„Es ist erforderlich, sich intensiv um Möglichkeiten einer Objektivierung des Lehrer*innenurteils zu bemühen.“ – Interview mit den Autoren Ludwig Haag und Thomas Götz zu „Schulleistungen“

Interview Ludwig Haag Thomas Götz Schulleistungen

Anleitung für einen professionellen Umgang mit Schulleistungen: Wir haben ein Interview mit den Autoren Ludwig Haag und Thomas Götz zum Buch Schulleistungen. Eine Orientierungshilfe für Lehrkräfte und Lehramtsstudierende geführt.

 

Interview mit Ludwig Haag und Thomas Götz

 

Lieber Ludwig Haag, lieber Thomas Götz, worum geht es in Ihrem neuen Buch Schulleistungen?

Diagnostische Kompetenz gilt in der Lehr-Lern-Forschung als Voraussetzung für guten Unterricht. Somit ist die professionelle Beurteilung von Schulleistungen nicht nur eine grundlegende, sondern auch notwendige Aufgabe von Lehrkräften. Doch diese Aufgabe beschränkt sich nicht nur auf die Beurteilungskompetenz seitens der Lehrkräfte. Auf Schüler*innenseite schwingen Ängste mit und indirekt sind auch die Eltern mitbetroffen. Ein professioneller Umgang mit Schulleistungen erfordert daher das gesamte Umfeld, einschließlich Mitschüler*innen und Eltern, zu berücksichtigen. Im Einzelnen werden folgende Punkte behandelt:

  • Umfassende Reflexion des Begriffs der Schulleistung
  • Diagnostische Grundlagen wie unterschiedliche Skalenniveaus, Gütekriterien, Bezugsnormen, Kompetenzbegriff
  • Unterschiedliche Arten und Funktionen von Noten/Zensuren
  • Beeinflussungsfaktoren der Beurteilung von Schulleistungen
  • Konzeption und Durchführung von Schulleistungserhebungen
  • Aspekte einer umfassenden Diagnosekultur
  • Vielfältige Verfahren bei der Leistungsbeurteilung
  • Feedback als Mittel zur Leistungserziehung und Motivation
  • Prüfungskultur in der digitalen Welt
  • Prüfungsangst als eine zentrale Nebenwirkung von Schulleistungsanforderungen
  • Rechtliche Spielräume und Grenzen im Umgang mit der Leistungsbewertung

 

Wie kamen Sie auf die Idee, dieses Buch zu schreiben? Gab es einen „Stein des Anstoßes“?

Offensichtlich werden vom Team des Budrich Verlags Publikationen, die bildungsrelevante Themen beinhalten, genau registriert. So wurde eine von uns initiierte Studie zur Fragestellung, inwieweit Leistungskontrollen in Schulen angekündigt werden sollen, im August 2022 in einer Fachzeitschrift publiziert. Daraufhin wurde einer der Autoren vom Verlag angeschrieben, ob er sich zu der Frage der Schulleistungsproblematik im weiteren Sinne eine Buchpublikation vorstellen könne. Wenn auch eine Buchpublikation zur Thematik erstmal nicht angedacht war, so kamen wir bei näherem Nachdenken auf die Idee, zur Thematik bereits bekannte wie auch neue Aspekte in einem Buch zu bündeln. Und so war der Verlag tatsächlich der „Stein des Anstoßes“ für vorliegende Publikation.

 

Welchen besonderen Herausforderungen stehen Lehrkräfte in Bezug auf die Beurteilung von Schulleistungen derzeit gegenüber? Auf welche Entwicklungen müssen sie sich einstellen?

Beim Schreiben des Buches ist zum einen die Corona-Pandemie abgeklungen, zum anderen wurde Ende 2022 ChatGPT veröffentlicht. Aufgrund beider Ereignisse wurde eine rege Diskussion um Prüfungsformate samt rechtlicher Implikationen entfacht, die anhält und in Zukunft noch an Fahrt aufnehmen wird.

Durch Home-Schooling, wenn auch nur temporär, hat sich die Lernkultur erweitert. Im Zuge dieser Entwicklung müssen bisherige Prüfungsformate und -modalitäten überdacht werden. Denn da die traditionellen Prüfungsformate in der Regel auf Präsenz, Kontrolle und Ausschluss analoger sowie digitaler Hilfsmittel ausgerichtet sind, sind sie mit den Bedingungen des digitalen Fernunterrichts nicht mehr kompatibel. Dabei geht es nicht nur um die Klärung juristischer Fragen, sondern auch darum, welches der ideale Gegenstand zeitgemäßer Prüfungsformate sein sollte. Diese Frage ist auch hinsichtlich der Möglichkeiten, wie sie KI bietet, zu überdenken. So wird eine Leistungsbeurteilung bspw. aus benoteten Hausaufgaben oder Projektergebnissen erschwert, weil Schüler*innen kaum einen Beweis erbringen können, die Leistung selbst erbracht zu haben. Und dass bei zunehmend geforderter Individualisierung des Unterrichts KI eine große Hilfe sein wird, ganz konkret beim Geben von Feedback, steht unsers Erachtens außer Frage.

 

Was hilft Lehrkräften ihrer Einschätzung nach, einen professionellen Umgang mit Schulleistungen zu erreichen?

In Anbetracht der Bedeutung des Lehrer*innenurteils und der Herausforderungen einer gerechten Beurteilung ist es erforderlich, sich intensiv um Möglichkeiten einer Objektivierung des Lehrer*innenurteils zu bemühen. Seit dem Beschluss von Standards für die Lehrer*innenausbildung der Kultusministerkonferenz 2004 ist die Ermittlung und Bewertung von Schulleistungen komplizierter geworden. Individuelle Förderung setzt professionellen Umgang mit den Schulleistungen der einzelnen Schüler*innen voraus. Und dabei geht es bei Schulleistungen im Unterricht um mehr als nur um Beurteilungskompetenz seitens der Lehrkräfte. Professioneller Umgang mit Schulleistungen bedeutet für Lehrkräfte, nicht nur umfassende Verfahren der Leistungsbeurteilung einsetzen zu können, sondern heute auch zu sehen, inwieweit sich eine Prüfungskultur in der digitalen Welt verändert, und Feedback als Mittel zur individuellen Leistungsförderung zu begreifen. Es bedeutet auch, das Umfeld von Mitschüler*innen und Eltern mit in den Blick zu nehmen. Beide Akteure wirken auf die Schulleistungen der einzelnen Schüler*innen mit ein.

 

Darum sind wir Autoren bei Budrich

Bei dem ganzen Procedere – von der ersten Kontaktaufnahme bis zur Drucklegung – hatten wir eine Ansprechpartnerin seitens des Verlages, auf die wir uns stets verlassen konnten. Umgehend wurden unsere Fragen und Anliegen in vorbildlichster Weise zielführend bearbeitet. Auf der Verlagsseite eine kompetente und zuverlässige Ansprechpartnerin zu wissen ist überaus hilfreich.

Auch nach dem ersten Einreichen des Manuskripts konnten wir uns auf ein höchst kompetentes Lektorat verlassen, das uns in mehreren Korrekturrunden sehr hilfreich unterstützt hat.

Summa summarum: Wir erlebten eine höchst zufriedenstellende Zusammenarbeit mit dem Verlag – heute keine Selbstverständlichkeit im Verlagswesen.

 

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3D Cover Schulleistungen 150 pxLudwig Haag, Thomas Götz:

Schulleistungen. Eine Orientierungshilfe für Lehrkräfte und Lehramtsstudierende

Leseprobe

 

 

 

Die Autoren

Budrich-Autor Ludwig HaagLudwig Haag: In einem Doppelstudium machte ich einen Abschluss als Diplompsychologe und ein erstes Staatsexamen in den Alten Sprachen Latein und Griechisch. Nach meinem zweiten Staatsexamen unterrichtete ich mehrere Jahre als Studienrat Latein und Ethik und war als Schulpsychologe für mehrere Gymnasien zuständig. Nach einer Promotion in Schulpädagogik und Habilitation in Psychologie und einer erweiterten Habilitation in Schulpädagogik hatte ich nach einer Assistenztätigkeit an der Universität Erlangen-Nürnberg von 2004 bis zur Emeritierung 2020 den Lehrstuhl für Schulpädagogik an der Universität Bayreuth inne. Über viele Jahre war ich in der Lehrerfortbildung tätig und hatte Lehraufträge an der ETH Zürich und Freien Universität Bozen. Meine zentralen Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der empirischen Unterrichtsforschung wie individuelle Förderung, Hausaufgaben und Nachhilfeunterricht.

Budrich-Autor Thomas GötzThomas Götz: Nach meiner Promotion und Habilitation im Fach Psychologie an der LMU München war ich zwölf Jahre lang Professor für Empirische Bildungsforschung an der Universität Konstanz. Dort war ich maßgeblich am Aufbau der Binational School of Education beteiligt, deren Sprecher ich auch mehrere Jahre war. 2019 wechselte ich dann an die Universität Wien – hier bin ich Professor für Bildungspsychologie und gesellschaftliche Veränderungen. Zudem bin ich an der Fakultät für Psychologie Vorstand des Instituts für Psychologie der Entwicklung und Bildung. Meine Forschungsschwerpunkte liegen in der Emotionsforschung – mit einem besonderen Fokus auf Langeweile im Lern- und Leistungskontext.

 

Über das Buch

Die Beurteilung von Schulleistungen ist eine grundlegende Aufgabe von Lehrkräften. Doch diese Aufgabe beschränkt sich nicht nur auf die Beurteilungskompetenz seitens der Lehrkräfte. Auf Schüler*innenseite schwingen Ängste mit und indirekt sind auch die Eltern mitbetroffen, deren Erwartungshaltungen nicht nur ihre Kinder beeinflussen können. Ein professioneller Umgang mit Schulleistungen erfordert daher, das gesamte Umfeld, einschließlich Mitschüler*innen und Eltern, zu berücksichtigen. Die Autoren beantworten die wichtigsten Fragen, die sich (zukünftige) Lehrkräfte dazu stellen.

 

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© Fotos Ludwig Haag und Thomas Götz: privat | Titelbild gestaltet mit canva.com