„Nutzen Sie Schreibanlässe, wann immer sie sich bieten.“ – Interview mit Petra Kolip und Bettina Schmidt, Autorinnen von „Schreiben in Sozialarbeits- und Gesundheitswissenschaften”

Cover "Schreiben in Sozialarbeits- und Gesundheitswissenschaften"

Schreiben in Sozialarbeits- und Gesundheitswissenschaften
Erfolgreich in interdisziplinären Studiengängen

von Petra Kolip und Bettina Schmidt

 

Über das Buch

Während es in anderen Fächern ausreicht, eine Disziplin zu durchdringen, müssen sich Studierende der Sozialarbeits- und Gesundheitswissenschaften in vielen Disziplinen zurechtfinden und zu einer multidisziplinären Gesamtperspektive gelangen. Petra Kolip und Bettina Schmidt erklären u.a. mithilfe solider Zeitmanagement-Tipps und Checklisten, wie dies schon ab der Themenfindung gelingt.

 

Liebe Petra Kolip, liebe Bettina Schmidt, bitte fassen Sie den Inhalt Ihrer aktuellen Publikation Schreiben in Sozialarbeits- und Gesundheitswissenschaften für unsere Leser*innen zusammen.

Unser Buch erscheint in einer Reihe, in der Studierenden unterschiedlicher Fächer die Grundlagen wissenschaftlichen Schreibens nahegebracht werden. Das gilt auch für unser Buch. Wir nehmen unsere Studierenden mit auf eine Reise, auf der eine Hausarbeit (oder auch eine Bachelor- und Masterarbeit) geschrieben wird, vom ersten sondierenden Lesen bis zum letzten Korrekturlesen.

Wir gliedern diesen Weg in kleinere Etappen, wissend, dass die verschiedenen Schritte oft parallel laufen und der Weg nicht gradlinig ist. Ehe wir die einzelnen Arbeitsschritte beschreiben, setzen wir uns grundlegend mit dem wissenschaftlichen Arbeiten in den Sozialarbeits- und Gesundheitswissenschaften auseinander und thematisieren insbesondere, was das Besondere an multidisziplinären Studiengängen wie den unseren ist. Wir erläutern dann, wie man überhaupt ein Thema findet und wie man aus dem Thema eine Fragestellung ableitet und eine Gliederung aufbaut – für viele unserer Studierenden ist das eine große Herausforderung. Ausführlich gehen wir dann darauf ein, wie Literatur professionell recherchiert, gelesen und verarbeitet wird. Gerade in den Sozialarbeits- und Gesundheitswissenschaften ist es anspruchsvoll, seriöse und zitierfähige Quellen von nicht zitierfähigen zu unterscheiden. Auch dies ist eine nicht einfache Herausforderung für die Studierenden in unseren Fächern, weil viele Anbieter von Informationen sich mitunter sowohl an ein Fach- als auch an ein Laienpublikum wenden. Dem eigentlichen Schreiben ist ein weiteres Kapitel gewidmet, in dem auch erläutert wird, wie die Gedanken anderer im eigenen Text korrekt verarbeitet und zitiert werden. Wir wollen Studierende ermuntern, die Haus- oder Abschlussarbeit gut zu planen, deshalb ist dem Arbeitsplan und dem Zeitmanagement ein eigenes Kapitel gewidmet.

Zum Abschluss können die Leser*innen uns Autor*innen ein wenig über die Schulter gucken, denn wir beschreiben, wie wir unsere Fachartikel und Bücher schreiben. Da finden die Studierenden alles das en miniature wieder, was wir zuvor beschrieben haben, und sehen auch, dass sich die Arbeitsweise aber bei allen Gemeinsamkeiten auch unterscheiden kann.

 

Inwiefern unterscheidet sich Ihr Buch von anderen Schreibratgebern?

Uns ist es wichtig, dass es in dem Buch zwar vordergründig um die Vermittlung des Handwerkszeugs wissenschaftlichen Arbeitens geht. Wichtiger ist uns allerdings, dass wir die Studierenden darin unterstützen wollen, sich eine wissenschaftliche Grundhaltung anzueignen. Viele unserer Studierenden wollen ja in die berufliche Praxis gehen und denken, das wissenschaftliche Arbeiten sei nur für diejenigen wichtig, die vielleicht promovieren wollen und eine wissenschaftliche Karriere anstreben. Wir wollen vermitteln, dass eine wissenschaftliche Grundhaltung auch für die Praxis elementar ist. Von Bettina Schmidt stammt das schöne Bild, dass wir als Patient*innen nicht wollen, dass sich die Chirurgin mal eben im Internet ergoogelt, wie sie eine Operation bei uns als Patientinnen durchführt. Genauso wenig wollen die Zielgruppen der Sozialen Arbeit oder der Gesundheitswissenschaften, dass ihre professionellen Kontaktpersonen ad hoc im Internet recherchieren, wie eine Unterstützung aussehen kann. Wir wollen auch zeigen, dass dieser Aneignungsprozess zwar mühevoll sein kann, dass er aber auch viel Freude und Vergnügen bringen kann, weil man der eigenen Neugier nachgehen und systematisch Fragen beantworten kann, die einen interessieren. Wir haben das selber so erlebt. Uns beiden wurde die Wissenschaft nicht in die Wiege gelegt, wir stammen beide aus nicht-akademischen Familien. Auch wir empfanden manches als mühsam, aber die Freude, sich Themen anzueignen und darüber zu schreiben, überwog schnell, sodass wir das schließlich zu unserem Beruf gemacht haben. Vielleicht geht es der einen oder dem anderen Leser*in unseres Buches auch so.

Unser Buch unterscheidet sich von anderen Schreibratgebern vermutlich auch dadurch, dass wir die technischen Aspekte (z. B. der Zitierweise, des Aufbaus einer Gliederung) kombinieren mit psychologischen Aspekten des Arbeitsprozesses. Zahlreiche Hinweise und Tipps, z. B. bei Schreibblockaden oder zu Kreativmethoden in der Erschließung eines Themas, durchziehen das Buch. Viele stammen übrigens direkt von Studierenden. Wir haben uns im Vorfeld von Studierenden ein Feedback zu einzelnen Kapiteln eingeholt, die uns sehr gut rückgemeldet hat, was zu Studierenden und ihrer Arbeitsweise passt. Hierfür sind wir sehr dankbar.

 

Welchen Herausforderungen stehen Studierende der Sozialarbeits- und Gesundheitswissenschaften beim Schreiben gegenüber?

Die größte Herausforderung liegt sicherlich darin, dass es sich jeweils um Multidisziplinen handelt. Anders als in Monodisziplinen, in denen z. B. die Zitierweise eindeutig in Leitfäden geregelt ist, sehen sich unsere Studierenden damit konfrontiert, dass sie ggf. bei jeder Hausarbeit neue Regeln kennenlernen.

Wir versuchen zu vermitteln, dass der Kern des wissenschaftlichen Arbeitens aber immer der gleiche ist: Ich muss eine klare Fragestellung entwickeln, aus der sich eine Gliederung ergibt, die von der Frage zur Antwort leitet, und ich muss die wissenschaftlichen Texte zu meinem Thema recherchieren und verarbeiten können und dabei eigene Gedanken von fremden klar unterscheiden und kenntlich machen. Das gilt letztlich für alle Studiengänge und ist jetzt keine Besonderheit in den Sozialarbeits- und Gesundheitswissenschaften. Eine Besonderheit ist vielleicht noch, dass ich konsequent eine wissenschaftlich-neutrale Grundhaltung in der Bearbeitung von Themen einnehmen muss, selbst wenn es sich um heikle Themen handelt, bei denen man schnell eine Meinung hat. Und ich muss sicherstellen, dass ich nicht zu schnell die Konsequenzen für die Praxis nach vorne rücke, sondern dass ich erst eine wissenschaftliche Grundlage schaffen muss, aus der ich Konsequenzen für die Praxis ableite.

 

Was sind die wichtigsten Tipps, die Sie Studierenden der Sozialarbeits- und Gesundheitswissenschaften für das Schreiben mitgeben möchten?

Lesen Sie viel und lassen Sie Themen reifen. Lesen Sie auch an den thematischen Rändern und lassen Sie sich inspirieren. Über die Lektüre wissenschaftlicher Texte bekommen Sie ein Gespür dafür, wie Publikationen aufgebaut sind.

Nutzen Sie Schreibanlässe, wann immer sie sich bieten. Das übt, Gedanken in Form zu bringen und es senkt die Schwelle, um nach der Recherche- und Lesephase mit dem Schreiben zu beginnen.

Holen Sie inhaltliches und methodisches Feedback von anderen Personen, insbesondere von Ihren Betreuer*innen ein, und tauschen Sie sich mit anderen Personen zum Arbeitsprozess aus. Das Bild vom akademischen Elfenbeinturm suggeriert, man sei beim Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten allein. Das Gegenteil ist der Fall: Wissenschaft lebt vom Austausch, die Diskussionen mit anderen sind das A & O.

 

Darum sind wir Autorinnen bei Budrich

Unser Zugang zum Verlag ging über die Reihe, die von einer Bielefelderin herausgegeben wird. Uns haben die handlichen, fachspezifischen Bücher gefallen, deshalb sind wir an den Verlag herangetreten – ohne zuvor Erfahrung mit dem Verlag gehabt zu haben. Die Zusammenarbeit war aber ausgesprochen angenehm und konstruktiv. Zu einer ersten Skizze gab es zeitnah eine Rückmeldung, und auch in den weiteren Feedbacks war zu spüren, dass da jemand sitzt, die die Konzeption des Buches und unsere Herangehensweise mitträgt. Beeindruckt waren wir von der Sorgfalt in der Fertigstellung. In mehreren Durchgängen bekamen wir das gesetzte Manuskript, durften Anregungen zur Gestaltung geben, die auch umgesetzt wurden, und selbst auf sprachlicher Ebene gab es Rückmeldungen. Das erleben wir selten bei Fachbüchern, die wir schreiben.

 

Kurzvitae in eigenen Worten

Portraitfoto von Budrich-Autorin Bettina SchmidtBettina Schmidt: Ich habe zunächst Sozialwissenschaften und dann Gesundheitswissenschaften studiert, ich habe also zwei interdisziplinäre Studiengänge durchlebt und manchmal auch durchlitten, weil die wissenschaftlichen Anforderungen so vielfältig waren und mir anfangs auch viel widersprüchlicher erschienen als sie tatsächlich sind. In der beruflichen Praxis, z.B. bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, habe ich dann stets mit Personen ganz unterschiedlicher Fachdisziplinen zusammengearbeitet. Das ist interessant, aber auch anspruchsvoll, weil sich die unterschiedlichen Fachleute nicht nur in ihrer Fachsprache unterscheiden, sondern auch in ihrer Haltung, z.B. zu bestimmten gesundheitsrelevanten Fragestellungen. Gesundheit ist ein spannendes Thema, die fachspezifische Lehre zum Thema „Soziale Arbeit und Gesundheit“ macht mir darum viel Spaß. Fast noch mehr Spaß machen mir aber Veranstaltungen zum wissenschaftlichen Arbeiten, weil ich überzeugt davon bin, dass gutes wissenschaftliches Arbeiten die Grundvoraussetzung für gutes berufliches Handeln ist.

Portraitfoto von Budrich-Autorin Petra KolipPetra Kolip: Ich habe in den 1980er Jahren Psychologie studiert und dann in einem interdisziplinären Sonderforschungsbereich promoviert. Das hat mich sehr geprägt, weil mir deutlich wurde, wie leicht man in der Wissenschaft aneinander vorbeireden kann und wie wichtig es ist, sich auf den Kern wissenschaftlichen Arbeitens zu verständigen. Ende der 1980er Jahre wurden die Gesundheitswissenschaften etabliert und ich durfte an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften in Bielefeld – einer Pionierin in dem Feld – habilitieren. Danach war ich dann zunächst in Zürich, dann in Bremen, bis ich als Professorin für Gesundheitsförderung und Prävention an die Bielefelder Fakultät zurückkehrte. Dort lehre ich im Bachelorstudiengang Gesundheitskommunikation, dem Master Public Health und dem gesundheitswissenschaftlichen Promotionsstudiengang. Es macht mir Spaß, Studierende mit dem wissenschaftlichen Arbeiten vertraut zu machen und ich freue mich zu sehen, wie die Kompetenz mit jeder Hausarbeit, jedem Referat und jeder Qualifikationsarbeit mehr wächst.

 

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Cover "Schreiben in Sozialarbeits- und Geisteswissenschaften"Petra Kolip, Bettina Schmidt:

Schreiben in Sozialarbeits- und Gesundheitswissenschaften. Erfolgreich in interdisziplinären Studiengängen

Schreiben im Studium, Band 13

 

 

© Titelbild: gestaltet mit canva.com; Autorinnenfotos: privat