„Für den Aufbau einer coachenden Haltung braucht es vor allem eines: den Wunsch, sich selbst zu entwickeln” – Interview mit Andrea Klein, Autorin von „Mit Freude lehren”

Interview mit Andrea Klein

Schritt für Schritt eine coachende Haltung aufbauen und die Veränderungen in der Lehre und bei der Betreuung von Studierenden erfahren: Wir haben ein Interview mit Autorin Andrea Klein zu ihrem Buch Mit Freude lehren. Was eine coachende Haltung an der Hochschule bewirkt geführt.

 

Interview mit Andrea Klein

 

Liebe Andrea Klein, Ihr Buch Mit Freude lehren erschien gerade als utb-Taschenbuch. Welche Erfahrungen gehen dem Buch voraus?

Freude kommt vielen Lehrenden nicht als erstes Wort in den Sinn, wenn sie an die Lehre denken. Sie verspüren eher Belastung und Frust. Es entsteht ja oft auch ein hoher zeitlicher und gedanklicher Aufwand durch die Lehre. Wenn dann die Dinge nicht wie gewünscht funktionieren, ist das frustrierend. Solche Situationen kenne ich selbstverständlich auch.

Was manchen Lehrenden allerdings verborgen bleibt, ist die Freude im Zusammenhang mit der Lehre. Ich verspüre oft schon Vorfreude, wenn eine bestimmte Veranstaltung ansteht, und natürlich auch Freude bei deren Durchführung. Inhaltlich fällt meine Lehre in den Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens, was oft als sehr trocken und langweilig empfunden wird. Das war dann für einige Kolleg:innen zusätzlich irritierend, dass ich dabei Freude empfand. Im Laufe der Zeit merkte ich, dass ich da anscheinend etwas anders mache und mit einer anderen Haltung in die Lehre gehe als viele andere.

 

Sie regen eine „coachende Haltung“ von Lehrenden an. Was genau ist darunter zu verstehen, welche Eigenschaften brauche ich dafür?

Die coachende Haltung basiert auf drei Elementen, die auch für Coaching grundlegend sind: systemisches Denken, Konstruktivismus und die sogenannte lethologische Haltung. Was sich hinter diesen Begriffen verbirgt und wie man sie für die Lehre nutzbar macht, ist im Buch ausführlich erläutert. Großen Wert lege ich darauf, dass das Lehren aus der coachenden Haltung heraus noch lange kein Coaching ist. Der Begriff des Coachings wird meiner Meinung nach zu schnell für die verschiedensten Aktivitäten verwendet, da er leider noch nicht geschützt ist.

Für die coachende Haltung braucht es Offenheit, Neugier und Empathie einerseits, aber andererseits auch die Fähigkeit, sich abzugrenzen und den Studierenden zu vertrauen, oder besser: ihnen etwas zuzutrauen. Was dann entsteht, trägt alle Beteiligten.

 

Wie lerne ich eine coachende Haltung, welche Schritte gehören dazu?

Für den Aufbau einer coachenden Haltung braucht es vor allem eines: den Wunsch, sich selbst zu entwickeln. Auch wer jahrzehntelange Erfahrung mitbringt, darf sich noch entwickeln. Damit meine ich keine oberflächliche Veränderung, wie beispielsweise das schnelle Aneignen einer bestimmten Methode oder von didaktischen Finessen in einem Workshop. Vielmehr denke ich an einen längeren Prozess der Auseinandersetzung mit dem eigenen Verständnis von Lehren und Lernen. Das betrifft die Rolle der Lehrperson und die verschiedenen Arten von Expertise, hängt aber auch ganz grundlegend mit dem Menschenbild zusammen.

Um sich mit all dem auseinanderzusetzen, sind Zeit, Raum und Ruhe hilfreich. Unter Umständen sind auch eine gewisse Selbstsicherheit und vielleicht sogar Mut nötig, wenn das direkte Umfeld an der Hochschule noch eher klassisch lehrt.

 

Sind die Erwartungen an Lehrende an Hochschulen in den vergangenen Jahren gestiegen?

Definitiv. Zunächst ist da die Umstellung auf Online-Lehre während der Corona-Pandemie. Wer das gut machen wollte und noch nicht über Erfahrung mit Online-Lehre verfügte, hatte hier alle Hände voll zu tun. Jetzt scheinen einige Hochschulen das Rad der Zeit zurückzudrehen und komplett zur Präsenzlehre zurückzukehren. In der Hinsicht sollte die Frage umgekehrt lauten, ob nicht mittlerweile die Lehrenden höhere Erwartungen an die Hochschulen als Arbeit- oder Auftraggeber stellen.

Ein weiterer Punkt betrifft die Erwartungshaltung der Studierenden an die Lehrenden. Da klafft es mittlerweile innerhalb der Kohorten nach meiner Wahrnehmung sehr auseinander. Ein Teil der Studierenden möchte gern „an die Hand genommen“ und regelrecht zum Abschluss geführt werden. Da ist die Erwartung an die Lehrperson, die Inhalte doch bitte so aufzubereiten und die Wege so vorzubereiten, dass es möglichst keiner größeren Anstrengung mehr bedarf. Ein anderer Teil der Studierenden ist kritischer, möchte nicht einfach alles vorgesetzt bekommen, sondern sich einbringen und sich durch das Studium auch persönlich entwickeln. Diese beiden Erwartungshaltungen zu vereinbaren, stellt hohe Ansprüche an die Lehrenden und sei es nur durch die Abgrenzung in der Frage „Was will ich leisten, was nicht?“

 

Darum bin ich Autorin bei Budrich

Dieses Buch ist überhaupt erst entstanden, weil Miriam von Maydell, die Leiterin des Lektorats bei Budrich, auf mich zukam. Sie hat auch eine Coaching-Ausbildung absolviert und es war ihre Idee, die Felder Coaching und Hochschule auf diese besondere Art zu verbinden. Den Zusammenhang der beiden Felder mit dem Begriff der Freude brachte ich dann in das erste Grobkonzept ein. Es war für mich in allen Phasen bis zum Fertigstellen des Buchs sehr bereichernd, eine fachlich so kompetente Ansprechpartnerin an meiner Seite zu haben. Und auch die Zusammenarbeit mit dem restlichen Team hat sich immer sehr angenehm und zielführend gestaltet.

 

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Andrea Klein:

Mit Freude lehren. Was eine coachende Haltung an der Hochschule bewirkt

Leseprobe

 

 

 

Die Autorin: Andrea Klein

Dr. Andrea Klein arbeitet als Dozentin, Coach und Autorin im Bereich Wissenschaftliches Arbeiten und Forschen. Im Jahr 2019 hat sie den Online-Kongress „Studienfeuer“ ins Leben gerufen (www.studienfeuer.de). In hochschuldidaktischen Workshops entwickelt sie mit Dozierenden Herangehensweisen für die Lehre sowie für die Betreuung und Begutachtung studentischer Arbeiten. Ihr Fach-Blog www.wissenschaftliches-arbeiten-lehren.de richtet sich ebenfalls an Dozierende. Aktuell leitet Andrea Klein eine Arbeitsgruppe, die einen Referenzrahmen für wissenschaftliches Arbeiten konzipiert.

 

 

Über das Buch

Wenn Lehrende Freude an ihrer Tätigkeit empfinden, fühlen sich Lehren und Lernen leichter an und alle Beteiligten sind zufriedener. Was aber, wenn sich die Freude einfach nicht einstellen mag? Weitere didaktische Tools und Methoden bringen die Lehrenden in dieser Situation nur bedingt voran. Die Lehrenden erfahren in diesem Buch stattdessen, wie sie Schritt für Schritt eine coachende Haltung aufbauen und welche Veränderungen das in der Lehre und bei der Betreuung von Studierenden bewirkt. Diese grundlegend andere Herangehensweise an die Lehre hilft dabei, Motivation und Freude neu zu entdecken.

 

© Autorinnenfoto: privat | Titelbild gestaltet mit canva.com