Empowerment und Powersharing: Intersektionalität und Handlungsmöglichkeiten in der (Offenen) Kinder- und Jugendarbeit

Orientierung an Empowerment und Powersharing als Konkretisierungsmöglichkeit intersektionaler Perspektiven in der (Offenen) Kinder- und Jugendarbeit

Ioanna Menhard

GENDER – Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, Heft 2-2024, S. 56-70.

 

Zusammenfassung

Analyse und Reflexion von Herrschaftsverhältnissen in Sozialer Arbeit sind zunehmend mit dem Ansatz der Intersektionalität verbunden. Im Beitrag wird untersucht, inwiefern intersektionale Perspektiven mit Blick auf Handlungsmöglichkeiten konkretisiert werden können. Dabei sind Empowerment und Powersharing im Feld der (Offenen) Kinder- und Jugendarbeit ausschlaggebend. Anhand von Expert*inneninterviews mit Fachkräften sowie einer theoretischen Untersuchung werden Rahmenbedingungen und Praxen systematisiert. So lassen sich Safer Spaces und eine Kombination aus Empowerment und Powersharing als Möglichkeit verstehen, Intersektionalität zu übersetzen. Gleichzeitig werden Widersprüche einer intersektionalen Veränderungsperspektive im Zusammenhang mit der kapitalistisch-nationalstaatlichen Rahmung sowie Normalisierungsfunktion Sozialer Arbeit deutlich.

Schlüsselwörter
Intersektionalität, Empowerment, Powersharing, Soziale Arbeit, (Offene) Kinder- und Jugendarbeit

 

Empowerment and power-sharing as options for concretizing intersectional perspectives in (open) child and youth work

Summary

The analysis and reflection of power relations in social work are increasingly being linked to the intersectionality approach. The article examines the extent to which intersectional perspectives oriented to empowerment and power-sharing in the field of (open) child and youth work can be substantiated in terms of possible courses of action. Conditions and practices are systematized on the basis of expert interviews with specialists and a theoretical analysis. Safer spaces and a combination of empowerment and power-sharing can thus be understood as a possible way of translating intersectionality into the practice of child and youth work. At the same time, the contradictions of an intersectional perspective on transformation in the context of both the capitalist nation-state framework as well as social work’s normalization function become evident.

Keywords
intersectionality, empowerment, power-sharing, social work, (open) child and youth work

 

1. Einleitung

„Einen Raum zu geben, wo sie die Mauer […] ein bisschen fallen lassen können“ – mit diesen Worten, den Metaphern der Mauer, des Mauer-Aufbauens und -Hochhaltens beschreibt eine pädagogische Fachkraft aus einem Mädchen_treff1 im Interview, wie junge Menschen ihren Alltag mit Diskriminierungen erleben und bewältigen. Sie hält es für einen wesentlichen Teil ihrer empowermentorientierten Arbeit, Räume zu schaffen, in denen sie sich erholen, aber auch Strategien entwickeln können, wie sie mit Diskriminierungen umgehen. Dabei nimmt sie aus einer dezidiert intersektionalen Perspektive die Diskriminierungserfahrungen der Adressat*innen entlang der Differenzlinien von Geschlecht und Begehren wahr wie auch in Bezug auf andere gesellschaftliche Macht- und Herrschaftsverhältnisse, z. B. Bodyismus, Ableismus, Rassismus und Klassismus.

Dieses Beispiel aus der Praxis veranschaulicht, was Golschan Ahmad Haschemi, Verena Meyer und Pasquale V. Rotter (2020: 289) beobachten: Die politische Strategie des Empowerment, kombiniert mit Safer Spaces für vulnerable Gruppen, gehört längst zum pädagogischen Alltag vieler Einrichtungen der (Offenen) Kinder- und Jugendarbeit. Räume wie Safer Spaces zur Verfügung zu stellen, kann als Form des Powersharing verstanden werden. Ansätze, die Empowerment mit Powersharing verbinden, stammen u. a. von Gabriele Rosenstreich und Halil Can. Sie nehmen eine intersektionale Perspektive ein, während sie neoliberale Vereinnahmungen sowie ein individuumszentriertes Empowerment-Verständnis zurückweisen und kritisieren (z.B. Can 2022; Rosenstreich 2020).

Dementsprechend wird in diesem Beitrag der folgenden Frage nachgegangen: Inwiefern ermöglicht die Orientierung an politischen Konzepten des Empowerment und Powersharing, intersektionale Perspektiven in der (Offenen) Kinder- und Jugendarbeit als Teil der Sozialen Arbeit zu konkretisieren? Dieses Handlungsfeld ist besonders als Grundlage für Empowerment-Prozesse geeignet, da es die spezifischen Strukturmerkmale von Freiwilligkeit und Offenheit mit Blick auf Selbstdefinition und Selbstbestimmung aufweist. In einem ersten Schritt werden die zentralen Begriffe Intersektionalität, Empowerment und Powersharing sowie ihre Rolle im Fachdiskurs der Sozialen Arbeit skizziert. Anschließend werden die theoretischen Diskurse mit den Ergebnissen einer Interviewstudie verschränkt.

Der vorliegende Beitrag ist Teil eines Promotionsprojekts, in dem Fragen nach Übersetzung(smöglichkeiten) von emanzipatorischen, diskriminierungskritischen und intersektionalen Perspektiven in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit nachgegangen wurde. Dafür wurden neben einer theoretischen Untersuchung neun Fachkräfte aus verschiedenen Settings und Einrichtungsformaten Offener Kinder- und Jugendarbeit interviewt: Teenie-/Jugendtreff, Mädchen_treff, queerer2 Jugendtreff, selbstverwaltetes Jugendzentrum. Im Forschungsprozess erwies sich vor dem Hintergrund des Erkenntnisinteresses eine Fokussierung auf Empowerment, Powersharing sowie eine beide Strategien verbindende Perspektive als fruchtbar. Die theoretischen und empirischen Ergebnisse werden in diesem Beitrag systematisiert und entlang der im Kodierverfahren herausgearbeiteten zentralen Komponenten vorgestellt. Damit wird der Entwurf einer Konkretisierung von Intersektionalität in der Sozialen Arbeit handlungsfeldspezifisch und mit Blick auf Handlungsperspektiven vorgelegt. Da sich in der Praxis Arbeitsbereiche und -weisen, z.B. Jugendverbandsarbeit und Offene Kinder- und Jugendarbeit, überschneiden und mit § 11 Abs. 1 Sozialgesetzbuch VIII übergreifende Strukturmerkmale und Bildungsperspektiven auszumachen sind, können die Überlegungen meist auf Kinder- und Jugendarbeit im weiteren Sinne bezogen werden.3

2 Intersektionalität, Empowerment und Powersharing – Konzepte der Kritik und Transformation

Die zentralen Begriffe dieses Beitrags sind Intersektionalität, Empowerment und Powersharing. Sie alle beinhalten – jeweils etwas unterschiedlich gelagert – Elemente der Analyse und Kritik von Unterdrückungs- und Herrschaftsverhältnissen einerseits sowie andererseits der transformatorischen Absicht, sie zu überwinden. Gemeinsam ist diesen Konzepten ferner, dass sie in den vergangenen Jahren in Diskursen und in der Praxis Sozialer Arbeit zunehmend Aufmerksamkeit erhalten haben. Im Folgenden werden die Begriffe anhand einiger ausgewählter Aspekte ihrer Entstehungsgeschichte sowie ihrer Anwendung in der Sozialen Arbeit erläutert. Im Anschluss wird erneut auf (mögliche) Verbindungslinien mit Blick auf Soziale Arbeit eingegangen.

2.1 Intersektionalität

Der Begriff der Intersektionalität geht auf die Rechtstheoretikerin Kimberlé Crenshaw zurück. Im Schlüsseltext „Demarginalizing the Intersections of Race and Sex“ von 1989 entwickelt sie das Konzept entlang einer Schwarzen feministischen Kritik an antidiskriminierungsrechtlicher Logik, weißer feministischer Theorie und antirassistischen Politiken. Die Kritik bezieht sich zum einen auf die Eindimensionalität vorherrschender Denkmuster. Demnach sind alle Angehörigen einer benachteiligten sozialen Gruppe gleichermaßen von Diskriminierung betroffen. Zum anderen zielt die Kritik darauf, dass mit dem Antidiskriminierungsrecht die Fokussierung auf die privilegiertesten Mitglieder von sozialen Gruppen einhergeht – so prägen z.B. die Erfahrungen weißer Frauen das Paradigma sexistischer Diskriminierung (Crenshaw 2019: 162f.). Dieses begrenzte Anti-/Diskriminierungsverständnis bedeutet, dass vielfach Belastete marginalisiert werden (Crenshaw 2019: 147).

In den vergangenen drei Jahrzehnten hat sich der Begriff der Intersektionalität in akademischen und aktivistischen Diskursen durchgesetzt, um das Zusammenwirken verschiedener Ungleichheitsverhältnisse zu analysieren.4 Matti Traußneck zeigt in einer Untersuchung der bisherigen Debatten auf, dass Intersektionalität als Ansatz teilweise stark abweichend von grundlegenden Intentionen und Elementen des Entstehungskontextes, Schwarzer feministischer Theorie und Critical Race Theory, verwendet wird (Traußneck 2023: 118f.). Vor diesem Hintergrund ist Intersektionalität nämlich als Analyse der Entrechtung durch Recht und einer Kritik an herrschaftsstabilisierenden Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsansätzen zu verstehen – d.h. nicht als Erweiterung von bisher institutionalisierten feministischen und antirassistischen Politiken, sondern als Analyse und Kritik gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse sowie als transformative Praxis (Traußneck 2023: 119ff.).5 Marie Frühauf nimmt eine ähnlich kritische Untersuchung der Intersektionalitätsdiskurse innerhalb der Sozialen Arbeit vor. Sie zeigt Gefahren der Verkürzung und Neoliberalisierung auf. Das geschieht etwa dann, wenn Intersektionalität als pädagogische Kompetenz bspw. die Interaktion zwischen Fachkräften und Adressat*innen fokussiert, gleichzeitig aber strukturelle Herrschaftsverhältnisse ausblendet (Frühauf 2014: 28f.). Diese Verkehrung des Intersektionalitätsansatzes ist auch mit der grundlegend widersprüchlichen Verfasstheit Sozialer Arbeit verbunden: sich sowohl für mehr soziale Gerechtigkeit einzusetzen als auch gleichzeitig Ungleichheits- und Herrschaftsverhältnisse zu stabilisieren (Riegel 2018: 224). „Soziale Arbeit als Arbeit mit den Anderen“ (Kessl/Plößer 2010) nimmt die Funktion von Normalisierungsmodellen und -praktiken im nationalstaatlich-kapitalistischen Rahmen ein.

Mit einer intersektionalen Perspektive kann Wahrnehmungslücken entgegengewirkt werden. Dabei werden nicht nur Differenzverhältnisse im Sinne einer Abweichung einbezogen, sondern auch die dominante und „selbstverständliche Seite hegemonialer Differenzordnungen“ (Riegel 2018: 228). Bezeichnenderweise droht dieser Aspekt der Intersektionalität in der Sozialen Arbeit aus dem Blickfeld zu geraten – vermutlich im Zusammenhang mit Prozessen des Othering (Riegel 2018: 226). Diesen Schluss lässt eine Untersuchung von Kerstin Bronner (2020) zu, die mit Fachkräften der Sozialen Arbeit über Bedeutungen des Ansatzes für die Praxis spricht. Neben einem fruchtbaren Austausch wurden nämlich mögliche Fixierungen auf Defizite durch eine intersektionale Analyse kritisiert (Bronner 2020: 84). Zudem war den Fachkräften nicht klar, wie im Anschluss an eine intersektionale Analyse und Reflexion weitergehende Handlungsmöglichkeiten aussehen könnten (Bronner 2020: 83). Im Zusammenhang mit der Transformationsabsicht von Intersektionalität formuliert Bronner demnach (handlungsfeldspezifischen) Bedarf an Forschung und Entwicklung konkreterer Handlungskonsequenzen (Bronner 2020: 84).

2.2 Empowerment

Der Diskurs um den Empowerment-Begriff weist einige Parallelen zu den Intersektionalitätsdebatten auf. Auch hier wird der Entstehungskontext wenig beachtet, der ebenfalls im Schwarzen Aktivismus gegen rassistische Machtverhältnisse und in der Bürger*innenrechtsbewegung der USA sowie weiteren sozialen Bewegungen (z. B. feministischen, queeren, Behindertenbewegungen) liegt. Bei der Adaption und Weiterentwicklung des Konzepts wird zwar häufig auf den Ursprung verwiesen, in der theoretischen Fundierung aber wird er nicht weiter berücksichtigt, was eine Ausblendung und Individualisierung gesellschaftlicher Macht- und Herrschaftsverhältnisse zur Konsequenz hat (Chehata et al. 2023: 24). Das spiegelt sich wiederum in einer dominanten neoliberalen Vereinnahmung des Begriffs wider (exemplarisch Can 2022; Chehata et al. 2023). Neben Übereinstimmungen innerhalb des (gesellschafts)kritischen Diskurses um Empowerment lassen sich auch theoretisch-konzeptionelle Unterschiede feststellen.

Einen zentralen Punkt stellt das Verständnis dessen dar, was das Konzept Empowerment im Kern auszeichnet. In der Verhältnisbestimmung von Empowerment und Sozialer Arbeit spielt das eine wesentliche Rolle. Hierzu zwei Beispiele: Nach Rosenstreich ist Empowerment mit der Definition der International Federation of Social Workers ein Kernbegriff der Sozialen Arbeit (2020: 228). Gleichzeitig sieht sie eine immanente Widersprüchlichkeit, die zwischen Anspruch und Realisierung von Empowerment herrsche. Sie ergebe sich dadurch, dass Soziale Arbeit in mehrdimensionale Machtverhältnisse verstrickt und durch soziale Hierarchien strukturiert ist. Rosenstreich konkretisiert Empowerment als „Prozess der Ausweitung von Machtzugang und damit von Handlungsspielräumen minorisierter Gruppen auf der Grundlage von Selbstdefinition und Selbstbestimmung“ (2020: 229). Dementsprechend lassen sich weder konkrete Ziele noch Handlungsanleitungen für Empowerment-Prozesse vorgeben. Als Element dieser Prozesse beschreibt Rosenstreich außerdem, dass sich Mitglieder einer minorisierten Gruppe in Safer Spaces mit Unterdrückung und Marginalisierung auseinandersetzen (2020: 231). Laut diesem Verständnis lässt sich Empowerment in der Verwendung eines transitiven Verbs kritisieren. Mit der Vorstellung, Adressat*innen zu empowern bzw. empowern zu können, „verkommt der Begriff schnell zu einem vom ursprünglichen Sinn entleerten Synonym für Hilfe oder Unterstützung für ‚andere‘“ (Rosenstreich 2020: 232). Dennoch versteht Rosenstreich Soziale Arbeit als einen Rahmen für Empowerment (in Verbindung mit Powersharing und einer intersektionalen Perspektive). Sie betont die Anforderung, sich mit den Spannungsfeldern und Dilemmata auseinanderzusetzen, um den emanzipatorischen Anspruch mit Blick auf soziale Gerechtigkeit zu verfolgen (Rosenstreich 2020: 237).

Yasmine Chehata et al. setzen einen anderen Schwerpunkt. Sie definieren Empowerment als politisch-analytischen Begriff, der eine soziale und politische Praxis beschreibt. Diese äußert sich in „Praktiken, die eine spezifische Form der Befreiung in gesellschaftlichen Ungleichheits- und Unterdrückungsverhältnissen hervorbringen, und zwar durch von diesen Verhältnissen betroffene Gruppen und Communitys“ (Chehata et al. 2023: 26), also in Form von politischer Selbstorganisation. Mit Bezug auf Patricia Hill Collins erklären Chehata et al., dass Praktiken des Empowerments sich immer zwischen den Dimensionen Empowerment des Überlebens und Empowerment der Veränderung bewegen (2023: 43). Auch wenn sich eine Gruppe dafür entscheidet, den Schwerpunkt auf eine Dimension zu setzen, bleibt die jeweils andere den Praktiken immanent. Chehata et al. weisen ferner darauf hin, dass mit dieser Definition eine gezielte professionelle Intervention weder vereinbar noch gewünscht ist. Das klingt z.T. auch in den Selbstbezeichnungen mancher Gruppen (z.B. Antipsychiatriebewegung) an (Chehata et al. 2023: 24). Wie Rosenstreich betonen sie die Prozesshaftigkeit von Empowerment. Empowerment könne außerdem nur jeweils im Nachhinein als solches festgestellt werden (Chehata et al. 2023: 27). Vor dem Hintergrund dieser und weiterer Bedeutungsdimensionen kritisieren Chehata et al. die Verwendung und Adaption des Empowerment-Begriffs als Handlungs- und Leitkonzept der Sozialen Arbeit (Chehata et al. 2023: 27f.).

2.3 Powersharing

Bei Powersharing handelt es sich um ein Konzept, das in deutschsprachigen Debatten noch wenig aufgegriffen wird. Rosenstreich zeichnet nach, wie sie den Begriff in den 1980er-Jahren im Kontext feministischer Praxis der autonomen Frauenhausbewegung in Aotearoa in Neuseeland kennengelernt hat. Sie führte ihn im Rahmen eines Vortrags zu Empowerment und Mehrfachdiskriminierung im Jahr 2004 in Deutschland ein (Rosenstreich 2020: 232f.). Nach Rosenstreich ist Powersharing „das Zurverfügungstellen von Ressourcen für das Empowerment von minorisierten Gruppen, ohne über deren Verwendung zu bestimmen“ (Rosenstreich 2020: 233). Daneben sieht sie einen Zusammenhang mit dem Begriff der Solidarität. Diese sei als Haltung zu verstehen, die dem Handlungsansatz des Powersharing zugrunde liegt. Ähnlich wie bei Empowerment könnten für Powersharing keine Anleitungen konkretisiert, jedoch Voraussetzungen benannt werden (Rosenstreich 2020: 233). Dazu gehöre es, aktiv zuzuhören, selbstdefinierte Interessen der jeweiligen Gruppen anzuerkennen und sich die eigenen Privilegien und Ressourcen bewusst zu machen.

Can konzipiert einen vergleichbaren Ansatz, in dem Empowerment und Powersharing zusammengedacht werden. Er formuliert für Powersharing ebenfalls die Erfordernis, sich selbstkritisch das eigene Verstricktsein bewusst zu machen, z.B. von weißen Personen in rassistischen Machtverhältnissen (Can 2022: 413). Der Prozess der Bewusstwerdung und kritischen Reflexion von Privilegien ist Teil des von Can entwickelten Powersharing-Konzepts als „selbstkritisch-selbstreflexive Sensibilisierung, Bewusstseinsbildung und Politisierung von Weißen über ihre Positionierung und Situiertheit in der rassistischen Gesellschaftsstruktur“ (Can 2022: 414). In diesem machtkritischen und auf Transformation zielenden Empowersharing-Ansatz ist also neben Safer Spaces auch die Schaffung von getrennten Räumen für privilegierte, z.B. weiß positionierte, Personen vorgesehen sowie anschließend „ein ‚dritter politischer Raum‘ für individuelle und gesellschaftliche Transformationen“ (Can 2022: 414). Can versteht Powersharing als konkretes Handeln in Form von individuellem, kollektiv-solidarischem, institutionellem und strukturellem Powersharing (2022: 412f.).6 Demgegenüber konkretisieren Chehata et al. Powersharing u.a. als ein Konzept organisationaler Transformation, worin sie „ein wesentliches Element zur Veränderung von Machtverhältnissen“ (Chehata et al. 2023: 54) sehen. Denn auf diese Weise könnten z.B. über die Gestaltung von Zugängen und Entscheidungsprozessen überindividuell Veränderungen angestoßen werden.

1 Die Schreibweise „Mädchen_arbeit“ wurde gewählt, um Einrichtungen und Angebote zu markieren, die sich schwerpunktmäßig an alle Mädchen (cis, inter*, trans*) richten, aber auch für nichtbinäre und agender Kinder und Jugendliche geöffnet sind. Äquivalent dazu werden die Begriffe „Jungen_arbeit“ und „Junge“ verstanden. Ich beziehe mich dabei u.a. auf Katharina Debus und Vivien Laumann (2022).
2 „Queer“ ist hier der Sammelbegriff für „nichtheterosexuell“ und „nicht-cis-/nicht-endo-geschlechtlich“. Mit der Beschreibung „queere Jugendliche“ sind z.B. lesbische, schwule, bi-/pansexuelle, inter*, trans*, nichtbinäre Jugendliche gemeint.
3 Das wird kenntlich gemacht, indem „Offene“ in Klammern gesetzt wird.
4 Vergleichbare Konzipierungen und Thematisierungen über Zusammenhänge von Ungleichheitskategorien wurden unter anderen Begriffen auch schon vorher und in anderen Weltregionen erarbeitet (Traußneck 2023).
5 Traußneck schreibt weiter, dass die Einbeziehung intersektionaler Erkenntnisse sowohl in supranationale Institutionen (z. B. die EU) als auch in lokalen Antidiskriminierungsstellen durchaus zu einer progressiveren Fassung der jeweiligen Richtlinien führen könnte. „Gleichwohl konstituieren diese Beispiele eine Nutzung intersektionaler Perspektiven, die […] einem Projekt der Befreiung […] strukturell nicht gerecht werden können.“ (2023: 119)
6 Hier sind äquivalent dazu und in Korrespondenz auch diese Formen des Empowerment zu sehen sowie darüber hinaus noch die Formen des diskursiven und erinnernden Empowerment (Can 2022: 404ff.).

* * *

Sie möchten gerne weiterlesen? Dieser Beitrag ist im Open Access in Heft 2-2024 unserer Zeitschrift GENDER – Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft erschienen.

 

 

 

Mehr Leseproben …

… finden Sie auf unserem Blog.

 

© Unsplash 2024, Foto: Aedrian Salazar