Barbara Budrich neu im Vorstand der Federation of European Publishers (FEP): „Wir müssen ökologische Nachhaltigkeit zur obersten Priorität erklären.“

FEP Board 2024-2026 © Federation of European Publishers

Am 5. November 2024 wurde der neue Vorstand der Federation of European Publishers (FEP) gewählt – und in diesem Zuge Verlegerin Barbara Budrich als neues Vorstandsmitglied. Im Interview erzählt sie davon, warum sie sich für diesen Posten beworben hat und welche Themen aus ihrer Sicht am stärksten drängen.

 

Liebe Barbara, was ist die Federation of European Publishers (FEP) und welche Rolle hat der Vorstand?

Die FEP ist der Dachverband der Verleger*innenverbände Europas. Mit – seit gestern nunmehr – 30 Mitgliedern vertritt die Federation of European Publishers den größten Sektor der europäischen Kultur- und Kreativwirtschaft. Unsere Themen sind zum Beispiel ökologische Nachhaltigkeit oder die Lesbarkeit von eBooks für Menschen mit Sehbehinderung oder Leseschwäche. Aber natürlich auch KI, Copyright, das gemeinsame Engagement für Meinungsfreiheit und eine lesende Gesellschaft – und vieles mehr.

Der Vorstand hat die Aufgabe, gemeinsam mit dem kleinen Team von FEP-Hauptamtlichen, die großen Sitzungen vor- und nachzubereiten, Impulse für Themen zu geben, ggf. Arbeitsgruppen zu initiieren, Gespräche mit Politiker*innen zu führen usw.

 

Was hat Dich dazu motiviert, Dich der Wahl zum FEP-Vorstandsmitglied zu stellen?

Von alleine wäre ich gar nicht auf die Idee gekommen. Meine Kolleginnen aus dem deutschen Verband, dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels, haben mich zur Bewerbung ermutigt. In die Vorgänge auf europäischer Ebene stärker involviert zu sein und mit meiner Stimme Verlage zu vertreten, vor allem unabhängige, wertegetriebene Wissenschaftsverlage, ist für mich eine erstrebenswerte Aufgabe. Zusätzlich zu meiner Tätigkeit als Verlegerin wird das natürlich zeitlich eine Herausforderung werden – aber, so hoffe ich, eine schöne und lohnende Herausforderung.

 

Welche Themen brennen Dir unter den Nägeln? Wo hakt es derzeit am meisten?

Es gibt eine Vielzahl an großen und kleinen Themen, die mir wichtig sind. Dazu gehört Nachhaltigkeit. Aktuell steht die Entwaldungsverordnung (EU Deforestation Regulation (EUDR)) auf der Agenda: Hier sollen Wälder geschützt werden – eine hervorragende Sache und unbedingt zu unterstützen! Die Umsetzung gestaltet sich allerdings sehr komplex und Vieles ist noch unklar. Als FEP gilt es eine Übersetzungsleistung in beide Richtungen zu leisten – von den Verlagen in die EU-Verwaltung und umgekehrt. Das sind Arbeiten zwischen unternehmerischer Praxis auf der einen, verwaltungstechnischen und juristischen Feinheiten auf der anderen Seite.

Ein weiteres Thema, das mich immer wieder beschäftigt, ist die Entwertung von Verlagsarbeit: Die aktuellen Versionen der meisten KI Large Language Models wurden auf der Basis gestohlener eBook-Inhalte trainiert. (Verdienen tun daran nurmehr ausschließlich die Tech-Multis.) Aus einigen Ländern ist zu hören, dass die jeweiligen Nationalbibliotheken es eine gute Idee finden, eBooks, die ihnen vorliegen, für eigene KI-Entwicklungen zu nutzen. Von einer fairen Entlohnung von Autor*innen, Verlagen und anderen Copyright-Inhaber*innen sind wir in diesen Fällen zumindest derzeit noch weit entfernt. Ich hoffe sehr darauf, dass wir dieser Vorstellung der Kostenfreiheit aller Inhalte etwas entgegensetzen können. Es gibt Autor*innen, die vom Schreiben leben. Und die meisten Verlage bestreiten mit ihren Publikationen ihre wirtschaftliche Existenz. Vom Verschenken können weder Autor*innen noch Verlage existieren.

 

Und welches dieser Themen ist aus Deiner Sicht das dringendste?

Aus meiner Sicht müssen wir alle ökologische Nachhaltigkeit zur obersten Priorität erklären. Als Unternehmen haben wir dem EU-Kalender entsprechend ein bisschen Zeit, bis wir die Formulare zur Entwaldungsverordnung ausgefüllt haben müssen. Wir bereiten uns auf das Erstellen unserer Nachhaltigkeitsberichte (ESG-Reports) vor – unser eigener Bericht für 2023 braucht nur noch letzte Federstriche – und das Verbot mineralölhaltiger Druckerei-Farben wird ebenfalls umgesetzt. Doch sind dies nur erste Schritte: Gemeinsam müssen wir hier noch viel leisten!

Andererseits verschwinden all diese existenziell wichtigen Themen von der Tagesordnung, wenn jene an die Macht kommen, deren Agenda von engstirnigen Eigeninteressen bestimmt wird. Seien es politische Bedrohungen von rechts oder von links, aus Europa oder von anderswo – was wir brauchen, um unsere Erde langfristig lebenswert zu erhalten, sind Offenheit, Toleranz, Empathie und gemeinsames Gestalten. Natürlich gibt es auch Literatur, die Extremismus fördern kann, doch literarische Vielfalt, Bildung und Wissen sind wichtige Werkzeuge im Kampf gegen die zerstörerische Blindheit von Egoismus und Hass. Und diese Werkzeuge zu liefern, war und ist Aufgabe von Autor*innen und Verlagen. In diesem Sinne ist es möglicherweise noch wichtiger, das Lesen in seinen schönsten Ausprägungen zu fördern, um Fantasie mit Empathie aufblühen zu lassen.

Deshalb stehen beide Punkte bei mir auf dem Platz mit der höchsten Dringlichkeit – und beide brauchen hartnäckige Aufmerksamkeit, einen langen Atem. Und zwar nicht nur im Rahmen meiner Arbeit im FEP-Vorstand.

 

FEP-Vorstandsmitglied Barbara Budrich

Budrich, Barbara 2024 © privatBarbara Budrich, M.A., ist von Kindesbeinen an im Wissenschaftsverlag tätig und seit 2004 selbstständige Verlegerin. Außerdem ist sie Trainerin und Coach für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren im Schulungsunternehmen budrich training. Zudem ist sie selbst Autorin. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz führt sie seit 2015 als Vorbildunternehmerin.

 

 

© Foto FEP-Vorstand 2024-2026: Federation of European Publishers, v.l.n.r.: Phaedon Kidoniatis, Barbara Budrich, Renate Punka, Anne Bergman-Tahon, Sonia Draga, Jesper Monthán, Catherine Blache | Foto Barbara Budrich: privat