Über das Buch
Wie gestalten sich Genderprozesse in Kinderkrippen, also in der Arbeit mit Kindern in den ersten drei Jahren? Während zu geschlechtsbezogenen Themen in frühpädagogischen Kontexten mit über dreijährigen Kindern etliche Untersuchungen vorliegen, ist Gender in Krippen ein Forschungsfeld, das bisher wenig bearbeitet wurde. Das Buch bietet einen Einblick, wie unterschiedlich Geschlecht in den alltäglichen Interaktionen zwischen Kindern, Eltern und Fachkräften relevant gemacht wird, wie sich Verknüpfungen zu weiteren Differenzlinien darstellen und welche Bedeutung die Materialausstattung hat. Es werden Perspektiven für eine genderreflektierte Pädagogik und Forschung diskutiert.
Liebe Ute Schaich, worum geht es in Gender in Kinderkrippen?
Es geht um eine Studie, die drei Fragen behandelt. Erstens: Wie wird die Dimension Geschlecht in den Interaktionen zwischen Kindern in den ersten drei Lebensjahren, ihren Eltern und Pädagog*innen bedeutsam gemacht? Zweitens: Wie stellen sich Verknüpfungen zu weiteren Differenzlinien dar, zum Beispiel zu class, race und body? Drittens: Welche Bedeutung hat die Materialausstattung bei den Interaktionen, bezogen auf Geschlecht?
Wie kamen Sie auf die Idee, dieses Buch zu schreiben? Gab es einen „Stein des Anstoßes“?
In der Kindertagesbetreuung sind, ebenso wie in der Familie, Geschlechterdynamiken wirksam. Der Begriff des „Doing Gender“ bringt zum Ausdruck, dass Geschlecht nicht etwas ist, das wir einfach haben, sondern das wir tun. Geschlechterbezogene Prozesse im Bereich Kinderkrippe wurden in der Forschung aber bisher wenig beachtet, trotz des Ausbaus der Krippenplätze. Ich wollte dazu beitragen, dass Kinder in den ersten drei Lebensjahren und das frühe Betreuungsfeld mehr in den Fokus der aktuellen Geschlechterforschung rücken.
Wie ist Ihre Arbeit methodologisch aufgebaut?
Es wurden in drei Kinderkrippen morgendliche Ankommens-, Frühstücks- und Spielszenen beobachtet, um die Interaktionen der Beteiligten zu erfassen. Pro Einrichtung wurden fünf je dreistündige Beobachtungstermine durchgeführt. Aus den Feldnotizen wurden ethnographische Beobachtungsprotokolle erstellt. Bei der Rekonstruktion des Materials wurden Kategorien gebildet. Sie bilden jene Alltagsbereiche ab, die besonders hervortraten. Innerhalb dieser Bereiche wurde geprüft, welche Interaktionen es mit oder unter Mädchen bzw. Jungen bzw. in gemischtgeschlechtlichen Konstellationen gab und mit welchen Praktiken Geschlecht zum Ausdruck gebracht wird. Anschließend wurden die Sequenzen miteinander in Beziehung gesetzt. Da im Auswertungsprozess Geschlechterbinarität abgebildet war, musste besonders darauf geachtet werden, Perspektiven jenseits dieser Binarität nicht auszublenden und Geschlechterstereotype nicht zu reproduzieren. Da auch die Dinge und deren Wirkung in Bezug auf Geschlecht beobachtet wurden, wurden bei der Auswertung zudem Ausstattungen und Materialien berücksichtigt.
Darüber hinaus wurden neun ethnographische Interviews mit Eltern und neun mit Fachkräften geführt und ausgewertet.
Wie würden Sie die Ergebnisse Ihrer Studie in maximal drei Sätzen zusammenfassen?
Fachkräfte und Eltern sind bestrebt, ihre eigenen Geschlechterzuschreibungen kritisch zu reflektieren, und die Kinder bekommen Freiräume, um sich geschlechtlich flexibel zu erproben. Gleichzeitig bleiben geschlechterstereotype Vorannahmen wirkmächtig. Körperlich-affektive Kommunikationsanteile und die Bewertungsdimensionen, die im Hinblick auf gender, body, class und race über sie transportiert werden, sind von hoher Bedeutung, wenn es darum geht, Prozesse der Vergeschlechtlichung zu verstehen, was eine intersektionale Haltung in Forschung und Praxis als notwendig erscheinen lässt.
Darum bin ich Autorin bei Budrich
Mein Buch erscheint in der Reihe „Geschlechterforschung für die Praxis“, die vom Gender- und Frauenforschungszentrum der Hessischen Hochschulen (gFFZ) beim Verlag Barbara Budrich herausgegeben wird. Das anspruchsvolle Buchprogramm und die freundliche Zusammenarbeit mit dem Verlag motivieren mich, auch weiterhin bei Budrich zu veröffentlichen.
Kurzvitae der Autorin
Ich bin seit 2016 Professorin für den Schwerpunkt „Pädagogik der frühen Kindheit“ an der Frankfurt University of Applied Sciences. Meine Forschungs- und Lehrschwerpunkte sind u.a.: Arbeit mit Kindern in den ersten drei Lebensjahren; Hervorbringung von Differenz und Reproduktion von Ungleichheit im Kontext (früh-)pädagogischer Institutionen; Professionalisierung auf der Basis der psychoanalytischen und gruppenanalytischen Pädagogik; Gruppenprozesse.
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