Influencer*innen und soziale Mobilität

Smartphone mit geöffneter Instagram-App: auf dem Bildschirm steht "Live on Instagram"

D like Day- and Dream-Job. Eine explorative Untersuchung zu ambivalenten Aushandlungsprozessen sozialer Mobilität auf Instagram

Claudia Amsler, Michèle Amacker

GENDER – Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, Heft 3-2021, S. 42-58

 

Zusammenfassung

Soziale Mobilität wird aktuell vermehrt diskutiert, sowohl im Rahmen wissenschaftlicher Studien als auch auf digitalen Plattformen wie Instagram. Hier sind neue, un(ter)bezahlte Arbeitsorte entstanden, die stark flexibilisiert und prekarisiert sind. Zudem teilen sie eine zentrale Eigenschaft mit anderen feminisierten Tätigkeiten wie jene der Care-Arbeit: Sie ist weitgehend unsichtbar, wobei die Subjekte selbst hypervisibel sind. Der Beitrag untersucht anhand von cyberethnografischem Material Aushandlungsprozesse sozialer Mobilität von Instragram-Influencer*innen, die kritische Bildungsarbeit im Bereich der sozialen Gerechtigkeit leisten. Dabei wurde von der Annahme ausgegangen, dass soziale Mobilität ein wiederkehrendes Thema in Beiträgen dieser Influencer*innen ist, da der soziale Status dieser Arbeit uneindeutig ist. Die explorative Analyse zeigt insbesondere die Bedeutung horizontaler Mobilität für Influencer*innen, wodurch gängige meritokratische Diskurse über eine vertikale Mobilität neu betrachtet werden können.

Schlüsselwörter: Digital Labor Studies, Soziale Medien, Influencer*in, Meritokratisches Versprechen, Instagram

 

Summary

“D” as in day job and dream job. An explorative study of ambivalent negotiation processes of social mobility on Instagram

Social mobility has become the focus of increasing debate both in the context of academic studies and on digital platforms such as Instagram. Here, new, un(der)paid workplaces have emerged that are highly flexibilised and precarised. Moreover, these workplaces share a key characteristic with other feminised activities such as care work: they are largely invisible, although the subjects themselves are hypervisible. The article uses cyber-ethnographic material to examine the processes by which social mobility is negotiated by Instagram influencers who do critical educational work in the field of social justice. The assumption is that social mobility is a recurring theme in influencers’ posts because of the ambiguous social status of this work. The explorative analysis in particular shows the importance of horizontal mobility for influencers, allowing us to reconsider common meritocratic discourses on vertical mobility.

Keywords: digital labour studies, social media, influencer, meritocratic promise, Instagram

 

1 Einleitung

Die Brüchigkeit des Versprechens sozialer Mobilität ist gegenwärtig nicht nur in wissenschaftlichen Diskursen präsent (Littler 2018), sondern auch in kollektiven Verhandlungen auf Sozialen Medien. Diese nehmen gleich mehrere Funktionen wahr: Sie sind Kommunikationskanäle und bieten Raum für Community-/Opinion-Building, gleichzeitig sind sie auch Orte un(ter)bezahlter Arbeit, die meritokratische Versprechen aufrufen, und werden in der Business-Sachliteratur als „das letzte Residuum des American Dreams“ (Nymoen/Schmitt 2021: 168) bezeichnet. Im Fokus des vorliegenden Beitrags steht diese Doppelfunktion und die Art und Weise, wie Soziale-Medien- Influencer*innen, die machtkritische, politische Bildungsarbeit leisten, über ihre Tätigkeit und digitale Arbeit im Allgemeinen einen Metadiskurs führen. Die Arbeit als Influencer*in oder Blogger*in und ihr sozialer Status sind dabei auf unterschiedlichen Ebenen ambivalent: So wird sie beispielsweise von offiziellen Berufsberatungsstellen nicht als regulärer Beruf anerkannt und als eine Tätigkeit eingestuft, mit der nicht „regelmässig Geld“ (Berufsberatung Schweiz 2019: o. S.) verdient werden kann. Gleichzeitig scheint die Arbeit als Influencer*in immer stärker traditionelle „Dream Jobs“ (Duffy/Pooley 2019: 26) zu ersetzen. Die Attraktivität und das Entstehen dieser Arbeit können als eine zukunftsweisende und hoffnungsvolle Antwort auf größere Beschäftigungsunsicherheiten innerhalb der post-industriellen Ökonomie im Globalen Norden gedeutet werden (O’Meara 2019). Sie verspricht dabei eine Karriere ohne Voraussetzung und für das bezahlt zu werden, was man liebt (Duffy 2017). Hierbei ruft die Arbeit als Influencer*in zentrale meritokratische Leitmotive an, die uns glauben lassen: „that if we try hard enough we can make it: that race or class or gender are not, on a fundamental level, significant barriers to success. To release our inner talent, we need to work hard and market ourselves in the right way to achieve success“ (Littler 2018: 2).

Verschiedene Studien haben jedoch gezeigt, dass sich diese erfolgreiche kreative Selbstverwirklichung als Illusion entpuppt, da größtenteils mit prekären Arbeitsbedingungen und zeitlichen wie auch finanziellen Barrieren zu rechnen ist. Des Weiteren würden vorhandene Geschlechterungleichheiten und -stereotype reproduziert, indem es insbesondere Frauen seien, welche diese stark flexibilisierte, affektive und un(ter)bezahlte Arbeit erbringen, die das Private mit der beruflich-öffentlichen Sphäre vermischt und Weiblichkeit mit Konsum eng zusammenführt (u. a. Duffy/Pruchniewska 2017; Duffy 2017; Littler 2018). Unterschiedliche empirische Analysen haben versucht, diese eindimensionalen ‚Ausbeutungsthesen‘ herauszufordern, indem sie auf das erlebte Ermächtigungspotenzial dieser un(ter)bezahlten Arbeit verwiesen (Jarrett 2016: 96f.). Auch hier finden sich somit ambivalente Bewertungen gegenüber der Arbeit auf den Sozialen Medien. Diese sind Teil der Erfahrungswelt von Influencer*innen und prägen ihren Arbeitsalltag, indem sie einen Einfluss auf den sozialen Status ihrer Arbeit nehmen.

Annahme des vorliegenden Beitrags ist es, dass sich in den kollektiven Reflexionen über die Arbeitsbedingungen auf Instagram Verhandlungen über meritokratische (Zukunfts-)Versprechen von digitaler Arbeit zeigen. Diese Aushandlungsprozesse geben wichtige Hinweise zum Verständnis von Arbeit und sozialer Mobilität von Influencer*innen und damit zur Motivation, in diesem Bereich tätig zu werden. Obwohl es diverse Forschungen über die Arbeitsbedingungen von Influencer*innen gibt, gibt es keine Studien, die sich mit dem Metadiskurs über diese Arbeit auf Instagram selbst befassen.

Für diese explorative Studie wurde ein qualitativer, cyberethnografischer Zugang mit einer kritischen technokulturellen Diskursanalyse (Brock 2018) kombiniert, welche Technologie und Kultur als miteinander verflochten und Technologie nie als neutral, sondern als durch Machtverhältnisse strukturiert versteht. Qualitative Zugänge, die mit kleinen, dichten Datensätzen (small/thick data) arbeiten, können im Gegensatz zu Big-Data-Zugängen eine Detailgenauigkeit für spezifische Phänomene liefern, die in großen Datensätzen verloren gehen können (Losh 2015). Grundlage des vorliegenden empirischen Materials ist eine erste explorative Analyse einer Cyberethnografie von Januar 2020 bis September 2020, wobei die Partizipation der Erstautorin auf Instagram nicht auf diesen Zeitraum begrenzt ist. Sie ist seit 2017 mit einem kleinen Following auf der Plattform aktiv und partizipiert täglich. Während des Untersuchungszeitraums wurden unterschiedliche Daten in Form von Interviews, Screenshots und multimodalen Feldnotizen erhoben, die in Collagen und ein Video mit dem Titel Bossy Algorithms and the Ambiguity of Digital Labor on Instagram (Amsler 2020) flossen. Die multimodale künstlerische Umsetzung versucht, die affektiven und leiblichen Dimensionen und sinnlichen Erkenntnisse während der digitalen Partizipation einzufangen.

Während des Untersuchungszeitraums standen 15 Influencer*innen im Fokus, die sich mit sozialer Gerechtigkeit beschäftigen, machtkritische Bildungsarbeit auf ihrem Profil leisten, über ihre Beziehung zu Instagram als Arbeitsplattform auf ihrem Profil in Form von Beiträgen oder Stories referierten und die allesamt ihren Lohn nicht primär über Werbung finanzieren. Die 15 Accounts sind alle miteinander verknotet, in dem Sinne, dass sie sich ein- oder gegenseitig folgen. Diese Form von Netzwerk wurde durch algorithmische und persönliche Empfehlungen wie auch manuelle Suchen erstellt, wobei die Auswahl der Profile durch eine Varianzmaximierung im Hinblick auf ‚soziale Positionierung‘, ‚thematischer Fokus der Accounts‘, ‚un/persönlicher Account‘ geleitet wurde. Hinsichtlich der Follower*innenzahl bewegen sich alle Accounts zwischen 20 000 und 70 000, es sind somit sogenannte „micro“ und „mid-tier Accounts“. Bei dieser Follower*innenzahl kann davon ausgegangen werden, dass Möglichkeiten zur Einnahmengenerierung bestehen. Geografisch sind die Accounts im Globalen Norden situiert, wobei die Mehrheit migrantische Perspektiven zentriert und Kritik am Konzept von Nationalstaaten übt.

In Kapitel 4 werden Interviewausschnitte und Screenshots von geteilten Beiträgen und Stories der Influencer*innen und Content Creators in die Präsentation der Analyse eingebunden. Diese erste Auslegeordnung des empirischen Materials deutet darauf hin, dass Influencer*innen sich in einer sozialen Statusschwebe befinden, welche die Hauptnarrative sozialer Mobilität veruneindeutigen.

2 Digitale Transformation der Arbeitswelt: Soziale Medien und ihre trügerischen Versprechen

Die Arbeit auf Instagram ist ein Beispiel für neue Formen von digitaler kreativer Arbeit, die auf und mithilfe von Plattformen getätigt wird. Die un(ter)bezahlte digitale Arbeit wird mit unterschiedlichen Begriffen bezeichnet und somit auch in unterschiedlichen Forschungstraditionen und -zusammenhängen besprochen. Wir orientieren uns hier an den sogenannten Digital Labor Studies, da diese zum Ziel haben, Tätigkeiten, die bislang nicht als Arbeit wahrgenommen wurden, weil sie unbezahlt oder/und informell sind, sichtbar zu machen. Digital Labor beschreibt somit vorerst insbesondere unbezahlte Arbeit, die das Fundament für die digitale Ökonomie bildet (Terranova 2000). Es handelt sich dabei um wertschöpfende Aktivitäten, die von Menschen auf Internetplattformen durchgeführt werden (Casilli 2017). Plattformen wie beispielsweise Instagram sind auf diese menschliche Arbeit angewiesen, weil sie sonst inhaltslos und damit wertlos wären. Erst durch die unbezahlte Arbeit von Nutzer*innen, etwa durch das Hochladen von Bildern, Texten oder Videos, und das Liken, Teilen und Speichern von Inhalten stellen die Plattformen Wert in Form von (Meta-)Daten her, die Kapital generieren. Die Kapital-und Umsatzgenerierung der digitalen Plattformen basiert somit auf der unbezahlten Arbeit, die von den sogenannten Prosument*innen geleistet wird. Zwischenzeitlich wird digitale Arbeit nicht mehr nur als unbezahlt gefasst, sondern als „a continuum of unpaid, micropaid, and poorly paid human tasks“ (Casilli 2017: 3935). Diese un(ter)bezahlten Tätigkeiten unterscheiden sich teilweise stark voneinander, sie reichen von Arbeitsökosystemen wie die der „On-Demand Platforms“ und „Crowdwork“ über „Microwork Platforms“, wo repetitive menschliche Tätigkeiten genutzt werden, um Künstliche Intelligenz zu trainieren, bis hin zu illegalisierten Arbeiten wie das sogenannte „Click Farming“ (Casilli 2017: 3935ff.).

Obwohl sich die Plattformen und die jeweiligen Tätigkeitsfelder stark unterscheiden, ist ihnen gemein, dass sich die Arbeit auf kleine Aufträge bezieht (Gig Economy), Plattformen keine Verantwortung vergleichbar mit der von Arbeitgebenden übernehmen und dies zu unsicheren und prekären Arbeitsbedingungen führt. Trotz dieser Abwesenheit von Verantwortung gestalten die Infrastrukturen der Plattformen den Arbeitsalltag maßgebend, so spricht Duffy (2020) beispielsweise von einer algorithmischen Prekarität. Dieser Einfluss und Umgang mit den Infrastrukturen ist bis anhin insbesondere in der Forschung über Soziale Medien jedoch noch zu wenig untersucht worden (O’Meara 2019).

Diese unterschiedlichen kleinen Aufträge auf und durch Plattformen können als Kehrseite der Arbeit des mythischen weißen, männlichen Brogrammers oder Softwareentwicklers verstanden werden, der von den Annehmlichkeiten und Vorteilen der großen multinationalen Tech-Firmen profitiert (Gregg/Andrijasevic 2019: 3). Die unterbezahlten und prekären Arbeiten werden größtenteils von marginalisierten Personen durchgeführt. Somit reihen sich diese neuartigen Arbeitsplätze in die vergeschlechtlichte, rassifizierte und klassistische Geschichte der Tech-Industrie ein (Hicks 2017). Bereits die Herstellung digitaler Technologien ist in globale Ungleichheiten verstrickt. Die Netzinfrastrukturen, die für die Produktion von digitalen Technologien gebildet werden müssen, bestehen nicht nur aus Leitern, Knoten und Geräten. Sie hängen von einer arbeitsintensiven Ökonomie, Kassiterit-und Kobaltgewinnung, Halbleiterherstellung und der Produktion von Glasfaserkabeln im Globalen Süden ab (Bailey/Gossett 2018; Noble 2019). Die Tech-Branche und ihre großen Unternehmen bauen somit in zweifacher Weise auf unterbezahlten marginalisierten Arbeiter*innen auf: in der Produktion wie auch in der Ausführung/Nutzung der jeweiligen Technologien. Digitale Technologien und digitale Arbeit werden im medialen Diskurs aber selten in diesen Zusammenhängen gesehen, sondern aus den jeweiligen Entstehungskontexten herausgehoben und oft als eine Art Allheilmittel konzipiert, das Verbesserung und Fortschritt verspricht (Roderick 2016: 94). So ist es nicht zufällig, dass hier zwei Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten zusammenfallen: einerseits die große Schulden-und Finanzkrise und in der Folge eine Zunahme sozialer Ungleichheiten sowie prekärer Arbeits-und Lebensverhältnisse (Whelan/Maître 2005, 2008; Groh-Samberg 2004, 2009, 2010; Hübinger 1996) und auf der anderen Seite die Ausbreitung digitaler Plattformen. Es ist vor dieser Kulisse einer allgemeinen Verunsicherung, wie sie die Prekarisierungsdebatte für westeuropäische Länder (Bourdieu 1998; Brinkmann/Dörre/Röbenack 2006; Marchart 2013) skizziert, dass digitale Arbeit als Hope Labor konzipiert und damit den allgemeinen Abstiegsängsten entgegengesetzt wird, als eine Art Zukunftsversprechen im Sinne einer meritokratischen Investition: Digitale Arbeit ist von der Motivation oder eben Hoffnung getragen, dass die aktuell geleistete, un(ter)bezahlte Arbeit nur ein vorübergehender Zustand ist, der in naher Zukunft durch eine besser bezahlte Beschäftigung abgelöst wird (Kuehn/Corrigan 2013: 10ff.; Duffy 2017: 10). Im Feld von Sozialen Medien verspricht Hope Labor zudem, für das eigene „passion project“ (Duffy 2017: 4) bezahlt zu werden, soziales und kulturelles Kapital zu erlangen, die*der eigene Chef*in und nicht von der Arbeit entfremdet zu sein.

Verschiedene feministische Forschende haben aufgezeigt, inwiefern diese Versprechen nicht einlösbar sind, und verweisen darauf, dass digitale Arbeit auf Sozialen Medien stark vergeschlechtlicht ist, vergleichbar mit Care-Arbeit, die meist un(ter)bezahlt ist, nicht als Arbeit wahrgenommen wird, außerhalb von ‚formaler‘ Arbeit stattfindet und eine ähnliche ökonomische Funktion einnimmt, indem sie durch un(ter)bezahlte Arbeit Produktionskosten in einem kapitalistischen System senkt. „Die Unsichtbarkeit der Hausarbeit ist eine Funktion ihrer Unbezahltheit. […] Für die moderne Ökonomie jedoch, die denjenigen Gesellschaftsbereich untersucht, wo Geld gegen Arbeit getauscht wird, bleibt unbezahlte Arbeit notwendig unsichtbar“ (Bock/Duden 1977: 120). Un_sichtbarkeiten spielen bei der Arbeit auf Sozialen Medien auf mehreren Ebenen eine Rolle, denn obwohl die Arbeit oft nicht als solche valorisiert wird, ist die Tätigkeit auf eine Hypervisibilität angewiesen, um überhaupt Follower*innen gewinnen zu können. Diese Sichtbarkeit kann gleichzeitig bei kritischen Inhalten dazu führen, dass Instagrams Infrastruktur versucht, die Accounts weniger sichtbar zu machen (sogenanntes Shadowbanning). Des Weiteren ist die digitale Arbeit auf Sozialen Medien ein Ort der sozialen Reproduktion: Es werden soziale, affektive und psychologische Seinszustände hergestellt und es stehen affektive und organisatorische Tätigkeiten im Vordergrund (Jarrett 2016: 71). Ähnlich wie bei der Debatte über Care-Arbeit gibt es Positionen, welche die Arbeit als ausbeuterisch oder aber als handlungsermächtigend und selbstbestimmt sehen. Eine weitere Affinität lässt sich im Metadiskurs über digitale Technologien finden: Digitale Technologien sind entweder heilsbringend oder dämonisch – ausbeuterisch oder ermächtigend. Die Arbeit auf Sozialen Medien wird meist entlang dieser Binarität charakterisiert – ein Großteil der Forschung versucht, für einen der Pole zu argumentieren. Jarrett schlägt jedoch vor, dass feministische Forschung gerade die Aufgabe hat, diese Binarität theoretisch zu beunruhigen, indem die Arbeit als eine hybride Tätigkeit gefasst werden sollte, die ebenso ermächtigend und sozial bedeutsam wie auch ausbeuterisch sein kann (Jarrett 2016: 19).

Die Ambivalenz, welche mit der digitalen Arbeit auf Sozialen Medien einhergeht, steht im Fokus des vorliegenden Beitrags. Dabei interessiert insbesondere, wie – trotz aktueller Unsicherheit – über Möglichkeiten sozialer Mobilität nachgedacht wird und wie dieses Zukunftsversprechen auf digitalen Plattformen ausgehandelt wird. Es ist deshalb zentral, auf den Terminus der sozialen Mobilität noch genauer einzugehen. Für die vorliegende Analyse wird soziale Mobilität handlungstheoretisch gefasst, „als eine Form, in der Menschen mit sozialer Ungleichheit umgehen, in der sie diese für sich beweglich und veränderbar machen“ (Voswinkel 2013: 2). Soziale Mobilität bzw. sozialer Aufstieg ist damit nicht einzig als Positionswechsel im sozialen Raum zu verstehen, der rein deskriptiv „neutrale Vorgänge“ beschreibt (Voswinkel 2013: 2). Im Vordergrund des Interesses stehen hier vielmehr „Hoffnungen und Enttäuschungen“, die mit sozialer Mobilität oder vielmehr ihrem Versprechen einhergehen (Voswinkel 2013: 36). Voswinkel führt hierzu weiter aus, dass mit diesem Aufstiegsversprechen ganz unterschiedliche Erwartungen einhergehen, die über eine rein materielle Besserstellung (im Sinne von mehr Einkommen) hinausgehen können und beispielsweise auch einen Zuwachs an Bildung, Einfluss oder Macht oder auch mehr Autonomie in der Lebensgestaltung umfassen: „Aufstieg verspricht in diesem Sinne eine erweiterte Entfaltung des Selbst“ (Voswinkel 2013: 5). Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Differenzierung zwischen vertikaler und horizontaler Mobilität, wobei auch ein „horizontaler Positionswechsel als ein Aufstieg im Sinne einer Verbesserung des Prestiges“ verstanden werden könne, „hier allerdings in Abhängigkeit von der Bewertung durch ein Individuum oder Milieu“ (Voswinkel 2013: 10).

Die folgenden Kapitel 3 und 4 gehen diesen Dynamiken sozialer Mobilität in ihrer Widersprüchlichkeit nach, indem die Ambivalenz sozialer Positionierung im virtuellen Raum näher untersucht wird.

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Sie möchten gerne weiterlesen? Dieser Beitrag ist in dem Heft 3-2021 der GENDER – Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft erschienen.

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