„Der Schreibzeitplan: Zeitmanagement für Schreibende“: Leseprobe

Eine Frau sitzt am Strand

Der Schreibzeitplan: Zeitmanagement für Schreibende

von Christian Wymann

 

Über das Buch

Studierende und Wissenschaftler*innen sind vor allem eins: Schreibende. Wer aber mit den eigenen Schreibgewohnheiten unzufrieden ist, dem kann ein Schreibzeitplan helfen, eigene Projekte leichter und schneller umzusetzen. Zehn Schritte genügen, einen eigenen Schreibzeitplan aufzubauen und durchzuhalten. Schreibgewohnheiten werden identifiziert und hilfreiche Schreibroutinen entwickelt. Die Kontrolle über die eigene Schreibsituation kehrt zurück.

Leseprobe: S. 47-55

Aufgaben und Ziele definieren

Reflexion: Eine neue Schreibaufgabe

Versetzen Sie sich in den Moment, wenn Sie eine Schreibauf­gabe erhalten haben bzw. anfangen. Was geht Ihnen durch den Kopf? Was sind Ihre ersten Reaktionen, wenn Sie mit einer neuen Schreibaufgabe konfrontiert werden? Reagieren Sie immer auf gleiche Weise oder können Sie Unterschiede feststellen, je nach dem von wem die Aufgabe kommt, wel­cher Art sie ist, wie viel Zeit sie in Anspruch nehmen wird oder wie groß Ihr Interesse ist? Inwiefern prägt Ihre Reaktion den Verlauf der Aufgabenbearbeitung?

Mit diesen Fragen können Sie beobachten, welche ge­wohnheitsmäßigen Einstellungen Sie haben. Sie können herausfinden, welche sich als hilfreich oder abträglich erwei­sen, und erstere gezielt pflegen.

Eine Schreibaufgabe, mag sie noch so klein sein, kann unter Um­stän­den wie ein großes, kaum überwindbares Hindernis, wie ein Berg wirken. Bereits beim bloßen Daran-Denken, wie hoch der Berg ist, wird Ihnen mulmig. Es gibt so viele Dinge zu tun, bis Sie den Text geschrieben haben, dass Sie kaum wissen, wo Sie an­fan­gen sollen. Aus diesem Grund zögern Sie vielleicht den Arbeits­beginn heraus. Oder Sie verzetteln sich und kommen zu keinem Ende, weil Sie zu viel auf einmal in Angriff nehmen. Dieses Kapitel zeigt Ihnen, wie Sie den Berg Arbeit, der vor Ihnen liegt, bezwingen können, ohne aufzuschieben, sich zu verlieren oder gar abzustürzen.

Ob eine Schreibaufgabe mit kleinem oder großem Aufwand verbunden ist, sie kann stets in Teilaufgaben und ‑ziele zergliedert werden. Anstatt sich wiederholt der Aufgabe Hausarbeit, Ba­chelorarbeit oder Dissertation zu stellen und sich vor deren Um­fang zu fürchten, widmen Sie sich schrittweise kleinen Teilen. Um erneut die Metapher des Berges zu bemühen: Sie bezwingen den Berg nur, wenn Sie Ihn etappenweise hinaufsteigen. Zerubavel (2001: 36) spricht von einem Berg mit Treppen. Niemand startet im Tal und rennt in einem Mal bis auf die Spitze – selbst professi­onell Schreibende nicht.

Der Schreibzeitplan erlaubt Ihnen, die verschiedenen Schreib­aufgaben herunter zu brechen, schrittweise zu bearbeiten und den Überblick zu behalten. Dazu bieten sich verschiedene Wege an. Welchen Sie wählen, müssen Sie entscheiden.

 

Kleinteilig, erreichbar, motivierend

Als ersten Schritt können Sie sich vergegenwärtigen, dass eine Schreibaufgabe in mehrere Phasen unterteilt werden kann (wie in Schritt 3 angesprochen). Sie müssen also nicht gleich von heute auf morgen mit der Niederschrift der endgültigen Textfassung beginnen. Während die Phasen des Schreibens als lineare Abfolge erscheinen können – Konzept erstellen, Material suchen und lesen, Rohfassung schreiben, überarbeiten, Endredaktion und Abgabe –, sollten Sie nicht vergessen, dass es sich in der Regel um einen zirkulären Prozess handelt (Kruse 2007: 114–115). Die lineare Abfolge stellt nur ein Modell dar. In Wirklichkeit wechseln sich die Phasen wiederholt ab – z.B. Material suchen, schreiben, über­arbeiten, weiteres Material anschauen, schreiben, überarbeiten, Konzept überdenken, überarbeiten –, bis Sie schließlich bei der Schlussredaktion des Textes ankommen. Genau aus diesem Grund wollen Sie den Überblick über die einzelnen, sich abwechselnden und wiederholenden Schritte behalten.

Teilen Sie den Schreibprozess in Phasen ein, kann Ihnen das bereits eine große Last von den Schultern nehmen: Sie nehmen nicht die ganze Arbeit in Angriff, sondern schreiben Ihre Ideen mithilfe eines Brainstormings nieder, sammeln Material zum Analysieren oder schreiben die Rohfassung eines Kapitels. Aber auch eine einzelne Prozessphase mag Sie noch überwältigen und deshalb tun Sie gut daran, auch diese Phase in kleine Teile zu gliedern – bis hin zu kleinen Abschnitten, mit denen Sie sich von Schreibsitzung zu Schreibsitzung beschäftigen.

Für die Bestimmung von Aufgaben und Zielen, sollten Sie sich im Klaren darüber sein, was Sie tun müssen. Es kann sein, dass Sie nicht genau wissen, worüber Sie in einem Kapitel schrei­ben wollen. In diesem Fall geben Sie sich die Aufgabe, das her­auszufinden. Beginnen Sie eine Schreibsitzung, sollten Sie also genau wissen, welche Aufgabe Sie in der geplanten Zeit bearbeiten oder welches Teilziel Sie erreichen möchten. Sich darüber im Klaren zu sein, ist zentral für das erfolgreiche Umsetzen des Schreibzeitplans.

Gestalten Sie die Aufgaben und Ziele so kleinteilig, dass Sie sie im Rahmen einer Schreibsitzung erreichen können. Der Grund dafür ist einfach: Wenn Sie sich zu hohe Ziele für Ihre Schreibsit­zungen setzen und sie wiederholt nicht verwirklichen, bringt das nicht nur Ihren Plan durcheinander, sondern wird Sie auch zuneh­mend von der Verfolgung des Plans abhalten. Eine realistische Aufgabenstellung oder Zielsetzung wird Ihnen demgegenüber klei­ne Erfolgserlebnisse verschaffen und Sie zum Weitermachen motivieren. Halten Sie die Aufgaben und Ziele deshalb überschau­bar und bewältigbar. Dann werden Sie Ihre Motivation nicht durch Frustration verlieren.

 

Was sind Aufgaben und Ziele?

Abhängig von der Schreibaufgabe, der Prozessphase, der Dauer Ihrer Schreibsitzungen und Ihrem Arbeitstempo, werden Sie die Aufgaben und Ziele unterschiedlich definieren. Dazu sollten Sie die Aufgaben sowohl inhaltlich als auch quantitativ bestimmen. Stellen Sie sich dafür folgende Fragen:

1) Woran will ich arbeiten? Welchen Aufgabentyp und welches Thema nehme ich mir vor?

Sie sollten stets eine klare Vorstellung davon haben, zu welchem Inhalt Sie arbeiten wollen. Das kann ein generelles Thema sein, falls Sie sich noch in der Einarbeitungsphase befinden, oder aber ein bestimmtes Kapitel, falls Sie an der Rohfassung schreiben. Sie können sich auch einen Begriff, den Sie erklären müssen, vorneh­men. Egal worum es sich handelt, Sie sollten wissen, womit Sie inhaltlich Ihre Schreibsitzung verbringen wollen.

Es spielt keine Rolle, ob Sie tatsächlich für die Roh- oder End­fassung schreiben oder vorbereitende Aufgaben erledigen wie Konzept schreiben, Texte exzerpieren und Ideen sammeln (mittels Clustering, Mindmap, automatischem Schreiben oder anderer Kreativtechniken; siehe Rico 2002; Scheuermann 2016; Wolfsber­ger 2010; von Werder 2002). Sie können auch bereits Geschriebe­nes überarbeiten. Alles was zur Erledigung einer Schreibaufgabe beiträgt, gilt für den Schreibzeitplan als Schreiben (Silvia 2007: 18–19).

2) Wie viel will ich in der Schreibsitzung schreiben bzw. produzieren?

Wissen Sie, woran Sie arbeiten wollen, sollten Sie ebenso eine klare Vorstellung davon haben, welche Menge an Zeichen, Wör­tern, Absätzen, Seiten oder dergleichen Sie produzieren wollen. Sie können sich beispielsweise vornehmen, mindestens 200 Wör­ter pro Schreibsitzung zu schreiben. Sie haben das Sitzungsziel dann erreicht, wenn Sie 200 Wörter geschrieben haben. Um ein Beispiel von mir zu geben: Um dieses Buch zu schreiben, habe ich mir das Ziel gesetzt, in jeder Schreibsitzung, in der ich tatsächlich am Text schreibe, mindestens eine Seite zu produzieren (rund 300 Wörter). Bei anderen Schreibaufgaben liegt mein Ziel bei 200 Wörtern.

Die Maßeinheit kann je nach Aufgabentyp oder Schreibauf­gabe wechseln. Bearbeiten Sie eine Schreibaufgabe, die Ihnen einen gewissen Umfang vorschreibt, wählen Sie am besten die vorgegebene Maßeinheit (üblicherweise Zeichen, Wörter oder Seiten). Wie Sie in Schritt 6 sehen werden, wird die Quantifizie­rung der Aufgaben wichtig, wenn Sie Ihre Ziele und Ihren Fort­schritt überprüfen wollen.

Planen Sie realistisch, wenn es um die inhaltliche und quanti­tative Bestimmung der Aufgabe einer Schreibsitzung geht. Finden Sie in den ersten Wochen oder Monaten Ihres Schreibzeitplans heraus, wie viel Sie durchschnittlich schreiben. Sobald Sie wissen, was Sie im Stande sind zu produzieren, bestimmen Sie Ihre Ziele entsprechend. Setzen Sie jedoch lieber niedriger als Ihren Durch­schnitt an. Somit erreichen Sie Ihr Ziel häufiger und erleben kleine Erfolge anstatt wiederholte Frustration.

Es kann vorkommen, dass Sie unter Zeitdruck stehen und in kurzer Zeit mehr Text produzieren müssen als gewohnt. In diesem Fall erhöhen Sie Ihr Sitzungsziel, damit Sie die Aufgabe innerhalb der Frist beenden können. Hierbei erweist sich die quantitative Ziel­setzung als zentral, weil Sie nun in jeder Sitzung ein be­stimm­tes Soll erreichen müssen. Sobald Sie mit der Zielsetzung vertraut sind und Ihr Arbeitstempo und Ihre Fähigkeiten kennen, werden Sie auch einschätzen können, ob eine Erhöhung des Sit­zungsziels realistisch und die Schreibaufgabe fristgerecht machbar sind. Mit etwas Übung dürfte das für eine begrenzte Zeit möglich sein. Ein erhöhtes Ziel kann Sie motivieren, fokussierter zu arbei­ten. Ihre Motivation wird bestehen bleiben oder steigen, wann immer Sie das Ziel erreichen. Sie werden außerdem sehen, dass Sie den Druck, den Sie auf Ihre regelmäßigen Schreibsitzungen verteilen, besser aushalten werden, als wenn Sie ihn bis zur letzten Minuten für eine mehrstündige oder nächtliche Schreibsitzung aufsparen.

 

Eine Schreibsitzung, eine Aufgabe

Damit Sie den Fokus während einer Schreibsitzung aufrechterhal­ten können und sich nicht verzetteln, sollten Sie sich nur einer Aufgabe pro Sitzung widmen. Sie erlauben sich dabei, sich aus­schließlich auf eine kleine Teilaufgabe mit einem kleinen Teilziel zu konzentrieren. Selbst wenn Sie merken, was Sie alles sonst noch machen müssten oder Ihnen Ideen für andere Kapitel in den Sinn kommen, konzentrieren Sie sich auf die geplante Aufgabe. Machen Sie Notizen oder markieren Sie Textstellen, die Sie sich in einer späteren Sitzung ansehen müssen, um Ihre Ideen nicht zu vergessen – und kommen Sie zur aktuellen Aufgabe zurück.

Besonders bei Schreibsitzungen von mehreren Stunden müs­sen Sie deshalb gut planen, damit Ihnen nicht nach einer Stunde die Arbeit ausgeht. Denn dann besteht die Gefahr, dass Sie sich anderen Dingen widmen und sich letztlich verzetteln (noch kurz etwas im Internet nachsehen; nochmals alte Notizen durchlesen; eine Textstelle in einem Buch suchen; eine E-Mail schreiben u.Ä.).

Im Idealfall wissen Sie vor Beginn der Schreibsitzung genau, was Sie zu tun haben, und sind entsprechend vorbereitet. Sie haben alles Material vorliegen, das Sie für die Schreibsitzung benötigen, und können sogleich loslegen. Gehören Sie aber zu den Schrei­benden, die nicht einfach so in die Arbeit einsteigen können, gibt es eine alternative Herangehensweise.

 

Zuerst aufwärmen, dann schreiben

Nehmen wir an, dass Sie nicht gleich schreiben können. Sie brau­chen Zeit, um sich ins Thema hineinzudenken – also eine Auf­wärmphase. Dauert Ihre Schreibsitzung zwei Stunden, sollten Sie die Zeit, die Sie fürs Aufwärmen benötigen, mit berücksichtigen. Während der ersten halben Stunde beispielsweise lesen Sie die Notizen, Zitate und anderen Dinge, die Sie sich für die Aufgabe der Schreibsitzung bereitgelegt haben. Sie können in dieser Zeit auch ein Brainstorming vornehmen oder sich mithilfe des automa­tischen Schreibens ins Thema hineindenken (z.B. anhand der Fragen: Was weiß ich über das Thema der heutigen Schreibsit­zung? Und was weiß ich noch nicht?). Egal wie viel Zeit Sie fürs Aufwärmen einplanen, beenden Sie diese Sitzungsphase nach Ablauf der Zeit. Sie riskieren sonst sich zu verzetteln und die Schreibphase zu beschneiden. Halten Sie also auch den Plan für die einzelnen Phasen innerhalb einer Schreibsitzung ein. Alternativ können Sie noch weitere Phasen einbauen, etwa eine, in der Sie die Struktur des Inhalts festlegen, den Sie danach schreiben. Lassen Sie mich ein Beispiel geben.

Sebastian, ein Doktorand, plant jeweils Schreibsitzungen von drei Stunden. Anstatt aber die gesamte Zeit fürs Schreiben zu reservieren, teilt er die Sitzung in drei Teile. Zuerst liest er wäh­rend einer Stunde seine Notizen, Exzerpte und anderen Materia­lien, die er später zur Bearbeitung der Aufgabe braucht. Danach benötigt er, nach einer kurzen Pause, die zweite Stunde, um seine Gedanken und Ideen in eine Ordnung zu bringen und eine Struktur zu erstellen. Er macht erneut eine kleine Pause und füllt danach während der letzten Stunde die erstellte Struktur mit Inhalt. Diese Gliederung seiner Schreibsitzungen erlaubt es ihm, die unter­schiedlichen Phasen des Schreibens besser zu entzerren. Denn ohne eine solche Gliederung ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass er zu viel auf einmal erledigen will, sich verzettelt und schließlich die geplante Aufgabe nicht zufriedenstellend erledigen kann.

Egal ob Sie solche Phaseneinteilungen innerhalb der Schreib­sit­zung vornehmen oder nicht: Widmen Sie sich wenn möglich einer Aufgabe bzw. einem Ziel. Merken Sie, dass Sie Ihre Schreib­sitzung nicht mit nur einer Aufgabe füllen können, können Sie die Dauer der Sitzung anpassen. Entschließen Sie sich stattdes­sen, die Sit­zung mit mehr als einer Aufgabe zu planen, seien Sie vor­sich­tig, dass Sie nicht den Überblick verlieren, die Aufgaben ver­mi­schen oder eine Aufgabe der anderen vorziehen. Je mehr Sie in ei­ner Schreibsitzung beabsichtigen, desto größer wird die Ge­fahr, dass Sie die Aufgaben nicht wie geplant erledigen können. Wenn Sie demgegenüber eine klare Aufgabe vor Augen haben, wird es Ihnen leichter fallen, fokussiert daran zu arbeiten und das geplante Ziel zu erreichen. Entscheiden Sie selbst, welcher Weg für Sie funk­tioniert. Sobald Sie Ziele jedoch wiederholt nicht erreichen oder Sie über Ihren Fortschritt frustriert sind, sollten Sie Ihre Auf­ga­benplanung und Arbeitsweise anpassen.

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© Unsplash 2022 / Foto: Cody Black