und der Interventionsgruppe (IG) mit täglichem individualisiertem Feedback, basierend auf den Tagebucheinträgen, in Kombination mit Podcasts, wurden mittels Multilevelanalysen geprüft. Die Ergebnisse zeigen, dass die SW im SRLP der IG innerhalb der Interventionsphase, in Relation zu einer Baselinephase und im Vergleich zur KG, gefördert werden konnte. Entsprechend konnte im Prä-Post-Vergleich eine größere Steigerung der SW-Erwartung (vgl. Schwarzer & Jerusalem, 1999) bei der IG (im Vergleich zur KG) nachgewiesen werden.

Schlüsselwörter: Selbstwirksamkeit, Selbstreguliertes Lernen, Interaktives Ambulantes Assessment, Echtzeit-Intervention, Podcasts, Multilevel Analysen

 

Promoting self-efficacy in self-regulated learning processes in higher education with the help of podcasts – an intervention study with interactive ambulatory assessment

Summary: Self-efficacy (SE) in self-regulated learning processes (SRLP) is considered an important factor to predict student success in higher education. We used interactive ambulatory assessment in combination with podcasts to promote SE in SRLP. For this purpose, students (N = 106) completed queries regarding their learning process three times a day, which were presented to them via electronic diaries. Differences between the control group (CG) without feedback and the intervention group (IG) with daily individualized feedback, based on the entries in the electronic diaries, in combination with podcasts, were tested using multilevel analyses. The results show that SE in SRLP was promoted in the IG within the intervention phase compared to the CG and the baseline phase. In the pre/post comparison, a stronger increase in SE-expectancy (cf., Schwarzer and Jerusalem, 1999) was revealed for the IG, in comparison to the CG.

Keywords: Self-efficacy, self-regulated learning, interactive ambulatory assessment, realtime intervention, podcasts, multilevel analyses

 

1 Einleitung

Der technologische Wandel an Hochschulen macht es möglich, akademisches Lernen und Lehren stärker zu individualisieren. Durch Educational Data Mining und den Einsatz von Learning Analytics können Lernprozesse abgebildet, analysiert und Förderbedarfe aufgedeckt werden, auf deren Basis individuelle Empfehlungen zur Gestaltung und Modifizierung von Lernprozessen ableitbar sind. Zur Anpassung der eigenen Lernprozesse an äußere und persönliche Ansprüche benötigt es Soft Skills, wie die Fähigkeit zur Selbstregulation (SR). Gerade an Hochschulen sind SR-Fähigkeiten für ein erfolgreiches Studium unabdingbar (Krapp, 1993; Schmidt et al., 2011; Zimmerman, 2002). Die Umstellung der Hochschulen auf die digitale Lehre durch die COVID-19-Pandemie hat den Einsatz und die Entwicklung von SR-Fähigkeiten zusätzlich erschwert (Breitenbach, 2021; Marczuk et al., 2021). Jedoch auch ohne pandemisches Geschehen findet eine zunehmende Individualisierung und dadurch eine Verlagerung der Verantwortung für Lernprozesse statt (Pflegig & Gerhardt, 2013). Dies stellt eine besondere Herausforderung für Studierende dar. In diesem Kontext könnte sich studentische Selbstwirksamkeit (SW) als besonders relevant erweisen.

SW beschreibt das Erleben einer Person, dass sie Herausforderungen durch eigene Fähigkeiten bewältigen kann. In Abgrenzung dazu wird die Selbstwirksamkeitserwartung (SWE) als die Erwartung und Zuversicht einer Person angesehen, schwierige und herausfordernde Situationen und Aufgaben mithilfe der eigenen Fähigkeiten und Erfahrungen bewältigen zu können (Bandura, 1994). Eine hohe SWE kann den Studienverlauf positiv beeinflussen (Gaylon et al., 2012; Robbins et al., 2004; Roick & Ringeisen, 2017; Schnell et al., 2015; Schwarzer & Jerusalem, 2002; Sitzmann et al., 2012). Der vorliegenden Studie liegt die Annahme zugrunde, dass das Konstrukt eine zeitlich (relativ) stabile Komponente aufweist (die SWE), die sich durch Unterschiede zwischen Personen abbilden lässt, die erlebte SW im Selbstregulierten Lernprozess (SRLP) jedoch zusätzlich einen dynamischen Verlauf hat, der sich in intraindividuellen Fluktuationen über die Zeit hinweg zeigt (vgl. Bandura, 1994; Kitsantas et al., 2008).

2 Selbstreguliertes Lernen

Der Begriff SRLP beschreibt die Aktivität einer lernenden Person, die für ihren Lernprozess Ziele (Soll-Wert) definiert, den aktuellen Stand ihres Lernprozesses beziehungsweise ihrer Kenntnisse erfasst (Ist-Wert) und Maßnahmen ergreift, um die Lernziele zu erreichen (Pintrich, 2000; Schmitz & Schmidt, 2007). Dabei werden kognitive, motivationale und behaviorale Vorgänge selbst beobachtet und aktiv, entsprechend der Herausforderungen der aktuellen Aufgabe, reguliert (Zimmerman et al., 1992). Die Lernmotivation und der damit verbundene engagierte Einsatz von SR-Strategien entspringt dem Bedürfnis nach Kompetenzerleben, welches auf die Selbstbestimmungstheorie nach Ryan und Deci (2000) zurückgeht. Das Modell von Zimmerman (2002), auf das die vorliegende Studie konzeptionell basiert, unterteilt den Lernprozess in drei zeitlich aufeinander folgende Phasen.

In der präaktionalen Phase erfolgt die Aufgabenanalyse und strategische Planung; hierbei sind Selbstmotivationsprozesse von Bedeutung. Dabei sollte die lernende Person ihre Ziele so formulieren, dass sie den eigenen Fähigkeiten entsprechen und durch Anstrengung und Erfahrung bewältigt werden können (Schwarzer &Jerusalem, 2002; Zimmerman, 2000). In der aktionalen Phase kommen kognitive und metakognitive Lernstrategien zum Einsatz. Lernstrategien beschreiben die Aktivitäten, die eingesetzt werden, um Lernprozesse zu planen, zu beobachten, zu gestalten und zu regulieren. Die postaktionale Phase enthält Selbstreflexionsprozesse sowie die daraus resultierenden affektiven Reaktionen, die wiederum die präaktionale Phase der nächsten Lerneinheit beeinflussen. So nehmen Emotionen Einfluss auf den Lernstrategieeinsatz, die Informationsspeicherung und die lern- und leistungsrelevante Motivation (Hasselhorn & Gold, 2017). Starke Emotionen, wie sie z.B. im Zusammenhang mit Prüfungsangst beobachtet werden, können die kognitiven Kapazitäten der Person und die Anpassungen des eigenen Lernverhaltens, die aus der Reflexion innerhalb der postaktionalen Phase entstehen, negativ beeinflussen (Lowe, 2021). Die Phasen des Lernprozessmodells laufen idealtypisch zeitlich nacheinander ab. Je nach Anforderung kann es jedoch nützlich sein, die Phasen parallel zu durchlaufen oder in eine vorherige Phase zurückzukehren (Zimmermann, 2002).

Die Lernzufriedenheit beschreibt die subjektive Einschätzung der lernenden Person hinsichtlich des Lernergebnisses beziehungsweise des Erreichens des Lernziels (Gabriel et al., 2007). Vor allem der bedarfsgerechte und kombinierte Einsatz von kognitiven, metakognitiven und ressourcenbezogenen Lernstrategien sowie eine Mischung aus Oberflächen- und Tiefenverarbeitung scheint zu positiven Lernergebnissen und Zufriedenheit mit dem Lernprozess zu führen (Kállay, 2012; Loeffler, Bohner et al., 2019; Ludwig et al., 2013; Martin & Nicolaisen, 2015). Neben dem effektiven Einsatz von Lernstrategien gibt es weitere Faktoren (habituelle Eigenschaften der Person und situative Merkmale), die den Erfolg eines SRLP beeinflussen. So konnte in verschiedenen Studien ein positiver Zusammenhang von Interesse und (Lern-)Leistung nachgewiesen werden (Blüthmann, 2012; Krapp, 1993; Müller, 2006).

Die Lernzeit ist fest in die SRL-Modelle verankert. Liborius et al. (2019) postulieren einen linearen positiven Zusammenhang zwischen der Investition von Lernzeit und der Lernzufriedenheit. In der Prokrastinationsforschung wird das Aufschieben von akademischen Lernaktivitäten und der dadurch aufkommende Zeitdruck mit negativen Emotionen, einem erhöhten Stresslevel und geringeren akademischen Leistungen in Verbindung gebracht (Flett et al., 1995; Kim & Seo, 2015; Pychyl et al., 2000; Steel, 2007).

3 Selbstwirksamkeit und Selbstwirksamkeitserwartung

Das Konzept der SWE geht auf die sozial-kognitive Theorie nach Bandura (1994) zurück. Selbstwirksame Personen sind zuversichtlich, dass sie über die notwendigen Fähigkeiten zur Aufgabenbewältigung verfügen oder diese erlernen können. Durch diese Form des Optimismus sind sie in der Lage, auf sich verändernde Umstände adäquat zu reagieren und sich nicht durch ängstliche Gedanken oder Stress zu blockieren. Die SWE wirkt sich darauf aus, wie Personen denken, sich selbst motivieren, fühlen und Herausforderungen auswählen. Personen, die über eine hohe SWE verfügen, zeigen sich auch in krisenhaft erlebten Situationen ausdauernd und gehen aus diesen gestärkt hervor, sie orientieren sich am eigenen Prozess und an dessen Fortschritten und weniger daran, wie erfolgreich sie im Gegensatz zu anderen Personen sind (Bandura, 1982; Schwarzer & Jerusalem, 2002). Die SWE kann als zeitlich stabil beschrieben werden, Kontext und Inhalt der (Leistungs-) Situation haben jedoch einen erheblichen Einfluss auf die Einschätzung und das Erleben der eigenen Fähigkeiten und somit auf die erlebte SW (Bandura, 1994; Kitsantas et al., 2008).

Im SRLP nimmt die SW eine selektierende Funktion ein: Je nach Ausprägung der SW werden komplexe oder einfache Lernziele formuliert, unterschiedliche Lernstrategien eingesetzt und die Ausprägung der Lernmotivation beeinflusst (Bandura & Locke, 2003; Borgonovi & Pokropek, 2019; Roick & Ringeisen, 2018; Schwarzer & Jerusalem, 2002; Sitzman et al., 2010; Usher & Pajares, 2008a). Alghambi et al. (2020) definieren die SW im SRLP als die Zuversicht Lernender, unterschiedliche SRL-Strategien sinnvoll einzusetzen, um akademische Erfolge zu erzielen. Schwarzer und Jerusalem (2002) beschreiben die SW als Schlüssel zur kompetenten SR. Dabei werden die Einflüsse der SW auf die SR weitgehend unabhängig von den tatsächlichen Fähigkeiten der Person angesehen (Schwarzer & Jerusalem, 2002). Dass es einen positiven Zusammenhang zwischen SW und Fähigkeiten der SR sowie der Lernleistung gibt, ist jedoch hinreichend belegt (Galyon et al., 2012; Robbins et al., 2004; Roick & Ringeisen, 2017; Schnell et al., 2015; Schwarzer & Jerusalem, 2002; Sitzmann et al., 2010). Demnach lohnt es sich auch aus pädagogischer Perspektive, SW als übergeordnete SR-Fähigkeit in Bildungseinrichtungen zu festigen und zu fördern (Roick & Ringeisen, 2018; Schnell et al., 2015; Schwarzer & Jerusalem, 2002).

4 Förderung von Selbstwirksamkeit im Selbstregulierten Lernprozess

Bandura (1994) beschreibt vier Quellen, durch die SW gefördert werden kann. So wird SW vor allem dann gefördert, wenn eine Person sich als wirksam erlebt, d.h. wenn sie Erfolgserlebnisse hat, die sie auf eigenes Können und Handeln zurückführen kann (Bandura, 1994; Usher & Pajares, 2008b). Eine weitere Quelle ist das Lernen an (positiven) Modellen durch Beobachtung (Bandura, 1994; Schwarzer & Jerusalem, 2002; Usher & Pajares, 2008b). Hierbei findet nicht nur ein Abgleich der Fähigkeiten und des Durchhaltevermögens statt. Es ist auch möglich, dass die Personen voneinander lernen, wie eine konkrete Situation bewältigt werden kann (Bandura, 1986). SW kann des Weiteren durch verbale Ermutigung sowie durch Reduktion negativer Gefühle gefördert werden (Bandura, 1994; Usher & Pajares, 2008b). Die SW speist sich demnach aus eigenen Erfahrungen, dem Lernen mit und durch andere Personen, gutem Zureden und der Steuerung von Emotionen.

Bei den bisherigen Interventionsansätzen zur Förderung des SRL handelt es sich um Face-to-Face Trainings, Lerntagebücher, Feedback-Interventionen oder um Veränderungen des Lehr-Lernarrangements. Interventionen, die dazu dienen, gezielt die SW zu fördern, existieren bisher nur wenige. Vielversprechende Ergebnisse zur Förderung der SW im SRLP an Hochschulen liefern die Studien von Hawe et al. (2019), Bellhäuser et al. (2016) und Morris (2010). Hawe et al. (2019) intervenierten mithilfe des Einsatzes von Vorbildern beziehungsweise exemplarischen Arbeiten innerhalb eines Hochschulkurses für Wirtschaftsstudierende (N = 7) an einer neuseeländischen Universität. Dazu wurden Ausarbeitungen vorheriger Semester genutzt, um den Studierenden zu verdeutlichen, welche Anforderungen an sie gestellt werden und wie sie diesen Erwartungen gerecht werden können. Die Studierenden berichten in den qualitativen Interviews nach der Intervention, dass sie sich motivierter und wirksamer fühlten, die Aufgabenstellung besser verstanden hatten und ihr Wissen erweitern konnten, die Erwartungen an sie klarer und sie selbst reflektierter wurden. Bellhäuser et al. (2016) testeten die Wirkung von Lerntagebüchern und eines webbasierten Trainings zur Förderung von SRL-Fähigkeiten an einer relativ großen Studierendenstichprobe (N = 211). Durch das webbasierte Training konnten SRL-Fähigkeiten und auch die SW gesteigert werden. Für den Einsatz der Lerntagebücher ohne Training konnten keine Interventionseffekte nachgewiesen werden. Da die Studienteilnahme sich jedoch als sehr zeitaufwändig gestaltete, ist durch die hohe Arbeitsbelastung mit Einschränkungen der Compliance zu rechnen, was auch die Abbruchrate von fast 25% nahelegt. In einer Studie von Morris (2010) schnitt die Interventionsgruppe (IG) nach einer Intervention, bestehend aus elf aufgezeichneten Vorlesungen in Form von Audio-Podcastepisoden sowie einer Lernerfolgskontrolle mittels Multiple-Choice Fragen (MC-Fragen) und Feedback, in einer Probeklausur rund 6% besser ab als die Kontrollgruppe (KG).

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