Gesamtgesellschaftliche Geschlechterungleichheiten spiegeln sich auch in dem Berufsfeld der Pädagogik wider. Der Sammelband befasst sich mit fortbestehenden und neuen Problemlagen in pädagogischen Berufen aus professionsgeschichtlicher, bildungssystematischer und berufssoziologischer Perspektive. Dabei zeigt sich die Verwobenheit von Berufsgeschichte und Geschlechterverhältnissen, aus der sich auch Erkenntnisse für die Professionsentwicklung ableiten lassen.
Leseprobe: S. 7-14
Einleitung: Geschlecht, Bildung, Profession – Einordnungen ins Themenfeld
Susanne Burren, Sabina Larcher
Veränderungen hin zur Gleichstellung der Geschlechter sind in der Schweiz auf politischer und gesellschaftlicher Ebene zögerlich verlaufen. Zwar setzte sich eine frühe Frauenbewegung bereits im neunzehnten Jahrhundert für das Stimm- und Wahlrecht der Frauen ein, dieses wurde allerdings erst 1971 – also beim Erscheinen dieses Bandes vor fünfzig Jahren – auf nationaler Ebene politisch verankert. In den 1940er bis 1960er Jahren erwies sich die föderative Schweiz als frauenpolitisch heterogener Raum, international gesehen aber zunehmend als Sonderfall. Dies zeigte sich verschärft, als die männliche Stimmbevölkerung in einer Abstimmung vom Februar 1959 die Vorlage für ein nationales Frauenstimmrecht ablehnte. Die Berufsgruppe der Lehrerinnen spielte in den öffentlichen Reaktionen darauf eine spezifische Rolle: Aus Protest traten die Lehrerinnen des Basler Leonhardgymnasiums in den Streik und legten ihre Arbeit für einen Tag nieder. Die Aktion erregte große öffentliche Aufmerksamkeit und löste eine Flut von Medienberichten sowie von Reaktionen aus, die von Entrüstung bis hin zu Sympathiebekundungen und Solidarisierungen reichten (siehe Beitrag von Joris in diesem Band). Auch politisch blieb die Manifestation der Lehrerinnen nicht folgenlos. Nachdem verschiedene Westschweizer Kantone das kantonale Frauenstimmrecht bereits ab Ende der 1950er Jahre eingeführt hatten, folgten Basel-Stadt (1966) und Basel-Landschaft (1968) als erste Kantone in der Deutschschweiz.
Der Sammelband „Geschlecht, Bildung, Profession“ nimmt sowohl Bezug auf das fünfzigjährige Jubiläum des nationalen Frauenstimmrechts wie auch auf das sechzigjährige Jubiläum des Basler Lehrerinnenstreiks. Als wichtige Episode der langwierigen Bestrebungen um politische Gleichberechtigung steht der Lehrerinnenstreik exemplarisch für die vielfältigen Berührungspunkte zwischen Berufs- und Geschlechtergeschichte im pädagogischen Professionsfeld.
Zum Kontext des Bandes
Gesamtgesellschaftliche Geschlechterungleichheiten spiegeln sich in der Geschichte des Lehrberufs sowohl in synchroner wie auch asynchroner Perspektive wider. Vor diesem Hintergrund vereint der Sammelband auf einer breiten Basis weiterführende Erkenntnisse zur Geschlechterfrage im Lehrberuf bzw. im Professionsfeld. Dabei werden bildungshistorische Zugänge neben solche aus der Pädagogik und Soziologie gestellt und damit der Blick auch auf das aktuelle Zeitgeschehen gerichtet. Der Band versammelt Beiträge, die fortbestehende oder neue Geschlechterungleichheiten zur Diskussion stellen, entsprechende Problemlagen eruieren und daraus Erkenntnisse für die Professionsentwicklung ableiten. Die Beiträge setzen sich so unter anderem mit der Professionsgeschichte auseinander; weiter werden Ambivalenzen des gleichstellungspolitischen Auftrags der Schule herausgearbeitet sowie Zusammenhänge zwischen gesellschaftlicher Geschlechterordnung, Bildungssystemstruktur und Berufswahlmotiven sowie Laufbahnverläufen von Lehrer*innen beleuchtet. Die Analysen beziehen sich hauptsächlich auf die deutschsprachige Schweiz, gleichzeitig ordnen sie sich in die aktuelle Diskussion zu Geschlechterungleichheiten in Ausbildung und Berufstätigkeit von Lehrpersonen ein. Sie liefern damit Hinweise, die über das deutschschweizerische Feld hinaus relevant sind.
Anlass für dieses Buch war die von der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz ab Sommer 2019 lancierte öffentliche Gesprächsreihe „Geschlecht Bildung Profession“. Diese setzte sich zum Ziel, mit Gästen aus Wissenschaft, Berufspraxis, Bildungsverwaltung und Politik über aktuelle Fragestellungen ins Gespräch zu kommen. Für jeden der vier geplanten Termine der Reihe wurden Expertinnen damit beauftragt, den Forschungsstand zu einer Teilfrage aufzuarbeiten. Die im Kontext der Referatsreihe entstandenen fünf Texte von Elisabeth Joris, Béatrice Ziegler, Diana Baumgarten/Andrea Maihofer, Sandra Hupka-Brunner und Christa Kappler werden im Sammelband ergänzt durch vier weitere Beiträge von Claudia Crotti, Katrin Kraus, Elena Makarova/Jana Lindner/Nadine Wenger sowie Regula Julia Leemann/Andrea Pfeifer Brändli/Christian Imdorf/Sandra Hafner.
Geschlechterungleichheiten sind im pädagogischen Professionsfeld in mindestens zweierlei Hinsicht relevant: Einerseits gilt es, Geschlechterungleichheiten im Lehrberuf in den Blick zu nehmen. Hier interessiert, inwiefern auch in diesem Berufsfeld Professionalisierungsprozesse mit hierarchisierenden Geschlechter- und Arbeitsbeziehungen einhergingen oder immer noch durch solche geprägt werden (vgl. Wetterer 1992). Andererseits stellt sich die Frage, welche spezifischen Anforderungen sich angesichts gesellschaftlicher Geschlechterungleichheiten an das berufliche Handeln von Lehrpersonen stellen. Dabei rückt Geschlechtergerechtigkeit als Aspekt der Professionalität von Lehrpersonen in den Blick. Die tendenzielle Marginalisierung dieser beiden Perspektiven kommt deutlich darin zum Ausdruck, dass pädagogische Professionalisierungstheorien bisher mit wenigen Ausnahmen weder Geschlecht noch Vergeschlechtlichungsprozesse explizit aufgegriffen haben (Larcher 2005a; Baar/Hartmann/Kampshoff 2019).
Bei der Frage nach vergeschlechtlichten Arbeitsbeziehungen im Kontext der Professionsentwicklung belegen historische Untersuchungen für die Schweiz eine spannungsvolle Einbindung der Frauen in die Lehrtätigkeit (Crotti 2005; Joris 2011): Lehrerinnen setzten sich im 19. und 20. Jahrhundert für die politische Partizipation von Frauen sowie für deren Recht auf Ausbildung und Berufsausübung ein. Die Inklusion weiblicher Lehrpersonen in das pädagogische Berufsfeld erfolgte bereits früh, blieb aber lange von formalen Ungleichheiten wie Lohnunterschiede und dem Lehrerinnenzölibat geprägt. Befürchtungen, dass zu viele Frauen in den Beruf eintreten könnten und entsprechende Ausschließungsstrategien erweisen sich als kontinuierliches Element in der Professionsgeschichte (siehe Beitrag von Crotti in diesem Band). Heute sind Frauen in der Schweiz wie in anderen europäischen Ländern in den tieferen Schulstufen sowie in der Logopädie und der Sonderpädagogik sehr stark vertreten. Im Bereich der obligatorischen Schule (Primarstufe und Sekundarstufe I) macht ihr Anteil 75 % aus. Ab der Sekundarstufe II verändert sich das Geschlechterverhältnis zugunsten der Männer, ebenso sind diese in schulischen Führungspositionen überproportional vertreten (BFS 2018).
Im deutschsprachigen Raum erlebte die unter dem Stichwort „Feminisierung der Schule“ geführte Diskussion zum steigenden Frauenanteil in den 1990er Jahren eine erneute Intensivierung. Im Fokus der polemisierten Debatte standen vor allem mögliche Konsequenzen dieser Entwicklung für den Bildungserfolg von Jungen und für die Schulentwicklung. Mittlerweile hat sich die Aufregung etwas gelegt, nachdem hinreichend nachgewiesen wurde, dass das Geschlecht der Lehrperson keinen Einfluss auf die Unterrichtsqualität hat und auch mit Geschlechterunterschieden beim schulischen Kompetenzerwerb in keinem direkten Zusammenhang steht (Stamm 2020; Helbig 2011; Faulstich-Wieland 2011). Die Feminisierungs-Debatte implizierte eine Abwertung der Arbeit von Lehrerinnen, während die Kontinuität traditioneller Geschlechterhierarchien im Professionsfeld ausgeblendet wurde. Auch weiterhin arbeiten Frauen mehrheitlich in den weniger gut bezahlten und weniger angesehenen Berufsbereichen des Kindergartens und der Primarschule. Noch immer zeigen sich getrennte Arbeitsbereiche, in welchen sich die gesellschaftliche Geschlechterordnung abbildet (Larcher 2002; 2005b). Daran haben bisher auch Bemühungen um eine fortschreitende Professionalisierung der Lehrberufe, die in der Schweiz ab den 1990er Jahren in einer Tertiarisierung der Lehrpersonenausbildung auch für die tieferen Schulstufen mündeten, wenig geändert (Criblez/Lehmann/Huber 2016).
Neben solchen berufshistorischen und -soziologischen Fragen, sind Geschlechterungleichheiten auch aus pädagogischer Perspektive professions 10 relevant. In der Literatur zur geschlechtergerechten Bildung wird ein reflektierter Umgang mit geschlechtsbezogenen Normalitätskonstruktionen als wichtiger Aspekt pädagogischer Professionalität gewertet (Baar/Hartmann/Kampshoff 2019; Glockentöger/Adelt 2017). Dies auch unter Bezugnahme auf die Frage, wie Bildung dazu beitragen kann, aus gesellschaftlichen Geschlechterverhältnissen resultierende Ungleichheiten und Stereotype als solche zu erkennen und auf dieser Grundlage einen Möglichkeitsraum für alternative Einstellungen und Praktiken zu eröffnen (Rendtorff 2016). In jüngerer Zeit erlebt die Diskussion um eine geschlechtergerechte Pädagogik eine Wiederbelebung und Vertiefung. Neuere Ansätze richten ihre Aufmerksamkeit beispielsweise auch auf die Vielfältigkeit sexueller Orientierungen und Geschlechtsidentitäten jenseits einer zweigeschlechtlichen Ordnung (u. a. Hartmann/Messerschmidt/Thon 2017). Vermehrt wird zudem die Interdependenz von Geschlecht mit weiteren Differenzkategorien im Sinne einer intersektionalen Perspektive in den Blick genommen (Walgenbach 2017; Riegel 2016).
Die Weitervermittlung geschlechtsbezogener Hierarchisierungen und Ausschlüsse stellt eine wirkungsmächtige Dimension schulischen Lehrens und Lernens dar. Für die pädagogische Praxis ist deshalb die Erkenntnis zentral, dass Geschlecht, „obwohl es nicht zum schulischen Fächerkanon gehört, trotzdem täglich gelehrt wird im Kontext von Schule“ (Wedl/Bartsch 2015: 11f.). Auch in der Schule werden – vielfach unbewusst – Geschlechterbilder reproduziert und stereotype Zuweisungen vorgenommen. Die im Sammelband thematisierte Wechselbeziehung zwischen gesellschaftlichen Geschlechterungleichheiten und den Ungleichheiten im Lehrberuf, lässt sich somit nicht nur auf die Geschichte und Soziologie des Berufs beziehen, sondern auch auf dessen Praxis.
Aufbau des Bandes
Der Band ist in drei Teile gegliedert: Zunächst richtet sich der Fokus darauf, wie Geschlechterungleichheiten die Professionsgeschichte geprägt haben und wie sich Pädagog*innen im historischen Verlauf dazu positionierten. Im zweiten Teil werden Teilfragen zur pädagogischen Praxis unter dem Aspekt der Geschlechtergerechtigkeit resp. eines diesbezüglichen Auftrags der Profession diskutiert. Der dritte Teil des Bandes fokussiert auf den Fragebereich, wie und aus welchen Gründen sich in den Bildungslaufbahnen ins Professionsfeld von Lehrpersonen weiterhin eine deutliche Geschlechtersegregation zeigt.
Im ersten Teil – Historische Perspektiven auf Geschlecht und Professionsentwicklung – steht die Verwobenheit der Professionsgeschichte mit den historischen Geschlechterverhältnissen im Fokus. Dabei wird nachgezeichnet, wie Geschlechterungleichheiten die Professionalisierungsgeschichte im pädagogischen Berufsfeld beeinflussten. Elisabeth Joris zeigt in ihrem Beitrag, dass sich Pädagoginnen historisch auf Gleichstellungsanliegen bezogen und damit gesellschaftsreformerische Ansätze vertraten, die sich auch für die Professionsentwicklung als folgenreich erwiesen: Im 19. Jahrhundert waren Fragen nach der beruflichen Identität von Frauen als Lehrerinnen eng mit solchen nach deren gesellschaftspolitischer Partizipation verbunden und wirkten als sich gegenseitig dynamisierende Faktoren. Im Kontext der Professionsentwicklung zeigten sich somit Mechanismen, die Frauen tendenziell aus gut qualifizierten Tätigkeitsbereichen ausschlossen. Claudia Crotti beleuchtet in diesem Kontext Strategien zur Steuerung der weiblichen Lehrtätigkeit ab dem 19. Jahrhundert. Diese spitzten sich im Lehrerinnenzölibat zu und mündeten nach dem Zweiten Weltkrieg in eine Debatte über das Doppelverdienertum, die verheirateten Frauen das Recht auf eine selbstständige ökonomische Existenz absprach. Der ebenfalls historisch ausgerichtete Beitrag von Katrin Kraus nimmt eine etwas andere Perspektive auf den Themenkomplex Geschlecht, Bildung, Profession ein. Er setzt sich mit dem erziehungstheoretischen Denken von Anna Siemsen (1882–1952) und deren Positionierung zur Frauen- und Mädchenbildung sowie zur Bildung von Lehrpersonen auseinander. Dabei wird Siemsens soziologisch orientierte Perspektive auf Bildung in Bezug gesetzt zu heute relevanten Konzepten wie insbesondere jenem der sozialen Innovation und deren Bedeutung für die Erweiterung resp. Veränderung professioneller Handlungsrepertoires.
Im zweiten Teil des Sammelbandes – Schule macht Geschlecht? Teilfragen zum Auftrag der Profession – wird die Frage nach dem gleichstellungspolitischen Auftrag von Lehrpersonen aufgeworfen. Geschlechterungleichheiten und geschlechtsbezogene Stereotype wirken auf die Schule und auf den Unterricht ein, es gehört aber auch zu den Aufgaben der Profession, diese zu problematisieren. Lehrpersonen sind dazu angehalten, Ungleichheiten in ihrem Unterricht zu reflektieren und Schülerinnen und Schüler darin zu unterstützen, sich selbst mit entsprechenden Rollenzuschreibungen auseinanderzusetzen. Béatrice Ziegler erläutert am Beispiel der Politischen Bildung, welche didaktischen Anforderungen sich durch den gesetzlich verankerten Anspruch auf Geschlechtergerechtigkeit an die Schule stellen. Ihre Herleitung einer geschlechtergerechten Didaktik orientiert sich an der für die Politische Bildung zentralen Zielsetzung, Kinder und Jugendliche angemessen an eine Partizipationsfähigkeit in der demokratischen Gesellschaft heranzuführen. Elena Makarova, Jana Lindner und Nadine Wenger beleuchten in ihrem Beitrag die Frage nach einem geschlechtergerechten Unterricht im Fachbereich Physik. Sie untersuchen, wie Physik-Lehrpersonen der Sekundarstufe II diese Frage beurteilen und welche Bedeutung sie dabei sprachlichen und bildlichen Darstellungen in Lehrmitteln beimessen. Weiter interessiert, wie die Lehrpersonen ihr eigenes pädagogisches Handeln bezüglich einer geschlechtersensiblen Unterrichtsgestaltung einordnen.
Im dritten und letzten Teil des Bandes – Geschlechterordnung im pädagogischen Beruf: Ungleichheiten in Ausbildungswegen und Laufbahnen – werden geschlechtsspezifische Unterschiede in den Ausbildungs- und Berufsverläufen diskutiert. Der Lehrberuf ist ein interessantes Beispiel dafür, wie Berufe generell durch horizontale und vertikale geschlechtliche Segregation geprägt sind. Diese Segregation der Berufsfelder wird durch Schulsystemstrukturen, die Modelle der Zugänge und Übergänge etc. organisieren, vorgeformt und wirkt sich nicht nur einschränkend auf die Berufswahl und die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten der Einzelnen aus, sondern bestätigt in der Tendenz auch vergeschlechtlichte Formen der gesellschaftlichen und familiären Arbeitsteilung. Diana Baumgarten und Andrea Maihofer beginnen ihren Beitrag mit einer historischen Herleitung des Familienernährermodells und stellen damit ihre berufs- und geschlechtersoziologische Perspektive in eine aufschlussreiche Verbindung zu den bildungshistorischen Analysen im ersten Teil des Sammelbandes. Anschließend setzen sie sich mit den aktuellen vergeschlechtlichten Verhältnissen von Erwerbsarbeit und Elternschaft auseinander und leiten daraus Thesen ab, die sich auch auf die Geschlechtersegregation im pädagogischen Berufsfeld beziehen lassen. Sandra Hupka-Brunner verdeutlicht in ihrem Beitrag, dass Ausbildungsverläufe in der Schweiz generell einer starken Geschlechtersegregation unterliegen. Im Bereich der Lehrkräfteausbildung zeigen sich solche Segregationsprozesse besonders deutlich, gleichzeitig nehmen Lehrpersonen als Akteur*innen eine wichtige Funktion bei der Begleitung von Jugendlichen im Berufswahlprozess ein. Christa Kappler geht der Bedeutung von Geschlecht für den Bildungsweg anhand der Studien- und Berufswahlmotive zukünftiger Lehrpersonen der Primarstufe nach. Sie weist auf Erklärungen hin, weshalb Frauen dieses Berufsziel eher anstreben als Männer und diskutiert Geschlechterunterschiede hinsichtlich des Beschäftigungsgrads und der Berufsbiografien aufgrund von Erwerbsunterbrüchen. Regula Julia Leemann, Andrea Pfeifer Brändli, Christian Imdorf und Sandra Hafner vergleichen drei unterschiedliche Zugangswege zur Lehrpersonenausbildung – Gymnasium, Fachmittelschule und berufliche Grundbildung – in Hinblick auf die darin jeweils vorliegenden Geschlechteranteile. In allen drei Zugangswegen wählen Frauen häufiger die Lehrpersonenausbildung als Männer, allerdings unterscheidet sich das Ausmaß deutlich. Dabei fällt beispielsweise auf, dass beim Zugangsweg der beruflichen Grundbildung (inkl. Aufnahme- oder Ergänzungsprüfung) anteilsmäßig mehr Männer als Frauen den Weg ins Studium an einer Pädagogischen Hochschule finden.
Gesellschaftliche Geschlechterungleichheiten erweisen sich im pädagogischen Berufsfeld in verschiedener Hinsicht als weiterhin bedeutsam. Dabei zeigen sich aber auch dynamisierende Faktoren, das soll auch und gerade im Hinblick auf die Zukunft angesprochen werden: Für die Schweiz lässt sich diesbezüglich festhalten, dass gegenwärtig ein – wenngleich verhaltenes – Aufbrechen der geschlechtsspezifischen Verteilung bezahlter und unbezahlter Arbeit zu beobachten ist. Während die Erwerbsorientierung von Frauen nach wie vor zunimmt, wächst die Familienorientierung der Männer – wenn auch in geringerem Maße – und damit die Bereitschaft eines Engagements bei der Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen. Diese Veränderungen werden sich auch für Fragen zu Geschlecht, Bildung und Profession im Lehrberuf als relevant erweisen.
Literatur
Baader, Meike/Breitenbach, Eva/Rendtorff, Barbara (2021): Bildung, Erziehung und Wissen der Frauenbewegungen: eine Bilanz. Stuttgart: Kohlhammer.
Baar, Robert/Hartmann, Jutta/Kampshoff, Marita (Hrsg.) (2019): Geschlechterreflektierte Professionalisierung – Geschlecht und Professionalität in pädagogischen Berufen. Opladen/Berlin/Toronto: Barbara Budrich.
Bundesamt für Statistik Schweiz BFS (2018): Personal von Bildungsinstitutionen. Ausgabe 2018. https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bildung-wissenschaft/personal-bildungsinstitutionen.assetdetail.6446983.html [Zugriff: 04.07.2021].
Criblez, Lucien/Lehmann, Lukas/Huber, Christina (2016): Lehrerbildungspolitik in der Schweiz seit 1990. Kantonale Reformprozesse und nationale Diplomanerkennung. Zürich: Chronos.
Crotti, Claudia (2005): Lehrerinnen – frühe Professionalisierung. Professionsgeschichte der Volksschullehrerinnen in der Schweiz im 19. Jahrhundert. Bern: Lang.
Faulstich-Wieland, Hannelore (2011): Werden tatsächlich Männer gebraucht, um Bildungsungleichheiten (von Jungen) abzubauen? In Hadjar, Andreas (Hrsg.): Geschlechtsspezifische Bildungsungleichheiten. Wiesbaden: VS, S. 393–415.
Glockentöger, Ilke/Adelt, Eva (Hrsg.) (2017): Gendersensible Bildung und Erziehung in der Schule. Grundlagen – Handlungsfelder – Praxis. Göttingen: Waxmann.
Hartmann, Jutta/Messerschmidt, Astrid/Thon, Christine (Hrsg.) (2017): Queertheoretische Perspektiven auf Bildung. Pädagogische Kritik der Heteronormativität. Opladen, Berlin, Toronto: Barbara Budrich.
Helbig, Marcel (2011): Es sind nicht die Lehrerinnen: Empirische Belege zum Geschlecht der Lehrkraft und dem Schulerfolg der Kinder. In: Bulletin Texte, Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien, Humboldt-Universität zu Berlin.
Joris, Elisabeth (2011): Liberal und eigensinnig: Die Pädagogin Josephine Stadlin – die Homöopathin Emilie Paravicini-Blumer. Handlungsspielräume von Bildungsbürgerinnen im 19. Jahrhundert. Zürich: Chronos.
Larcher, Sabina (2002): Frauen unterrichten Kinder und Frauen – Männer unterrichten Erwachsene. Die Ordnungsmodelle Geschlecht und Generation in der LehrerInnenbildung. In: Olympe. Ordnung muss sein! Pädagogische Inszenierungen, 16/02, S. 85–90.
Larcher, Sabina (2005a): Die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf vor dem Hintergrund aktueller Schulentwicklungsprozesse: Tagesstrukturen als Voraussetzung, Instrument oder Strategie für Chancengleichheit? In: Educare: betreuen – erziehen – bilden: Tagungsbericht: Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) (Hrsg). S. 42–56.
Larcher, Sabina (2005b): „Doing teacher“ – professionelle Inszenierungen in Wechselwirkung von institutionellen Arrangements und sozialer Praxis. In: Casale, Rita et al. (Hrsg.): Geschlechterforschung in der Kritik. Opladen/Bloomfield Hills: Barbara Budrich, S. 127–141.
Larcher, Sabina (2006): Feminisierung des Lehrberufs und die Frage der Ganztagsbildung. Beobachtungen aus institutioneller Perspektive. In: Otto, Hans-Uwe/Oelkers, Jürgen (Hrsg.): Zeitgemässe Bildung. Herausforderungen für Erziehungswissenschaft und Bildungspolitik. München/Basel: Reinhardt, S. 275–286.
Rendtorff, Barbara (2016): Bildung – Geschlecht – Gesellschaft. Eine Einführung. Weinheim: Beltz.
Riegel, Christine (2016): Bildung – Intersektionalität – Othering. Pädagogisches Handeln in widersprüchlichen Verhältnissen. Bielefeld: transcript.
Stamm, Margrit (2020): Die Jungen als „Bildungsverlierer“? Weshalb es für beide Geschlechter frühe Initiativen braucht. Dossier 20. https://www.margritstamm.ch/dokumente/dossiers/276-die-jungen-als-bv/file.html [Zugriff: 04.07.2021].
Walgenbach, Katharina (2017): Heterogenität – Intersektionalität – Diversity in der Erziehungswissenschaft. Opladen/Toronto: Barbara Budrich.
Wedl, Juliette/Bartsch, Annette (Hrsg.) (2015): Teaching Gender? Zum reflektierten Umgang mit Geschlecht im Schulunterricht und in der Lehramtsausbildung. Bielefeld: transcript.
Wetterer, Angelika (Hrsg.) (1992): Profession und Geschlecht: Über die Marginalität von Frauen in hochqualifizierten Berufen. Frankfurt/New York: Campus.
***
Sie möchten gern weiterlesen?
Jetzt versandkostenfrei im Budrich-Shop bestellen
Geschlecht, Bildung, Profession. Ungleichheiten im pädagogischen Berufsfeld
von Susanne Burren und Sabina Larcher
Foto: Pexels 2021 / Mikhail Nilov