„Wichtig ist meines Erachtens, dass das prophetische und das pädagogische Handeln heute konsequent voneinander getrennt sind.“ – Interview mit Johannes Twardella, Autor von „Islam und Pädagogik”

Cover "Islam und Pädagogik"

Islam und Pädagogik
Studien zur Position des Lehrers im Islam

von Johannes Twardella

 

Über das Buch

Was kennzeichnet eine islamische Pädagogik? Mit der Einführung des Fachs „Islamische Religion“ an deutschen Schulen stellt sich die Frage: Sind für den Unterricht in diesem Fach nicht nur „westliche“, sondern auch islamische pädagogische Ansätze von Belang? Die Aufsatzreihe bietet einen erstmaligen Zugang zur kaum erforschten Tradition pädagogischen Denkens im Islam, ausgehend von Analysen zum Koran und zum Hadith. Im Fokus steht dabei, welche Position dem Lehrer in dieser Tradition zugeschrieben wird.

 

Lieber Johannes Twardella, worum geht es in Islam und Pädagogik?

Ausgehend von einem soziologischen Verständnis des Islam versuche ich in dem Buch zu rekonstruieren, wie sich auf der Basis der durch diese Religion etablierten Strukturen ein spezifischer Möglichkeitsraum für die Pädagogik öffnet, in dem Lehrer eine Position einnehmen und pädagogisch handeln können.

 

Wie kamen Sie auf die Idee, dieses Buch zu schreiben? Gab es einen „Stein des Anstoßes“?

Am Anfang stand die Frage, wie im schulischen Unterricht über die Religion des Islam gesprochen wird. Darauf folgten erste Forschungsarbeiten zum „Islamischen Religionsunterricht“. Irgendwann wurde mir klar – und das war der „Stein“, durch den alles Weitere ins Rollen kam –, dass die Frage nach der Position des Lehrers dazu geeignet ist, das Verhältnis von Islam und Pädagogik systematisch zu untersuchen.

 

Die Aufsatzreihe bietet einen erstmaligen Zugang zur kaum erforschten Tradition pädagogischen Denkens im Islam, ausgehend von Analysen zum Koran und zum Hadith. Welche Position wird dem Lehrer in dieser Tradition zugeschrieben?

In meinen Studien bin ich von der Annahme ausgegangen, dass für die Frage, wie die Position des Lehrers entweder praktisch eingenommen oder theoretisch reflektiert wird, ihre Relationierung zur Position des Propheten von grundlegender Bedeutung ist. Das ist darauf zurückzuführen, dass das prophetische Handeln der Rahmen ist, in den das pädagogische Handeln zunächst eingebettet ist, aus dem es hervorgeht und auf den es auch dann noch bezogen ist, wenn es als von diesem unterschieden gedacht und praktiziert wird. Mittels einer Reihe von Fallstudien habe ich das Spektrum von Möglichkeiten für die Position des Lehrers sowie die mit ihr jeweils verbundene Pädagogik zu bestimmen versucht.

 

Welche Auswirkungen hat dieses Verständnis auf die heutige pädagogische Praxis im Fach „Islamische Religion“?

Wichtig ist meines Erachtens, dass das prophetische und das pädagogische Handeln heute konsequent voneinander getrennt sind. Bei einer unzureichenden Trennung kann eine der möglichen Auswirkungen darin bestehen, dass der Unterricht im Fach „Islamische Religion“ auf die Erziehung zu einer Islamkonformität zielt (wohingegen ich es für sinnvoller halte, den Unterricht auf die Bildung der Schülerinnen und Schüler, konkret auf deren Urteilsbildung hin auszurichten). Dies ist, wie gesagt, nur eine mögliche Auswirkung und es wäre wünschenswert, wenn es weitere empirische Forschungen gäbe, in denen die von Ihnen gestellte Frage systematisch verfolgt wird.

 

Darum bin ich Autor bei Budrich

Es ist nicht mein erstes Buch, das ich in Kooperation mit dem Verlag Barbara Budrich herausgebe. Da ich bisher nur positive Erfahrungen mit dem Verlag gemacht habe, war ich erfreut, als mit mitgeteilt wurde, dass auch mein neues Buch hier erscheinen kann.

 

Kurzvita des Autors in eigenen Worten

Portraitfoto von Budrich-Autor Johannes TwardellaDas Buch baut auf früheren Forschungen auf. Diese fanden auf unterschiedlichen Forschungsgebieten statt: Nach einem Lehramtsstudium der Fächer „Germanistik“, „Sozialkunde“ und „Philosophie“ promovierte ich bei Ulrich Oevermann mit einer soziologischen Arbeit über den Koran. Als ich dann ins Referendariat ging und schließlich mehrere Jahre lang als Lehrer an einem Frankfurter Gymnasium arbeitete, forschte ich als Soziologe parallel zu verschiedenen Ausprägungen muslimischer Religiosität in der Gegenwart. Dann erhielt ich die Möglichkeit, als „Pädagogischer Mitarbeiter“ an die Goethe-Universität zu gehen, wechselte die Disziplin, wurde zum Erziehungswissenschaftler und habilitierte mich bei Andreas Gruschka mit einer empirischen Arbeit über Unterricht an allgemeinbildenden Schulen. Noch während meiner Zeit als „Pädagogischer Mitarbeiter“ versuchte ich beides miteinander zu verbinden, das Interesse am Islam und dasjenige an pädagogischen Fragen, und begann mich mit dem „Islamischen Religionsunterricht“ zu befassen. Später, nach meiner Rückkehr an die Schule, weitete sich dieses Interesse und ich versuchte, grundsätzlich das Verhältnis von „Islam und Pädagogik“ zu untersuchen. Letztlich sind also die in dem Buch versammelten Aufsätze das Ergebnis einer sich inzwischen über mehrere Jahrzehnte erstreckenden Auseinandersetzung mit dem Islam.

 

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© Titelbild: gestaltet mit canva.com; Foto Johannes Twardella: privat