Wie wirkt der Holocaust heute noch nach? Und wie kann eine Erinnerungskultur der Zukunft aussehen? Wir haben ein Interview mit Harry Friebel, Autor von „An den Nationalsozialismus erinnern. Entwicklung der Erinnerungskultur und zukünftige Perspektiven“, geführt.
Über das Buch
Was war der Holocaust damals und wie wirkt der Holocaust heute noch? Harry Friebel betrachtet den Themenkomplex „Erinnerungskultur“ aus einer interdisziplinären Perspektive und untersucht Motivationen, Bedeutungen und Interessenlagen auf verschiedenen Ebenen. Besondere Aufmerksamkeit wird der Wechselseitigkeit von Täter- und Opferperspektive innerhalb der NS-Diktatur und im Leben der Nachkommen in einer multikulturellen Moderne gewidmet. Abschließend diskutiert der Autor die Frage, wie eine Erinnerungskultur für die Zukunft aussehen kann.
Interview mit Harry Friebel
Lieber Harry Friebel, worum geht es in An den Nationalsozialismus erinnern?
Was ist in der NS-Diktatur geschehen? ; was geschieht in Deutschland aktuell an Rechtsradikalismus? Also ich stelle eine Doppelfrage: Was war (1933-1945)? Und was ist nach 1945 geschehen, was geschieht? Erst der Zusammenhang beider Fragen heißt, historisch und politisch zu denken – nicht museal.
Wie kamen Sie auf die Idee, dieses Buch zu schreiben? Gab es einen „Stein des Anstoßes“?
Seit etwa 10 Jahren forsche ich zum Thema Nationalsozialismus und Rechtsradikalismus. Und ich biete regelmäßig an der Universität Hamburg und an der FH „Rauhes Haus“ Lehrveranstaltungen zum Thema NS-Erinnerungskultur an.
Sie schreiben, dass NS-Diktatur und NS-Erinnerung doppelt gelesen werden müssen – in der Subjekt- sowie der Strukturperspektive. Was meinen Sie hiermit?
Ja, die klassische Geschichtsschreibung zeigt uns mit Zahlen, Daten, Jahren und Ereignissen der nationalsozialistischen Diktatur einen strukturellen Rahmen auf. Da haben aber die subjektiven Relevanzen von Menschen in der Regel keinen Platz. Mir geht es darum, die individuellen Perspektiven – der Täter und der Opfer – mit diesem strukturellen Rahmen zu verknüpfen. Das ist sozialwissenschaftliche Geschichtsschreibung.
Wie kann aus Ihrer Sicht eine Erinnerungskultur der Zukunft aussehen?
Erinnerungskultur hat nur dann ein innovatives und politisches Potential, wenn die Frage nach dem, was im Nationalsozialismus geschehen ist (Was war?) mit den heutigen (Was ist?) rechtsextremen Aktivitäten (z.B. AfD) zusammengesehen wird – also beide Lesarten von Rechtsextremismus zusammen. Dabei ist es auch wichtig, für gemeinschaftliche Lernprozesse über den Nationalsozialismus und Rechtsextremismus entgegenkommende soziale Räume vorzuhalten – für Jung und Alt!
Darum bin ich Autor bei Budrich
Ich schätzte die verlegerische Kompetenz von Barbara Budrich wie ich diese ihres Vaters bereits mit verschiedenen Buchprojekten seit den 80er Jahren geschätzt hatte: eine zielgenaue individuelle Förderung von Publikationsprojekten.
Kurzvita von Harry Friebel in eigenen Worten
Als emeritierter Sozialwissenschaftler mit der thematischen Einheit von Zeitgeschichte, Soziologie und Sozialpsychologie ziele ich weiterhin in Forschung und Lehre auf die kritische Aufarbeitung des Nationalsozialismus und des aktuellen Rechtsradikalismus. Besonders freut es mich immer wieder, wenn ich in verschiedenen Schulen Einladungen zur persönlichen Teilnahme am Unterrichtsfach Geschichte bekomme. Die Gespräche mit den Schülerinnen und Schülern sind einfach wunderbar.
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© Foto Harry Friebel: privat | Titelbild gestaltet mit canva.com