Digitale Aspekte in Arbeitsprozessanalysen in der Fachdidaktik Ernährung und Hauswirtschaft
Johanna Heindl & Susanne Miesera
HiBiFo – Haushalt in Bildung & Forschung, Heft 3-2024, S. 3-14.
Die Integration digitaler Werkzeuge und Technologien verändert traditionelle Arbeitsweisen und -prozesse im Berufsfeld Ernährung und Hauswirtschaft. Damit ändern sich die Anforderungen an die Lehrkräfteausbildung. Der Beitrag analysiert das Potenzial der Analyse digitaler Aspekte der beruflichen Praxis mit Arbeitsprozessanalysen in der Ausbildung von Lehramtsstudierenden.
Schlüsselwörter: Digitale Transformation, Arbeitsprozessanalyse, Berufsfeld Ernährung und Hauswirtschaft, digitale Handlungskompetenz, Lehrkräfteausbildung
Digital aspects in work process analyses in the didactics of nutrition and home economics
The integration of digital tools and technologies is changing traditional working methods and processes in the professional field of nutrition and home economics, which is also changing teacher education. The article analyzes the potential for capturing digital aspects in vocational specialist work through work process analyses in the education of student teachers.
Keywords: Digital transformation, Analysis of work processes, nutrition and home economics, digital competence, teacher education
1 Einleitung
Die digitale Transformation verändert die Arbeitswelt rasant und betrifft durchgängig alle Branchen. In Betrieben im Berufsfeld Ernährung und Hauswirtschaft (EH) sind Veränderungen durch die digitale Transformation vielfältig feststellbar. Die Integration digitaler Technologien in Betrieben im dualen Ausbildungssystem erfordert angepasste unterrichtliche Lernszenarien in beruflichen Schulen. Curricula-Kommissionen haben bisher wenig Möglichkeiten schnelle Veränderungen in den Ordnungsmitteln und Handreichungen aufzugreifen, dennoch müssen Lehrkräfte an beruflichen Schulen digitale Transformationsprozesse im Unterricht berücksichtigen. Zur Förderung von Kompetenzen für die Gestaltung von Transformationsprozessen bei den Schülerinnen und Schülern, benötigen die Lehrkräfte selbst Kompetenzen, um die veränderte Arbeitswelt abzubilden.
Die übergeordnete Fragestellung des Beitrags lautet daher, wie Studierende des Lehramts für berufliche Bildung im Berufsfeld Ernährung und Hauswirtschaft auf die unterrichtliche Umsetzung der Transformationsprozesse vorbereitet werden können.
Der vorliegende Beitrag untersucht dazu das Potenzial von Arbeitsprozessanalysen zur Erfassung von digitalen Aspekten in der Ausbildung von Lehrkräften.
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Digitale Transformation in Gewerben der Ernährungs- und Hauswirtschaft
Die Integration digitaler Werkzeuge und Technologien verändert traditionelle Arbeitsweisen und -prozesse. Damit verändern sich Kompetenzprofile auch im Berufsfeld EH (Brutzer, 2019, S. 20–22; Euler et al., 2019, S. 16; Miesera, 2021, S. 41–42). Das Berufsfeld EH ist breit gefächert, in gewerblich-technische Berufe, nahrungsgewerbliche, personenbezogene Dienstleistungsberufe und gastgewerbliche Berufe (Brutzer & Kastrup, 2019, S. 3).
Gewerblich-technische und Nahrungsgewerbliche Berufe
Im Bereich der gewerblich-technischen Berufe, wie z. B. Brauer/Brauerin, Mälzer/Mälzerin sowie im Bereich der nahrungsgewerblichen Berufe wie z. B. Fleischer/Fleischerin, Bäcker/Bäckerin oder Koch/Köchin verändern digitale Technologien die Arbeitsprozesse. Vernetzte Küchengeräte, wie intelligente Öfen oder Kühlschränke, die über Apps gesteuert werden können, optimieren die Zubereitung von Nahrungsmitteln. Robotik-Systeme übernehmen Routinetätigkeiten in Küchen und garantieren eine standardisierte Zubereitung bei gleichbleibender Qualität oder produzieren selbst Gerichte oder Teile von Gerichten (3D-Lebensmitteldruck) (Peuker et al., 2023, S. 57). In der Verpflegungsplanung dominieren cloudbasierte Rezeptdatenbanken und Warenwirtschaftssysteme. Die Integration von digitalen Systemen zur Automatisierung ermöglicht eine präzise und effiziente Steuerung von Betriebsabläufen. Bestellungen und Lieferungen können dadurch besser verfolgt und nachvollzogen werden, Warenwirtschaftssysteme können optimiert werden und so die Ressourcennutzung optimieren (van der Schaft et al., 2022, S. 2). Die KI-gestützte Auswertung von Rezepten erleichtert die Anpassung an diätetische Bedarfe, wie Allergenberatung oder Nährwertüberprüfung (Andreä et al., 2020, S. 53).
Gastgewerbliche Berufe und personenbezogene Dienstleistungsberufe
Zu den gastgewerblichen Berufen und personenbezogenen Dienstleistungsberufen gehören beispielsweise Hotelfachkräfte, Fachkräfte für Restaurants und Veranstaltungsgastronomie sowie Hauswirtschafter/Hauswirtschafterinnen. In den letzten Jahren verändern die Einführung von Online-Buchungsplattformen, die Implementierung von Customer-Relationship-Management-Systemen (CRM), die Nutzung von (KI-basierter) Datenanalyse zum Angebot von personalisierten Angeboten sowie die Automatisierung von Prozessen das Berufsfeld (Buhalis & Leung, 2018, S. 41–42; Kim et al., 2015, S. 165–166). Diese Entwicklungen haben weitreichende Auswirkungen auf alle Bereiche des genannten Berufsfelds. Automatisierte Bestellsysteme verändern die Interaktion mit Gästen. Dazu zählen Online-Bestellsysteme, mobile Apps oder Selbstbedienungskioske mit digitalen Zahlungsmöglichkeiten. Digitale Plattformen können Daten zu Kundenpräferenzen- und verhalten generieren, um so personalisierte Angebote und Empfehlungen für Kundinnen und Kunden zu erstellen (Busulwa et al., 2022, S. 1–2). Der hauswirtschaftliche Bereich ist geprägt durch digitale Technologien zur Organisation und Verwaltung von Haushalten. Intelligente Haushaltsgeräte, die mit dem Internet verbunden sind, ermöglichen die zielgerichtete Steuerung von Heizungen, Beleuchtungsanlagen oder Sicherheitseinrichtungen. Zudem können Reinigungsroboter dazu beitragen, Reinigungsarbeiten zu automatisieren (Kastrup & Brutzer, 2021, S. 204; Miesera, 2023, S. 10; Muntschick & Rauch, 2015, S. 6–8).
2.2 Einordnung von Arbeitsprozessanalysen
Der Arbeitsprozess wird nach Knutzen et al. (2010) als „ein analytisches Hilfsmittel zur Erfassung, inhaltlichen Konkretisierung, Beschreibung und Gestaltung beruflicher Facharbeit aufgefasst.“ Arbeitsprozessanalysen sind systematische Untersuchungen von Arbeitsabläufen, die darauf abzielen, Arbeitsprozesse detailliert zu beschreiben, zu bewerten und zu optimieren. Durch die Untersuchung einzelner Arbeitsschritte können Zusammenhänge, Schnittstellen und Ressourcenverbräuche aufgezeigt werden, um Arbeitsabläufe zu optimieren, Arbeitsbelastungen zu reduzieren und die Qualität von Produkten oder Dienstleistungen zu verbessern (Hägele & Knutzen, 2001, S. 56). Arbeitsprozessanalysen nach Haasler (2003) (BAG-Analyse = Berufliche Arbeitsaufgabenanalyse) hatten ursprünglich die Intention eine Verbindung zwischen den damals neuen lernfeldorientierten Lehrplänen und der Facharbeit in den Betrieben für Lehrkräfte zu leisten (Haasler, 2003, S. 4). Weitere Ziele der BAG-Analyse nach Haasler (2003) sind die Organisation und den Ausbau von Lernortkooperationen zu realisieren sowie die Kontakte zu Facharbeiterinnen und Facharbeitern in den Betrieben zu steigern. Auch didaktisch-methodische Ziele führt er auf: Dabei geht es um die Entwicklung von Lehr-Lernarrangements in denen Lernsituationen mit betrieblichen Arbeitsprozessen verknüpft sind (Haasler, 2003, S. 6).
Mittlerweile existieren vielfältige Umsetzungshilfen zu Lernfeldcurricula (Maaß et al., 2022; Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung, 2021). Arbeitsprozessanalysen bieten neues Potenzial zur Erfassung von Transformationsprozessen. Praxisorientierte Arbeitsmappen von Howe & Knutzen (2021) bieten Vorschläge zur Analyse von Arbeitsprozessen. Härtel et al. (2023) beschreiben digitalisiertes Arbeiten in gastgewerblichen Berufen durch Arbeitsprozessanalysen in der Hochschullehre. Arbeitsprozessanalysen bieten die Grundlage für eine praxisnahe Ausbildung von Studierenden. Sie ermöglichen nicht nur tiefenstrukturelle Einblicke in die Arbeitsabläufe in den Betrieben, sondern bieten auch die Chance, Bildungsinhalte sowie die eigenen Kompetenzen stetig an die sich wandelnden Anforderungen des Arbeitsmarktes anzupassen und somit eine praxisorientierte Ausbildung für Studierende zu gewährleisten. Durch die Arbeitsprozessanalyse kann eine Verknüpfung des Bezugswissens und der Handlungsorientierung geschaffen werden, indem die Berufsinhalte als eigenständige Einheit betrachtet werden, die es vor der Entwicklung von Unterricht zu betrachten gilt (Becker, 2013, S. 2).
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