Wie gehe ich als Lehr- und pädagogische Fachkraft mit Schüler*innen um, die im Schulalltag auffälliges Verhalten zeigen? Wir haben ein Interview mit Autorin Ulrike Becker zum Buch „Auffälliges Verhalten in der Schule. Pädagogisches Verstehen und Handeln“ geführt.
Interview zu „Auffälliges Verhalten in der Schule“
Liebe Ulrike Becker, worum geht es in Auffälliges Verhalten in der Schule?
Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte sind häufig mit auffälligem Verhalten konfrontiert. Die Ursachen liegen in einem Zusammenspiel von gesellschaftlichen, institutionellen und individuellen Faktoren. In dem Buch werden schulische Konzepte zur Prävention von und Lösungen für Konflikte durch auffälliges Verhalten vorgestellt. Das Buch ist durch eine egne Verbindung von Theorie und Praxis gekenzeichnet. Zu allen Ausführungen gibt es Fallbeispiele.
Wie kamen Sie auf die Idee, dieses Buch zu schreiben? Gab es einen „Stein des Anstoßes“?
Prof. Dr. Annedore Prengel hat mich gefragt, ob ich bereit wäre, das Buch für ihre mit Anne Piezunka, Anke König und Sophia Richter herausgegebene Reihe „Pädagogische Einsichten: Praxis und Wissenschaft im Dialog“ zu schreiben. Das hat mich sehr gefreut und ich habe zugesagt, da ich über jahrzehntelange schulpraktische Erfahrungen und wissenschaftliche Expertise in der inklusiven Förderung von Kindern und Jugendlichen mit erheblichen Beeinträchtigungen in der emotionalen und sozialen Entwicklung verfüge.
Im Buch stellen Sie Ansätze und Lösungen für das Verstehen und Handeln in schwierigen pädagogischen Situationen in der Schule vor. Würden Sie einen der Lösungsansätze exemplarisch vorstellen?
Aus meinem Buch möchte ich Instrumente vorstellen, die es Lehrkräften oder pädagogischen Fachkräften ermöglichen, in unerwartet auftretenden schwierigen pädagogischen Situationen Gewalt präventiv begegnen oder sie beenden zu können. Dazu benötigen Kinder oder Jugendliche und ihre Lehrkräfte oftmals eine „Unterbrechung“. Diese soll der Begrenzung von Aggressionen und Gewalt dienen und den Lehrkräften Zeit und Raum geben, ihr pädagogisches Handeln zu reflektieren. Diese Form der Intervention durch Unterbrechung nenne ich „Cut“. Ich habe sie über mehrere Jahre im Schulalltag erprobt und in diesem Buch „Auffälliges Verhalten in der Schule“ zum ersten Mal vorgestellt.
Der „Cut“ im Sinne eines Filmschnitts erfolgt unerwartet und unmittelbar. Der „Cut“ funktioniert mit Hilfe des Überraschungseffekts. Er unterbricht die unbewusste Übertragung des Kindes oder des Jugendlichen auf die Lehrkraft. Dadurch beendet das Kind oder der Jugendliche das aggressive oder gewalttätige Verhalten ohne ausgesondert zu werden. Dadurch kann Unterricht auch mit als sehr schwierig erlebten Kindern und Jugendlichen gelingen. Ich freue mich sehr, dass die Helga Breuninger Stiftung zum Zwecke von Fortbildungen oder alltagsintegrierter Beratung die „Cuts“ als staged videos auf der Grundlage der im Buch dargestellten Fallgeschichten verfilmt hat. Sie eignen sich besonders für die Fortbildung von Lehrkräften der Sekundarstufe I und Quer- oder Seiteneinsteigenden. Ich freue mich sehr, dass Käufer des Buchs Zugriff auf die staged videos haben.
Welche Aspekte der pädagogischen Forschung zu auffälligem Verhalten in der Schule werden Ihrer Einschätzung nach künftig stärker in den Fokus rücken?
Angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen wird sich trotz aller Bemühungen um Bildungsgerechtigkeit voraussichtlich die Heterogenität in Lerngruppen vergrößern. Die Anzahl der Kinder, die in Armut oder schwierigen Lebenssituationen aufwachsen, wird anwachsen. In Schulen werden in den nächsten Jahren zunehmend multiprofessionelle Teams, auch mit Quer- und Seitendeinsteigenden in den Lehrberuf, tätig werden. Es geht darum, die Arbeit multiprofessioneller Teams so zu organiseren, dass inklusive Bildung für alle Kinder gut gelingen kann. Dazu wird es notwendig Bedingungen in Schulen zu schaffen, die helfen auffälliges Verhalten zu begrenzen, ohne Kinder aussondern zu müssen. Pädagogische Forschungen werden nötig, die sich mit den Gelingensfaktoren inklusiver Bildung unter diesen gesellschaftlichen Bedingungen beschäftigten.
Darum bin ich Autorin bei Budrich
Ich habe den Verlag Barbara Budrich als sehr offen für Vorschläge von mir als Autorin erlebt. Die Kommunikation mit dem Lektorat, die Werbung und die Kooperation mit allen beteiligten Stellen aus dem Verlag ist sehr gut.
Kurzvita von Autorin Ulrike Becker in eigenen Worten
Sonderpädagogin, Diplompädagogin, außerplanmäßige Professorin in der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam, Referentin für Grundsatzangelegenheiten der Berliner Grundschulen in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie.
Mit meiner Biografie stehe ich für eine Verbindung zwischen Theorie und Praxis. Ich war als Sonderpädagogin, Lehrerin und Schulleiterin tätig und habe begleteind dazu wissenschaftlich gearbeitet. Seit drei Jahren bin ich im Hauptberuf in der Bildungsverwaltung tätig.
Als Wissenschaftlerin und Expertin für die Förderung von Kindern und Jugendlichen, die als besonders schwerig erlebt werden, leite ich im deutschsprachigen Raum Fortbildungen, halte Vorträge und berate Institutionen im Hinblick auf die Gestaltung der Förderung in Schulen.
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© Foto Ulrike Becker: privat | Titelbild gestaltet mit canva.com