„Mit meinem Buch richte ich mich an eine breite Leser*innenschaft in der Sozialen Arbeit.“ – Interview mit Ute Reichmann, Autorin von „Schreiben und Dokumentieren in der Sozialen Arbeit”

Interview Ute Reichmann

Institutionelle Dokumentationskultur und angemessene Standards schriftlicher Kommunikation: Interview mit Ute Reichmann, Autorin von Schreiben und Dokumentieren in der Sozialen Arbeit. Struktur, Orientierung und Reflexion für die berufliche Praxis.

 

Interview mit Ute Reichmann

 

Liebe Ute Reichmann, bitte fassen Sie den Inhalt Ihrer aktuellen Publikation Schreiben und Dokumentieren in der Sozialen Arbeit für unsere Leser*innen zusammen.

Mit dem Buch richte ich mich an eine sehr breite Leser*innenschaft in der Sozialen Arbeit. Es bietet auf leicht verständliche und fachlich fundierte und systematische Weise eine Einführung in das wichtige Thema der professionellen Dokumentation. Damit ist es sowohl als Einführung beim Berufseinstieg und zur Auffrischung für erfahrene Fachkräfte wie auch in der Hochschullehre sehr gut verwendbar.

Das Thema Dokumentation wird im praktischen Kontext allgemein immer wichtiger – das gilt auch für die Soziale Arbeit und einmal mehr im Zuge der Digitalisierung. Dabei ist das Schreiben und Dokumentieren in der Sozialen Arbeit besonders anspruchsvoll: Durch den einzelfall- und adressatenorientierten Ansatz müssen sehr individuelle, sehr persönliche Angelegenheiten dargestellt und eingeschätzt werden. Bei der Arbeit besteht häufig eine enge und auch emotionale Beziehung zwischen Fachkräften und Adressat*innen. Wie kann unter solchen Umständen Dokumentation fachlich gestaltet werden? Weil man es häufig mit besonders belasteten und benachteiligten Personengruppen zu tun hat und weil die Sachlagen sehr persönlich und sensibel sind, müssen hohe ethische und Datenschutzanforderungen erfüllt werden. Diversität und Inklusion spielen eine große Rolle: Wie spricht man unterschiedliche Personengruppen wertschätzend, inkludierend und integrierend an? Welche sprachlichen Mittel stehen zur Verfügung? Welche positiven und auch negativen Effekte bewirkt man damit?

Dokumentation in den Organisationen Sozialer Arbeit ist viel komplizierter geworden, weil damit die Arbeitsorganisation, die Kompetenzverteilung und die Hierarchien, aber auch die Arbeit in den Teams gesteuert wird. Das gilt umso mehr im Zuge der Digitalisierung. Das Buch liefert einen Überblick über das Funktionieren der arbeitsorganisatorischen Funktionen der Dokumentation in der Sozialen Arbeit, in die digitalen Instrumente und auch die über Dokumentation vermittelten Machtstrukturen, in denen sich der Beruf in der Praxis behaupten muss.

 

Wie kamen Sie damals auf die Idee, die 1. Auflage dieses Buches zu schreiben? Gab es einen „Stein des Anstoßes“?

Ich habe selbst über 20 Jahre in verschiedenen Funktionen in der Sozialen Arbeit gearbeitet, parallel geforscht, an Hochschulen gelehrt und Fortbildungen angeboten. Dabei ist mir immer negativ aufgefallen, dass es keine Literatur zur Dokumentation gibt, mit der man arbeiten und auf die man verweisen könnte. Dabei wird der Arbeitsbereich in der Praxis immer wichtiger.

Da ich auch Germanistin bin, bot sich an, sich dem Thema vertieft zu widmen. Der Verlag Barbara Budrich ging auf die Anregung ein und so konnte ich das Buch erstellen, das jetzt in die zweite Auflage geht. Schon bevor die erste Auflage fertig war, wurde das Buch von mehreren Seiten nachgefragt. Das Thema stieß auf Resonanz und das freut mich sehr.

Dokumentation stellt heutzutage ein wesentliches Instrument der Steuerung und Organisation der praktischen Arbeit dar. Ihre Bedeutung für die Qualität der Arbeit wird in der Forschung, in der Lehre und in der Praxis unterschätzt. Das bedeutet leider auch, dass Sozialarbeiter*innen, die in den Beruf einsteigen, häufig nicht gut genug auf die Dokumentationsaufgaben vorbereitet sind. Bei der Gestaltung der Instrumente und der Rahmenbedingungen können sie sich dann auch wenig einbringen. Glücklicherweise gibt es inzwischen einige Sammelbände zur Digitalisierung in der Sozialen Arbeit, die auch die Dokumentation behandeln und zu denen ich auch beitragen konnte.

 

Inwiefern unterscheidet sich die 2. Auflage von der vorherigen?

Die erste Auflage war so strukturiert, dass die konkreten Schreibprozesse unter den Rahmenbedingungen der Praxis betrachtet und systematisch auf die Qualitätsanforderungen des Berufs bezogen wurden. Das Buch bietet Bezüge zur Theorie, enthält aber auch viele Beispiele und Aufgaben, die es ermöglichen, die Inhalte auf die eigene Arbeit zu übertragen. Diese Struktur hat sich bewährt.

Dennoch wurde eine grundsätzliche Überarbeitung nötig, weil sich die Dokumentation durch die schrittweise Einführung der Digitalisierung sehr stark verändert hat. Die Veränderungen sind so durchgreifend, dass mehrere Kapitel neu eingefügt werden mussten. Die digitale Technologie ist für Sozialarbeiter*innen sehr herausfordernd und durch die fremdartigen Terminologien auch unzugänglich. Auch hier bin ich dem bewährten Konzept gefolgt, theoretischen Anspruch, Verständlichkeit und Anwendbarkeit miteinander zu verbinden. Ich hoffe, dass es gelungen ist.

 

Gibt es besondere Herausforderungen bei den Neuauflagen von Schreiben und Dokumentieren in der Sozialen Arbeit? Wie sind Sie diesen begegnet?

Wie schon gesagt, war die Herausforderung bei der zweiten Auflage thematisch bedingt. Für digitale Technologien bringen Sozialarbeiter*innen üblicherweise keine spezifischen Kenntnisse mit. Häufig erleben sich Fachkräfte ohnmächtig dem gegenüber, was passiert. Das gesamte Arbeitsumfeld verändert sich und erhebliche Arbeitsanteile müssen dafür eingesetzt werden, digitale Dokumentationssysteme zu bedienen. Im Buch mussten professionelle und technologische Inhalte miteinander verbunden und so erklärt werden, dass das Wesentliche erkannt und verstanden wird. Dafür muss man keine Programmiersprachen lernen. Mir war dabei wichtig, den Fokus auf Anwendbarkeit beizubehalten, ohne an theoretischem und kritischem Anspruch zu verlieren. Das war auch bei diesem Thema nicht ganz einfach. Teilweise wissen wir ja noch gar nicht, wohin es geht. Wir sind mitten in der digitalen Transformation. Was ich erreichen will, ist, dass Sozialarbeiter*innen besser verstehen, was vor sich geht, Negativentwicklungen erkennen und befähigt werden, sich auch bei der Gestaltung der digitalen Dokumentation professionell einzubringen.

 

Darum bin ich Autorin bei Budrich

Der Verlag Barbara Budrich hat mich bei meinen bisherigen Fachpublikationen immer sehr gut begleitet und hat sich gegenüber meinen Ideen immer sehr offen gezeigt. Auch bei Schreiben und Dokumentieren in der Sozialen Arbeit war es so, dass die Anregung, dieses Buch zu produzieren, sofort aufgegriffen wurde. Die Verlagsmitarbeiterinnen sind außerordentlich offen und freundlich in der Kommunikation. Alles lässt sich zeitnah und pragmatisch klären. Als Autorin, die in einem eng getakteten Berufsumfeld arbeitet und wenig Zeit hat, ist das für mich besonders wichtig.

 

Autorin Ute Reichmann: Kurzvita in eigenen Worten

Nach einem sehr vielfältigen Studium und selbstständigen Tätigkeiten im Bereich Kunst und Theater arbeitete ich mehr als zwanzig Jahre in verschiedenen Positionen und Funktionen in der Sozialen Arbeit. Berufsbegleitend war ich forschend und in der Hochschullehre tätig und promovierte in Sozialer Arbeit. Lange Jahre war ich eine der Sprecher*innen des Netzwerks für rekonstruktive Soziale Arbeit. Inzwischen bin ich Fachbereichsleiterin in einer großen Kommunalverwaltung und publiziere weiterhin zu meinen Schwerpunktthemen.

 

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Leseprobe aus dem Buch

 

Über das Buch

Schreiben und Dokumentieren sind wichtige Bestandteile der Organisation Sozialer Arbeit. Diese Einführung reflektiert die institutionelle Dokumentationskultur innerhalb der Sozialen Arbeit und diskutiert berufsspezifisch angemessene Standards schriftlicher Kommunikation. Das Buch bietet anwendungsorientierte Hilfen und Übungen zur Verbesserung der professionellen Schreibkompetenz und gibt Textbeispiele für verschiedene Aufgabenbereiche. Es richtet sich damit an Studierende wie Lehrende und neue wie erfahrene Fachkräfte Sozialer Arbeit. In dieser gründlich überarbeiteten Neuauflage wird außerdem das Transformationsthema Digitalisierung praxisorientiert vorgestellt und diskutiert: Welche Entwicklungsmöglichkeiten werden eröffnet und können Effizienzversprechen eingelöst werden?

 

© Portraitzeichnung der Autorin: Ute Reichmann 2020