Ist Klimaschutz in der Marktwirtschaft realistisch?

Interview Petersen Klimaschutz in der Marktwirtschaft

Warum fällt es so schwer, effektive Maßnahmen für Klimaschutz und Dekarbonisierung zu implementieren? Interview mit Thieß Petersen zu seinem neuen Buch Klimaschutz in der Marktwirtschaft. Lösungsansätze und Hürden einer wirksamen Klimaschutzpolitik.

 

Interview zu „Klimaschutz in der Marktwirtschaft“

 

Lieber Thieß Petersen, worum geht es in Klimaschutz in der Marktwirtschaft?

Im Kern geht es um die Frage, mit welchen wirtschaftspolitischen Maßnahmen ein Land den Klimawandel stoppen oder zumindest abmildern kann. Die Wirtschaftstheorie kennt seit langem die dafür erforderlichen Instrumente. Theoretisch dürfte es Probleme wie Umweltverschmutzung und zu hohe Treibhausgasemissionen also gar nicht geben.

Die Umsetzung dieser Lösungen wird jedoch häufig in der politischen Praxis nicht realisiert, weil die erforderlichen Maßnahmen für einzelne Personengruppen gravierende Nachteile haben können. Dazu gehören z.B. Einkommens- und Kaufkraftverluste und Konsumeinschränkungen. Diejenigen, die persönliche Nachteile von einem ambitionierten Klimaschutz befürchten, haben einen großen Anreiz, ihren Widerstand gegen klimaschützende Maßnahmen lautstark zu artikulieren. Politiker*innen müssen daher befürchten, dass sie nicht wiedergewählt werden, wenn sie die erforderlichen Maßnahmen ergreifen – also verzichten sie darauf.

 

Wie kamen Sie auf die Idee, dieses Buch zu schreiben? Gab es einen „Stein des Anstoßes“?

Ich habe seit 2010 immer wieder Beiträge in der Zeitschrift GWP – Gesellschaft. Wirtschaft. Politik veröffentlicht. In der Anfangsphase ging es um Globalisierungsfragen, dann um die gesamtwirtschaftlichen Effekte der Digitalisierung und in den beiden letzten Beiträgen um die ökologische Transformation.

Aus diesen Kontakten ist in einem längeren Austausch mit dem Verlag Barbara Budrich die Idee zu diesem Buch entstanden. Unser gemeinsames Interesse bestand vor allem darin, die zahlreichen Wechselwirkungen zwischen klimaschützenden Maßnahmen und unerwünschten Nebeneffekten zu erläutern – und damit besser zu verstehen, warum ein ambitionierter Klimaschutz häufig unterbleibt.

 

Der Klimawandel stellt das bisher größte Marktversagen dar, so beschreiben Sie es in Klimaschutz in der Marktwirtschaft. Was sind die wichtigsten Gründe für diese Entwicklung?

Der zentrale Grund besteht darin, dass viele unserer Aktivitäten klimaschädliche Treibhausgasemissionen verursachen, die dann weltweit zu Überschwemmungen, Dürren, Starkregenereignissen, Hitzewellen etc. führen. Das alles kann erhebliche Schäden verursachen.

Diese Schäden sind Kosten von emissionsverursachenden Aktivitäten. Der Markt funktioniert nur, wenn alle Kosten in den Marktpreisen enthalten sind. Genau das ist bei emissionsverursachenden Aktivitäten nicht der Fall. Diese Aktivitäten haben also einen zu geringen Preis. Und wenn etwas zu billig ist, wird davon zu viel nachgefragt.

Wir alle verbrauchen also zu viele fossile Energien und nicht erneuerbare Ressourcen, weil wir nicht die gesellschaftlichen Zusatzkosten unserer Entscheidungen tragen. Die Folgen sind zu hohe Treibhausgasemissionen und ein zu hoher Rohstoffverbrauch.

 

Was sind aus Ihrer Sicht wirksame Lösungsansätze für eine klimaschützende Wirtschaftspolitik und wie realistisch schätzen Sie deren Umsetzung ein?

Es gibt viele Handlungsoptionen: Steuern auf klimaschädliche Produkte und den Verbrauch nicht erneuerbarer Rohstoffe, höhere Preise auf den Ausstoß von Treibhausgasemissionen, gesetzliche Vorgaben für den maximalen Emissionsausstoß einzelner Produkte, um nur einige zu nennen. Am Ende aber laufen sie alle darauf hinaus, dass wir einen höheren Preis für klima- und umweltschädliche Aktivitäten zahlen müssen. Das wird erheblichen Auswirkungen haben – auf die verfügbaren Einkommen der Menschen, auf die Struktur unserer Wirtschaft und auf unser Konsumverhalten.

Für viele Menschen stellen die damit verbundenen eigenen Verhaltensänderungen eine Bedrohung dar. Aus individueller Sicht ist es daher absolut nachvollziehbar, dass sie sich gegen eine – objektiv betrachtet unumgängliche – ökologische Transformation wenden. Um diese Widerstände abzubauen, ist eine sozialpolitische Flankierung der ökologischen Transformation notwendig. Wenn es gelingt, den Menschen die größten Ängste im Kontext dieser Transformation zu nehmen, kann eine klimaschützende Wirtschaftspolitik gelingen.

 

Darum bin ich Autor bei Budrich

Meine Erfahrungen mit dem Verlag im Rahmen meiner Beiträge für die Zeitschrift GWP – Gesellschaft. Wirtschaft. Politik waren außerordentlich positiv – eine professionelle Aufbereitung der Textvorlagen, gute Rückmeldungen zu den Inhalten, hohe Termintreue. Die Verbreitung der Inhalte ist sehr gut, es gab positive Rückmeldungen der Leser*innen, was mich sehr freut.

Die Gespräche zur Planung dieses Buchs waren produktiv und fanden in einer sehr sympathischen Atmosphäre statt. Ich musste daher nicht lange überlegen, um mich für dieses Buchprojekt zu entscheiden.

 

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Thieß Petersen 2025Thieß Petersen studierte Volkswirtschaftslehre in Paderborn und Kiel. Von 1992 bis 1996 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Theoretische Volkswirtschaftslehre an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Später wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Heide (1997 bis 1998).

Seit 2004 ist es bei der Bertelsmann Stiftung in Gütersloh beschäftigt und dort auf makroökonomische Themen spezialisiert. Daneben war er von 2010 bis 2020 Lehrbeauftragter für volkswirtschaftliche Themen an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder).

 

Über „Klimaschutz in der Marktwirtschaft“

Warum fällt es so schwer, effektive Maßnahmen für Klimaschutz und Dekarbonisierung zu implementieren? Thieß Petersen diskutiert diese Frage aus wirtschaftspolitischer Perspektive, ausgehend von der Diagnose, dass der Klimawandel als Marktversagen zu sehen ist. Der Autor stellt dar, wie es zu diesem Versagen des Marktes kommt, welche Heilmittel es gibt und welche unerwünschten Nebeneffekte die Heilung häufig verhindern. Dass Klimaschutz möglich ist, zeigt er anhand einer Reihe von erfolgreichen Beispielen der Dekarbonisierung. Ein ambitionierter Klimaschutz setzt voraus, dass die größten damit verbundenen sozialen Härten wirtschafts- und sozialpolitisch abgefedert werden.

 

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© Foto Thieß Petersen: privat | Titelbild gestaltet mit canva.com