Kita-Fachkräfte: Belastungsfaktoren und Gesundheitsförderung (DKLK-Studie 2022)

Diskurs Kindheits- und Jugendforschung / Discourse. Journal of Childhood and Adolescence Research 1-2025: Gesund bleiben in der Kita: Was Kita-Fachkräfte aus Sicht der Kita-Leitung belastet und gesund hält. Ergebnisse der DKLK-Studie 2022

Gesund bleiben in der Kita: Was Kita-Fachkräfte aus Sicht der Kita-Leitung belastet und gesund hält. Ergebnisse der DKLK-Studie 2022

Andy Schieler

Diskurs Kindheits- und Jugendforschung / Discourse. Journal of Childhood and Adolescence Research, Heft 1-2025, S. 31-50.

 

Zusammenfassung
Zahlreiche Befunde belegen die psychische und emotionale Erschöpfung von pädagogischen Fachkräften im Arbeitsfeld Kita. Neben den Belastungen des Fachkräftemangels sehen sich die Fachkräfte in ihrem pädagogischen Alltag mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert und sind demnach verschiedenen Belastungsfaktoren ausgesetzt. Um einen differenzierten Blick darauf zu bekommen, was Kita-Fachkräfte belastet und was sie gesund hält, wurden im Rahmen der Studie des Deutschen Kitaleitungskongresses (DKLK-Studie) 2022 bundesweit 4.827 Kita-Leiter:innen zu Fragen der Gesundheit und Gesundheitsprävention befragt. Die Ergebnisse zeigen u. a., dass 70 Prozent der Befragten angaben, dass es in ihrer Kita kein Konzept zum Thema Gesundheit/Gesundheitsprävention für das pädagogische Fachpersonal gibt. Als stärkste gesundheitsfördernde Faktoren gaben die befragten Kita-Leiter:innen den respektvollen Umgang miteinander (93 %), die Zusammenarbeit im Team (87 %) und den Betriebssport (86 %) an; als stärkste gesundheitsgefährdende Faktoren nennen sie kranke Kinder in der Kita (95 %), Geräuschpegel (93 %) und Verwaltungsaufwand (87 %). Die DKLK-Studie 2022 leistet ihren Beitrag dazu, dass die Förderung der Gesundheit der pädagogischen Fach- und Leitungskräfte noch stärker in den Fokus der gesellschaftlichen, politischen, wissenschaftlichen und berufspraktischen Aufmerksamkeit gelangt.

Schlagwörter: Gesundheit, Belastung, Fachkräfte, Kita-Leitung, Online-Befragung

 

Staying healthy in daycare: What daycare staff find stressful and what keeps them healthy from the perspective of daycare managers. Results of the DKLK study 2022

Abstract
Numerous findings confirm the psychological and emotional exhaustion of educational professionals in daycare centers. In addition to the stress caused by the staffing shortage, professionals face a variety of challenges in their day-to-day pedagogical work and are thus exposed to various different stress factors. To gain a detailed understanding of what stresses and sustains daycare staff, 4.827 daycare managers nationwide were surveyed on health and health prevention issues in the study conducted as part of the German Daycare Management Congress (DKLK Study) 2022. The results show, among other things, that 70 % of respondents reported that there is no health/health prevention concept for the educational staff in their daycare center. The strongest health-promoting factors identified by the respondents were respectful interaction (93 %), teamwork (87 %), and workplace sports (86 %). The strongest health-threatening factors were sick children in daycare (95 %), noise levels (93 %), and administrative workload (87 %). The DKLK Study 2022 contributes to increasing the focus on the promotion of the health of educational and managerial staff in the social, political, scientific, and professional practice contexts.

Keywords: Health, Stress, Professionals, Daycare Center Management, Online Survey

 

1 Forschungsstand

Zahlreiche Befunde belegen die psychische und emotionale Erschöpfung von pädagogischen Fachkräften im Arbeitsfeld Kita (Almstadt et al., 2012; Bauknecht & Wesselborg, 2022; Madeira Firmino & Bauknecht, 2022; Jungbauer & Ehlen, 2013; Kliche et al., 2008; Rudow, 2004; Sica, 2017; Viernickel et al., 2017; Viernickel &Weßels, 2020). Neben den Belastungen des Fachkräftemangels sehen sich die Fachkräfte in ihrem pädagogischen Alltag mit vielfältigen Herausforderungen im Zuge der Umsetzung des Bildungsauftrags konfrontiert und sind demnach verschiedenen Belastungsfaktoren ausgesetzt (Schreyer et al., 2014; Viernickel et al., 2017).

In Bremen wurden vom Institut für Arbeit und Wirtschaft (IAW) Interviews zum Arbeits- und Gesundheitsschutz (AGS) in Kitas druchgeführt, die signifikante physische und psychische Belastungen der Kita-Fachkräfte sowie eine Bereitschaft zur Gefährdungsprävention aufzeigen (Almstadt et al., 2012). Die Autor:innen kategorisieren diese Belastungen in Lärmbelastung, psychischen Stress, physische Belastungen des Muskel-Skelett-Systems und Infektionskrankheiten, basierend auf früheren Studien (Berger et al., 2011; Buch & Frieling, 2002; Fuchs & Trischler, 2008; Fuchs-Rechlin, 2007; Rudow, 2004; Schad, 2002) und Berichten von Krankenkassen und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (IKK-Bundesverband, 2006; Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin [BAuA], 2013).

Eine Studie von Bauknecht und Wesselborg (2022) vergleicht die psychische Erschöpfung in sozialen Berufen und stellt fest, dass diese in der Pflege am höchsten ist, gefolgt von Erziehungspersonal, Lehrkräften, Polizei und Sozialarbeiter:innen. Die Erschöpfung nahm zwischen 2006 und 2018 in den meisten Berufen zu, was strukturelle Verbesserungen und gesundheitsfördernde Maßnahmen erfordert. Madeira Firmino und Bauknecht (2022) identifizierten relevante Belastungs- und Resilienzfaktoren in sozialen Berufen, während Jungbauer und Ehlen (2013) in einer Online-Befragung von Erzieher:innen auf hohe Burnout-Raten und relativ häufige Krankentage hinweisen. Schreyer et al. (2014) betonen in der AQUA-Studie, dass 72 Prozent der Kita-Fachkräfte unter starkem beruflichen Stress leiden und 36 Prozent Burn-out-gefährdet sind. Verbesserte Arbeitsbedingungen und Unterstützung durch Träger mindern diese Belastungen. Rudow (2004) stellte für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fest, dass Erzieher:innen hohe psychische Belastungen wie Lärm, Zeitdruck und Personalmangel erleben. Wesentlich bei der Thematisierung des Stressempfindens von Kita-Fachkräften ist die Subjektivität des Stresserlebens. Stress wird als Anpassungsfähigkeit und transaktional (Hurrelmann, 2006, S. 53), also abhängig von der Bedeutung des Stimulus für die Empfangenden, aufgefasst. Jede:r reagiert demnach auf bestimmte Stressoren unterschiedlich. Basierend auf dem transaktionalen Stressmodell von Lazarus (1991, nach Franke, 2012) folgt einer Situation bzw. einem Reiz eine kognitive Bewertung (positiv, neutral oder stresshaft). Im Falle einer Bewertung als stresshaft folgt die Frage nach den vorhandenen Ressourcen zur Bewältigung des Stress-Zustandes (Ja: Bewältigung/coping; nein: bleibt stresshaft). Derlei Ressourcen können durch Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung gestärkt werden.

Kliche et al. (2008) zeigten, dass Prävention und Gesundheitsförderung in Kitas zwar präsent sind, aber in der Umsetzung und Vernetzung noch Verbesserungspotenzial besteht. Viernickel und Weßels (2020) verglichen die Arbeitsbedingungen von Kita-Fachkräften und Kindertagespflegepersonen und fanden, dass mehr Ressourcen als Belastungen wahrgenommen werden. Viernickel et al. (2017) betonten, dass ungünstige Arbeitsbedingungen Gesundheitsrisiken erhöhen und empfehlen ein umfassendes Arbeitsschutz- und Gesundheitsmanagement.

Die bisherigen Befunde basieren durchweg auf Daten, die aus der Zeit vor 2020 stammen und somit nicht die aktuelle, u. a. durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie beeinflusste Einschätzung zur Gesundheit und Gesundheitsvorsorge in deutschen Kindertageseinrichtungen berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund sollte mit der DKLK-Studie 2022 aus Sicht von Kita-Leiter:innen ein aktueller, differenzierter Blick auf die Frage geworfen werden: Was belastet Kita-Fachkräfte und was hält sie gesund? Zum Thema Gesundheit und Gesundheitsprävention in der Kita wurden daher bundesweit Kita-Leiter:innen befragt, die in ihrer viel zitierten Schlüsselrolle durch ihre tagtäglichen Eindrücke in der Praxis einen guten Einblick in die Situationen vor Ort haben.

2 Methode

Die Daten wurden im Rahmen der DKLK-Studie 2022 erhoben. Die seit 2015 jährlich durchgeführte Studie wurde im Auftrag des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) und der FLEET Education Events GmbH durchgeführt. Im Jahr 2022 wurden die Wahrnehmungen von insgesamt 4.827 Kita-Leiter:innen der Bundesrepublik Deutschland mithilfe eines Online-Fragebogens erhoben – u. a. zum Schwerpunktthema Gesundheit und Gesundheitsprävention. Der Umfragezeitraum belief sich vom 06.12.2021 bis zum 01.02.2022. Der Link zur anonymen Online-Befragung wurde bundesweit über allgemeine Verteiler1 an die Leitungen von Kindertageseinrichtungen in allen Bundesländern versendet. Der Fragebogen beinhaltete 31 Fragen (darunter zwei offene Fragen), aufgeteilt in die Themengebiete Stichprobe, Leitungszeit, Anerkennung und Wertschätzung, Fort- und Weiterbildung, Personalstand sowie den Themenschwerpunkt Gesundheit und Gesundheitsprävention. Die Ergebnisse dieses Artikels beziehen sich auf die acht Fragen zum Themenschwerpunkt Gesundheit und Gesundheitsprävention.

3 Stichprobe

Die Befragten liegen der Reihenfolge nach in folgenden Alterskategorien: „über 50 Jahre“ (40,3 %), „41–50 Jahre“ (26,7 %), „30–40 Jahre“ (24 %), „unter 30 Jahre“ (9 %). Die meisten Befragten sind weiblich (93,1 %; männlich: 6,8 %, divers: 0,2 %) und gaben als höchsten Berufs-/Bildungsabschluss „Erzieher/in“ an (64,7 %), gefolgt von „Sonstiges Studium/Ausbildung (bitte angeben)“ (15,3 %)2, „Studium Sozialpädagogik/Soziale Arbeit“ (11,2 %), „Studium Kindheitswissenschaften“ (5 %), „Studium Erziehungswissenschaften“ (3,1 %), „Studium Betriebswirtschaftslehre“ (0,5 %), „Kinderpfleger:in“ (0,2 %)3. Die meisten Befragten kommen aus Baden-Württemberg (40,2 %), Bayern (19 %) und Nordrhein-Westfalen (17,2 %). Baden-Württemberg ist dabei überrepräsentiert, verglichen zur Grundgesamtheit (Autorengruppe Fachkräftebarometer, 2021). Alle anderen Bundesländer bewegen sich im Bereich des Anteils der Leitungen an der Gesamtanzahl der bundesweiten Leitungen. Wenn jede:r Befragte eine Kindertageseinrichtung repräsentiert, deckt die DKLK-Studie 2022 8,3 Prozent der 57.594 Kindertageseinrichtungen in Deutschland ab.

Die Befragten, die sich einem kirchlichen (38,5 % der Befragten) oder einem öffentlichen (36 % der Befragten) Träger zugeordnet haben, sind am stärksten vertreten. Kita-Leitungen aus Einrichtungen in privat-gemeinnütziger Trägerschaft sind zu gut einem Fünftel (21,2 % der Befragten) vertreten. Damit entspricht die Trägerverteilung der DKLK-Studie 2022 der Verteilung in der Grundgesamtheit der Bundesrepublik Deutschland (Bertelsmann Stiftung, 2020). Die Mehrheit der Befragten gaben an, dass sich ihre Einrichtung in einer Gemeinde mit 1.000 bis 50.000 Einwohner:innen befindet (64,5 %), wobei fast ein Drittel der Befragten in Einrichtungen von Gemeinden mit 10.000 bis 50.000 Einwohner:innen (29,6 %) tätig ist. Die Befragten ordnen sich vorwiegend den Kategorien 21 bis 50 Kinder (27,6 %), 51 bis 74 Kinder (23,5 %), 75 bis 100 Kinder (21,3 %) und mehr als 100 Kinder (20,9 %) zu. Ein Abgleich mit der Grundgesamtheit in der Bundesrepublik Deutschland zeigt ein tendenziell ähnliches Verhältnis: 36,1 Prozent „kleine“ Kitas mit weniger als 45 Kinder, 31,6 Prozent „mittlere“ Kitas mit 45 bis 75 Kindern und 32,4 Prozent „große“ Kitas mit 76 Kindern und mehr (Bertelsmann Stiftung, 2020).

Die Verteilungen des Alters, des Geschlechts, der Qualifikation, der Trägerschaft und der Einrichtungsgröße sind vergleichbar zur Verteilung in der Grundgesamtheit (Autorengruppe Fachkräftebarometer, 2021; Bertelsmann Stiftung, 2020).

1 Exemplarische Auswahl der Verteiler: Verband Bildung und Erziehung (VBE), FLEET Education Events GmbH, Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung und Erziehung in der Kindheit (BAG BEK), Deutsche Liga für das Kind, Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS), Stiftung Kinder Forschen, Bertelsmann Stiftung, Sozialpädagogisches Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg (SFBB), Hochschulen/Universitäten, Institute (Deutsches Jugendinstitut (DJI), Kompetenzzentrum Frühe Bildung der Hochschule Magdeburg-Stendal (KFB), Staatsinstitut für Frühpädagogik (ifp), Niedersächsische Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe), Träger.
2 In der Kategorie „Sonstige“ (n = 713; 15,3 % der Befragten) wurden als häufigste Antworten benannt: Fachwirt:in (45,3 % der Befragten), anderes Studium (19,6 % der Befragten) sowie Sonderpädagog:in (12,2 % der Befragten) – jeweils Prozente der Befragten innerhalb der Kategorie „Sonstige“.
3 Stand: 30. September 2020.

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