Die Politik zögert bei der Implementierung ambitionierter Klimaschutzmaßnahmen. Thieß Petersen erörtert in seinem neuen Buch Klimaschutz in der Marktwirtschaft. Lösungsansätze und Hürden einer wirksamen Klimaschutzpolitik, wie effektiver Klimaschutz trotzdem gelingen kann.
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Klimaschutz in der Marktwirtschaft: Einleitung
Die von Menschen verursachten Treibhausgasemissionen beschleunigen die globale Erwärmung, den Klimawandel und damit klimabedingte Schäden an Menschen, Natur und der von Menschen erstellten Infrastruktur. Um eine weitere Überhitzung des Planeten zu verhindern oder zumindest abzumildern, sind umfangreiche emissionsreduzierende Maßnahmen zwingend erforderlich. Das wäre bei den gegenwärtig gegebenen technologischen Möglichkeiten mit erheblichen Änderungen der Lebensstile verbunden. Für viele Menschen wäre die Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft – zumindest kurzfristig – mit Konsumumstellungen und realen Einkommenseinbußen verbunden, möglicherweise auch mit Arbeitsplatz- und Vermögensverlusten.
Ausgangspunkt der nachfolgenden Ausführungen ist die Überzeugung, dass Menschen in der Regel unter verschiedenen Handlungsoptionen die Alternative auswählen, die ihnen persönlich den größten Vorteil bzw. Nutzen bringt. Welche Handlungsoptionen zur Verfügung stehen, hängt u. a. von den rechtlichen Rahmenbedingungen der Gesellschaft ab. Die aktuellen rechtlichen Regelungen und die mit ihnen verbundenen Anreizstrukturen sind nicht nur in Deutschland so ausgestaltet, dass es zu einer systematischen Übernutzung natürlicher Ressourcen kommt. Damit ist ein zu hoher Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgasemissionen verbunden. Wie es zu diesen Fehlentwicklungen kommt, die in den Wirtschaftswissenschaften als ein Marktversagen bezeichnet werden, wird im ersten Kapitel erläutert.
Die Volkswirtschaftslehre kennt eine Reihe von Instrumenten, mit denen sich ein Marktversagen beseitigen lässt. Im zweiten Kapitel wird erläutert, welche das sind. Im Kern geht es dabei um finanzielle Anreize, allen voran eine steuerliche Belastung von emissionsverursachenden Aktivitäten, Subventionen für klimaschützende Maßnahmen und rechtliche Vorgaben, die klimaschädliche Aktivitäten verbieten. Würden diese Maßnahmen umgesetzt, gäbe es keine übermäßigen Treibhausgasemissionen und damit auch keine globale Erwärmung. Theoretisch dürfte es also aus rein wirtschaftswissenschaftlicher Sicht keine Klimakrise geben.
Ein Grund für die fehlende Umsetzung der theoretisch gut begründeten Lösungen der Klimakrise sind Erkenntnisprobleme. Um die theoretisch eindeutigen Lösungen zur Reduktion von klimaschädlichen Treibhausgasemissionen in der praktischen Wirtschaftspolitik umzusetzen, müssten die wirtschaftspolitischen Entscheider:innen über zahlreiche Informationen verfügen. Zu den wichtigsten gehört die Kenntnis aller gesamtgesellschaftlichen Kosten und Nutzen, die mit klimaschädlichen Produkten und klimaschützenden Aktivitäten verbunden sind. Welche das sind, wird im dritten Kapitel erläutert. Gleichzeitig wird deutlich, dass diese Informationen nicht vorliegen. Und es gibt auch keine praktikablen Methoden, diese Informationen herauszufinden. Mit Blick auf den Klimaschutz bestehen daher erhebliche Erkenntnisprobleme.
Neben diesen Erkenntnisproblemen gibt es bei der Klimaschutzpolitik auch erhebliche Umsetzungsprobleme. Sie resultieren daraus, dass die Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft für verschiedene Personengruppen, Wirtschaftsbranchen und Regionen wirtschaftliche Nachteile nach sich ziehen. Diese unerwünschten Nebeneffekte einer ambitionierten klimaschützenden Politik werden im vierten Kapitel diskutiert. Zu ihnen gehören Produktions- und Beschäftigungsrückgänge sowie damit verbundene Einkommensverringerungen und Konsumeinschränkungen. Hinzu kommen Wertverluste bei emissionsintensiven Vermögensgegenständen, der mögliche Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit von energie- und emissionsintensiven Unternehmen sowie Preissteigerungen, die einen Kaufkraftverlust nach sich ziehen. Diese ökonomischen Nachteile treffen die Bürger:innen eines Lands in unterschiedlichem Ausmaß, was zu sozialen Spannungen führen kann.
Wenn einzelne Personengruppen erhebliche Nachteile von einer klimaschützenden Wirtschaftspolitik zu befürchten haben, kann das eine wirksame Klimaschutzpolitik verhindern. Dennoch gibt es eine Reihe von guten Beispielen für erfolgreiche klimaschützende Maßnahmen. Einige von ihnen werden im fünften Kapitel beschrieben. Dabei geht es sowohl um einzelne Instrumente wie CO2- Preise und Primärrohstoffsteuern als auch um ganzheitliche Ansätze in bestimmten Politikbereichen. Bei letzteren ist vor allem an die Verkehrs- und die Energiewende zu denken.
Erschwert wird eine ambitionierte Klimaschutzpolitik dadurch, dass klimaschädliche Treibhausgasemissionen ein globales Phänomen sind. Die internationalen Aspekte des Klimawandels und des Klimaschutzes sind Thema des sechsten Kapitels. Dort geht es u. a. um die internationalen Verantwortlichkeiten der weltweiten CO2-Emissionen, die Auswirkungen des internationalen Handels auf CO2-Emissionen und die Gefahr, dass nationale klimaschützende Aktivitäten durch höhere CO2-Emissionen im Ausland konterkariert werden können. Letzteres verlangt eine außenwirtschaftliche Flankierung nationaler Klimaschutzmaßnahmen, allen voran durch einen CO2-Zoll auf emissionshaltige Produkte aus dem Ausland.
Im siebten Kapitel werden die Herausforderungen skizziert, die sich ergeben, wenn die für die Wirtschafts- und Klimaschutzpolitik verantwortlichen Politiker:innen nicht die Maximierung der gesellschaftlichen Wohlfahrt anstreben, sondern eigene Interessen verfolgen. An der Wiederwahl interessierte Politiker:innen sind dabei anfällig für eine Einflussnahme von Lobbyist:innen. Letztere versuchen wirtschaftspolitische Entscheidungen zu verhindern, die für sie mit individuellen Nachteilen verbunden wären. Wenn also diejenigen, die spürbar unter den im vierten Kapitel beschriebenen negativen Effekten klimaschützender Maßnahmen leiden, sich mit ihrer Einflussnahme durchsetzen, unterbleiben wirtschaftspolitische Reformen, die die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt erhöhen. Die ökonomische Rationalität stimmt dann nicht mit der politischen Rationalität überein.
Das abschließende achte Kapitel skizziert die wichtigsten wirtschaftspolitischen Implikationen, die sich aus den vorangegangenen Ausführungen ergeben. Die zentrale Hürde für eine ambitionierte klimaschützende Politik besteht aus den Personengruppen, die überdurchschnittlich hohe ökonomische Nachteile von dieser Politik befürchten. Um die damit verbundene politische Blockade aufzulösen, müssen besondere ökonomische Härten wirtschafts- und sozialpolitisch flankiert werden. So kann es gelingen, die ökonomische Rationalität mit der politischen Rationalität in Übereinstimmung zu bringen.
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Thieß Petersen:
Thieß Petersen studierte Volkswirtschaftslehre in Paderborn und Kiel. Von 1992 bis 1996 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Theoretische Volkswirtschaftslehre an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Später wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Heide (1997 bis 1998).