Der lange Weg zur Demokratie in Deutschland – Zum Glück haben wir die Wahl!

Bundestagswahl 2025 Ulrike Rader

Über welche Stationen hat der lange Weg zur Demokratie in Deutschland geführt? Ein Gastbeitrag von Ulrike Rader, Beitragsautorin in unserer Zeitschrift „Politisches Lernen“.

 

„Zum Glück haben wir die Wahl!“ – Was ist das?

„Zum Glück haben wir die Wahl!“ – unter diesem Motto teilen unsere Autor*innen ihre Perspektiven auf die Bundestagswahl 2025. Demokratie ist eine der größten Errungenschaften unserer Gesellschaft, doch sie ist keine Selbstverständlichkeit. Sie lebt davon, dass wir sie aktiv gestalten, schützen und immer wieder aufs Neue mit Leben füllen.

Mit dieser Beitragsreihe möchten wir die Vielfalt der Stimmen sichtbar machen und gemeinsam ein Zeichen setzen: für die Freiheit, die Demokratie uns gibt, und für die Verantwortung, die sie mit sich bringt.

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Der lange Weg zur Demokratie in Deutschland

Unsere heutige Demokratie in Deutschland hat eine lange Geschichte und ist gegen heftige Wider­stän­de erkämpft worden. Dieser Beitrag beleuchtet die wichtigsten Stationen.

 

Beginn des 19. Jahrhunderts: Anfänge der Demokratie in Deutschland

Bereits zu Beginn des 19. Jh. dürfen die Deutschen die Luft der Demokratie in Folge der Französischen Revolution schnuppern. Durch Napoleon werden die revolutionären Ideen von Freiheit und Gleichheit in Deutschland verbreitet. Erstmals werden dadurch für die Deutschen der Absolutismus und die Stän­de­gesellschaft in Frage gestellt und zum Teil abgeschafft, die Bauern von der Leibeigenschaft befreit und die Zünfte aufgelöst und damit die Gewerbefreiheit eingeführt.

Mit dem Siegeszug von Napoleon durch Europa gewinnen die revolutionären Ideen auf dem ganzen Kontinent an Einfluss. Für das europäische Bürgertum werden die Ideen von Freiheit und Gleichheit zum Vorbild, für die Kräfte der alten Ordnung des Absolutismus und des Gottesgnadentums zur Bedrohung. Napoleon macht aber nicht nur die Ideen der Französischen Revolution bekannt, sondern er bringt den Deutschen auch Krieg und Fremdherr­schaft. Dieser wider­setzen sich 1813 die vereinig­ten Armeen Preußens, Österreichs und Russlands sowie freie Soldaten­verbände, sogenannte Freikorps, erfolgreich in der Völkerschlacht bei Leipzig.

 

1815-1832: Wiener Kongress – Deutscher Bund und Restauration der alten Machtverhältnisse

1815 schlägt die Konterrevolution zurück. Nach der endgültigen Niederlage Napoleons bei Waterloo wird auf dem Wiener Kongress die alte Fürstenherrschaft wieder hergestellt. Es beginnt eine bleierne Zeit, die Biedermeierzeit, Rückzug ins Private, der deutsche Michel als Schlafmütze! Obwohl die Meinungsfreiheit aus der Angst der Fürsten vor einer Revolution durch die Karls­bader Beschlüsse von 1819 erheblich einge­schränkt wird und viele frei­heitlich denkende Menschen infolge der „Demagogen­verfolgung“ verhaftet werden oder fliehen müssen, brennt die Flamme der Demokratie auch unter dem wieder stabilisierten Absolutismus weiter. Denn „die Gedanken sind frei!“ Unter dem Deckmantel von Turn- und Gesangsvereinen werden patriotische Vereine gegründet, die weiter von Freiheit und Einheit im deutschen Völk träumen.

Die Forderung nach Freiheit ist in deutschen Landen immer mit der Forderung nach der Einheit verknüpft, denn Deutschland im engeren Sinne gibt es noch nicht. Der 1815 gegründete Deutsche Bund besteht aus 34 souveränen Einzelstaaten und vier freien Reichs­städten – ein loser Staatenbund ohne Zentralregierung. 1832 kommt es zur ersten großen Demons­tration, dem Hamba­cher Fest von mehr als 30.000 De­monstrie­renden, die für Freiheit und Einheit ein­tre­ten.

 

1830-1848: Vormärz – Streben nach Freiheit und Einheit

Seit ca. 1830, Vormärz genannt, mehren sich erneut Stimmen, die repräsen­tative Mitbes­tim­­mung, Freiheitsrechte und die Einheit des deutschen Volkes verlangen. Ursachen für erneute Unruhen sind die Industrialisierung durch technische Neuerungen, Entstehung eines Industrie­proletariats, Städte­wachstum und Landflucht. Deutschland befindet sich in einem wirtschaftlichen Umbruch. Als Zeichen des Aufbäumens gegen die frühindustriellen technischen Neuerungen wie bspw. den mecha­nischen Web­stuhl kann man den Weberaufstand von 1844 ansehen. Diese Revolte wird in Berlin als ein An­griff auf die Fundamente des Staates wahrgenommen und durch das Militär rücksichtslos nieder­ge­schla­gen.

Die Soziale Frage stellt sich auch für die Bauern, denn die Bauernbe­freiung hat viele verarmen lassen. Sie können die Ent­schä­digung an ihre ehemaligen Grundherren nicht bezahlen, verschulden sich und müssen als Knechte oder Tage­löhner arbeiten – oder in der Stadt ihr Glück suchen.

Gleichzeitig finden natio­nale und liberale Ideen im wieder erstarkenden Bürgertum immer weitere Verbreitung. Das setzt die Fürsten unter Druck. So stehen den Obrigkeiten immer größer werdende oppositionelle Kräfte entgegen. Missernten und Hungerkrisen in den 1840er Jahren verschärfen die Situation. 1848 veröffentlichen Marx und Engels das kommunistische Manifest: „Ein Gespenst geht um in Europa.“ Eine wesentliche Bedeutung sollte diese Schrift aller­dings erst viel später bekommen.

 

1848er Revolution: Paulskirchenparlament – erste demokratische Verfassung

Ausgelöst durch eine erneute Revolution in Frankreich, die Februarrevolution 1848, kommt es im März ’48 in Wien und Berlin zu Aufständen, in denen Pressefreiheit, Schwurgerichte, ein Vereinsrecht, die Volksbe­waff­nung und ein deutsches Parlament gefordert werden. Diesmal können die Fürsten dem Drängen der Deutschen nach Freiheit und Einheit nicht weiter standhalten, so dass es am 18.3.1848 zu den ersten freien Wahlen, allerdings nur für selbstständige Männer, im Gebiet des Deutschen Bundes kommt.

Das weit­ge­hend aus Professoren und gebildeten Bürgern bestehende Parlament tritt in der Paulskirche in Frankfurt am Main zu­sam­men. Im Streit um die Verfassung stehen sich erste Parteien, nämlich Roy­alisten, Republi­kaner und Vertreter einer konstitutio­nellen Monarchie, gegenüber. Die Republika­ner links, die Royalis­ten rechts – in einem Halbkreis wie heute noch im Bundestag. Man ent­scheidet sich in der verfas­sungsgebenden Natio­nal­versammlung für eine konstitutio­nelle Monar­chie und die „kleindeutsche Lösung“ ohne Österreich.

Aber der preu­ßische König Friedrich Wilhelm IV. lehnt die ihm angebotene Kaiserkrone aus Bürgerhand, die mit dem „Luder­geruch der Revolution“ versehen sei, ab. Er wolle kein Kaiser „von Volkes Gnaden“ werden. Damit ist der Versuch, einen konstitutionell verfassten Nationalstaat auf parlamentarischem Weg zu gründen, geschei­tert. Das Parlament löst sich auf und der letzte Widerstand von Freiheitskämpfern wird militärisch nieder­geschlagen.

Aber war damit die 48er Revolution gescheitert? Ja und Nein. Denn die 1848/9 ausgearbeitete Verfassung, na­ment­­lich die deklarierten Grundrechte, werden zum Vorbild späterer Verfassungen in Deutschland, so für die Weimarer Verfassung von 1919 und für das Grundgesetz der BRD 1949.

 

1871: Proklamation des Deutschen Reichs – Einheit ohne Freiheit

Die Einheit Deutschlands wird schließlich unter dem preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck geschaffen, indem er drei „Einigungs“kriege vom Zaun bricht. Das Resultat: eine Reichs­gründung aus „Blut und Eisen“. 1871 wird das Deutsche Reich – ausgerechnet im besiegten Frankreich, in Versailles, – prokla­miert und der preußische König zum Kaiser gekürt. Diesmal nimmt er die Kaiserkrone an, denn sie wird ihm jetzt von Seinesgleichen überreicht, nämlich vom bayerischen König Ludwig II, nach­dem dieser eine erkleck­liche Summe Geldes erhalten hat, die er für seine Schlösser dringend braucht.

Das Deutsche Reich von 1871 ist keine Gründung durch Volkes Wille, sondern es ist eine Gründung „von oben“ durch Militärs, Könige und Fürsten. Eine Einheit ja, aber ohne Freiheit. Das Deutsche Reich wird eine konstitutionelle Monarchie – mit einem Vetorecht des Kaisers. Das Parlament wird durch allgemeine gleiche Wahlen für Männer gebildet, während die oktroyierte Verfassung von Preußen im Jahr 1848 noch das Dreiklassen­wahlrecht enthielt, weil „…in den Reicheren das höhere Maß der geistigen Kräfte zu liegen pflegt“, wie es in der preußischen Verfassung heißt.

Darüber hinaus kann der Kaiser das Parlament auflösen und Neuwahlen aus­schreiben. Dafür braucht es heute die Vertrauensfrage des Kanzlers oder ein konstruktives Miss­trauens­votum der Opposition. Der Kaiser schenkt „dem deutschen Volke“ ein Parlamentsgebäude, in dem heute wieder der Deutsche Bundestag tagt. Die Verfassung kennt im Gegensatz zur Pauls­kir­chen­verfassung keine Grundrechte.

Das Parlament hat eine schwache Position und der Kaiser eine fast uneingeschränkte Macht. Die daraus resultierenden revolutionären Spannungen werden von einer erfolgreichen Indus­trialisierung und der Einführung eines Sozialver­si­cherungssystems durch Reichkanzler Bismarck abge­mildert. Außerdem entfalten die Siege in den drei Einigungskriegen eine enorme Integrationskraft.

 

1914-1918: Erster Weltkrieg und Novemberrevolution

Großmachtstreben, Kolonialismus und Militarismus führen die Deutschen in den Ersten Weltkrieg. Aber der Krieg wird kein „Blitzkrieg“, wie erhofft („an Weihnachten sind wir wieder Zuhause“), sondern entwickel­t sich zu einem zermürbenden Stellungskrieg, der spätestens durch den Eintritt der USA in den Krieg 1917 nicht mehr zu gewinnen ist, auch wenn die „Ostfront“ durch die Russische Revolution und den Separat­frieden mit Russland im März 1918 wegfällt.

Der Erste Weltkrieg endet mit einer Revolution, ausgebrochen am 9. November 1918 durch die Meu­terei der Kieler Matrosen, die mit ihren Schiffen nicht mehr in einen aussichtlosen Krieg aus­laufen wollen. Es werden Soldatenräte nach russischem Vorbild gegründet. Diese verbreiten sich wie ein Lauf­feuer durch ganz Deutschland: Überall werden Arbeiter- und Soldatenräte gegründet, der Kaiser muss abdanken und flieht nach Holland.

Wie soll es weitergehen? Ein sozialistisches System oder eine reprä­sentative Demokratie? Darüber wird heftig gestritten. Letztlich wird auf dem Reichs­rätekongress am 19. Dezember 1918 beschlossen, eine verfassungsgebende Nationalversammlung zu wählen. Diese tagt dann in dem kleinen beschaulichen Weimar, weil in der Hauptstadt Berlin bürgerkriegs­ähnliche Zustände herrschen.

 

1919-1929: Weimarer Republik – Demokratie ohne Demokraten

Die Weimarer Verfassung ist die erste gültige demokratische Verfassung auf deutschem Boden mit dem Recht auf allgemeine, freie, gleiche und geheime Wahl – auch für Frauen! Und mit einem Grund­rech­te­katalog, weitgehend übernommen von der Paulskirchenverfassung von 1848.

Aber sie hat auch ihre Tücken. Das Verhältniswahlrecht (ohne 5-%-Klausel) bringt viele kleine und kleinste Partien in den Reichs­tag, der Präsident ist mit enormen Rechten ausgestattet. So kann er – direkt vom Volk gewählt – den Kanzler ernennen, und dieser kann mit Notverordnungen regieren, was seit dem Bruch der Großen Koalition aus SPD, Zentrum, DDP, DVP und BVP im März 1930 dann auch zunehmend ge­schieht. Die Parteien sind nicht koalitionsfähig, ideologische Parteien, nicht zu Kompromissen bereit; keine Regierung hält eine ganze Legislaturperiode durch. Immer wieder Neuwahlen: eine „ungeübte Demokratie ohne Demokraten“.

Heftige Straßenkämpfe zwischen den rechten und linken Parteien herrschen auf den Straßen Berlins und in anderen Städten; Politikermorde (z. B. Luxemburg und Liebknecht von der KPD sowie Außenminister Rathenau und Finanzminister Erzber­ger). Putschver­suche, so 1920 der Kapp-Putsch, dem aber durch einen Generalstreik schnell ein Ende gemacht werden kann, und am 9. Nov. 1923 der gescheiterte Putschversuch von Hitler und Ludendorff zeigen die Unbeliebt­heit der Demokratie in weiten Kreisen der Rechten.

Ein weiterer Belastungsfaktor der Weimarer Republik ist der Versailler Friedensvertrag, der Gebiets­abtretungen, enorme Reparationsleistungen und die „alleinige Kriegsschuld“ Deutschlands vorsieht. Ausgerechnet in Versailles, wo einst das Deutsche Kaiserreich proklamiert wurde, müssen die Deutschen diesen Ver­trag unterzeichnen. „Schmach- oder Schandfrieden“ wird er genannt, und besonders Hitler verspricht eine „Revision“ des Friedensvertrages. Als dann 1929 die Weltwirt­schafts­krise von den USA herüberschwappt mit ca. 6. Millionen Arbeitslosen in Deutschland, ist es um die Republik geschehen.

 

1933-1945: Ende der Demokratie – nationalsozialistische Diktatur

Am 31. Januar 1933 ernennt der greise Reichspräsident Hindenburg Adolf Hitler zum Reichs­kanz­ler. Der fackelt nicht lange, um die Verfassung auszuhebeln. Im Februar 1933 werden mit der Reichs­brand­ver­ordnung die Grundrechte eingeschränkt. Im März ’33 wird mit dem Ermächtigungs­gesetz das Par­lament aufgelöst und entmachtet. Es folgen die Zerschlagung der Gewerk­schaft­en, die Auflösung der Parteien, die Gleichschaltung der Gesellschaft, die Diktatur.

Am 9. November 1938 werden in der „Reichskristallnacht“ in ganz Deutschland die Synagogen angezündet. Auch schon vorher werden Menschen jüdischer Abstammung und/oder jüdischen Glaubens im „Dritten Reich“ verfolgt. Insgesamt werden sechs Millionen Juden aus ganz Europa systematisch ermordet. „Endlösung der Judenfrage“ heißt das. Hinzu kommen Roma und Sinti, Homo­sexu­elle, Kommunisten und andere Widerstands­kämpfer und -kämpferin­nen, die ermordet werden. Anfang September 1939 zettelt Hitler mit dem Überfall auf Polen den von ihm lang ersehnten Zweiten Weltkrieg an, den die alliierten Streitkräfte von USA, Groß­britannien, UdSSR und Frankreich 1945 siegreich beenden.

 

1949: Neuanfang im Westen – Grundgesetz und Nürnberger Prozesse

Die westlichen Alliierten fördern in den von ihnen besetzen Zonen die Entwicklung eines demokrati­schen Staates durch den Aufbau einer parlamentarischen Demokratie von unten nach oben, von den Kommunen über die Lan­des­verfassungen bis hin zu dem von den Länderparla­menten gewählten Parlamentarischen Rat, der die Verfassung der Westzonen ausarbeitet.

Am 23. Mai 1949 wird das Grundgesetz (GG), die Verfas­sung der BRD, feierlich verkündet, nachdem die Länderparla­mente – außer Bayern – zugestimmt haben. Allerdings musste das GG von den Militärgouverneuren der west­lichen Besatzungszonen vorher ge­neh­­migt werden.

Im Unterschied zu Weimar kann der neu gebildete Staat auf er­fahrene Politiker aus der Zeit der Weimarer Republik und des Widerstan­des im sogenannten Dritten Reich zurückgreifen, die sich beim Wiederaufbau der Demo­kratie einbringen, z. B. Konrad Adenauer, Willy Brandt und viele andere. In der sowjetisch besetz­ten Zone, der späteren DDR, dagegen wird nach und nach eine Ein-Parteien-Diktatur nach russi­schem Vorbild aufgebaut.

Die neue Verfassung, das Grundgesetz (GG), enthält in Art. 1 bis 20 die Grund- und Menschenrechte – nicht wie in der Weimarer Verfassung unter ferner liefen in den hinteren Artikeln ab 109 folgende. Außerdem gibt es im GG ein Recht auf Widerstand, allerdings nur, „wenn andere Abhilfe nicht möglich ist“. Nun kann keiner mehr sagen, er habe ja nur aufgrund von Befehlen, basierend auf Recht und Gesetz, gehandelt, wie es viele Natio­nal­sozialisten nach 1945 taten. In diesem Zusammenhang werden auch die Nürnberger Prozesse von 1945-49 richtungswei­send für den heutigen Inter­nationalen Ge­richtshof in Den Haag, denn es werden „Verbre­chen gegen die Menschlichkeit“ als Straftatbestand formuliert, der ungeschrie­ben über allen Gesetzen jedes Landes steht.

Im Grundgesetz wird das Wahlrecht gegenüber der Weimarer Zeit geändert, es gibt nun ein kombinier­tes Mehrheits- und Verhält­niswahlrecht, um die Vorteile beider Wahlrechtsformen zu nutzen und Nachteile zu minimieren. Um zu verhindern, dass zu viele Klein- und Kleinstparteien in den Bundestag kommen, wird die 5-%-Hürde eingeführt. Volksentscheide, die Hitler zur Bestätigung seiner Politik zu nutzen wusste, z.B. bei der Annexion Österreichs „heim ins Reich“, werden auf Bundesebene abge­schafft.

Der Bundespräsident wird nicht mehr direkt vom Volk, sondern von der Bundesversamm­lung gewählt, er kann weder eigen­mächtig den Bundestag auflösen noch den Kanzler oder die Kanzlerin ernennen, wenn sie nicht vorher vom Parlament gewählt werden. Ein Bundesverfassungsgericht wacht über die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze, die Ge­wal­ten­teilung ist garantiert. Der Föderalismus aus alten Zeiten wird beibehalten, was manche Gesetzes­vorhaben behindert oder zumindest erschwert.

 

1989: Friedliche Revolution und Fall der Berliner Mauer

Ausgelöst durch ein un­pro­fitables Wirt­schafts­system (geringe Produktivität, Produktion an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei, eine Mangel­wirtschaft aufgrund immenser Kosten für die Stasi und künstlich niedrig gehaltener Preise für Lebens­mittel, Wohnung und Energie, die Abhängigkeit von der UdSSR sowie durch immer die gleichen Versprechen der Regierung und die Einschränkung der Meinungs- und Reisefreiheit) demonstrieren 1989 mutige Bürger und Bürgerinnen gegen die politische und ökonomische Ordnung der DDR. Sie fliehen über die grüne Grenze zwischen Ungarn und Österreich oder in die Prager Botschaft. Das System ist kopflos. Ein Vers­precher änderte alles: Ein neues Reisegesetz soll den Übertritt in die BRD erlauben: Ab wann wird gefragt.

„Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich.“ (Günter Schabowski)

Am 9. November 1989 fällt die Berliner Mauer.

 

1990: Auflösung der DDR und Beitritt zur BRD

Am 18. März 1990 wird in der DDR erstmals frei ein Parla­ment ge­wählt. Zunächst ist noch nicht klar, wie es weitergehen soll: eine demokratisch-sozialistische Regie­rungs­­form oder Anschluss an die BRD nach Art. 23 des GG oder eine Wiedervereinigung nach Art. 146? Das aber hätte die Erarbeitung einer gemeinsamen Verfassung erfordert. Doch es soll nach dem Willen der DDR-Bürgerinnen und -Bürger schnell gehen, weshalb der neue Volkskongress für den Beitritt der DDR zur BRD nach Artikel 23 des Grund­gesetzes stimmt – nach dem Vorbild des Saarlandes im Jahr 1957. Am 3. Oktober 1990 wird der Einigungsvertrages unterzeichnet und die DDR ist Geschichte.

 

Die Zukunft der Demokratie in Deutschland?

Und heute? Wieder Gefahr für die Demokratie! Oder erweisen sich die Zivilgesellschaft, die Verfassung und das System der parlamentarischen Demokratie als wehrhaft?

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Die Autorin

Budrich-Autorin Ulrike RaderUlrike Rader ist Beitragsautorin in unserer Zeitschrift Politisches Lernen.

 

 

 

 

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© Foto Ulrike Rader: privat | Titelbild: gestaltet mit canva.com