„Die Interdisziplinarität ist eine Herausforderung.“ – Interview mit den Herausgebern von „Computerspielforschung”

Cover "Computerspielforschung: Interdisziplinäre Einblicke in das digitale Spiel und seine kulturelle Bedeutung"

Wir haben ein Interview mit Ralf Biermann, Johannes Fromme und Florian Kiefer, den Herausgebern von „Computerspielforschung: Interdisziplinäre Einblicke in das digitale Spiel und seine kulturelle Bedeutung“, geführt.

 

Über das Buch

Computerspiele sind ein wichtiger Bestandteil der digitalisierten Medienkultur der Gegenwart. Seit der Jahrtausendwende ist auch das wissenschaftliche Interesse an digitalen Spielen und ihrer lebensweltlichen Bedeutung gestiegen. Die Digital Game Studies sind interdisziplinär angelegt, und der vorliegende Sammelband vermittelt einen breiten Einblick in aktuelle Ansätze, Modelle, Methoden und Ergebnisse verschiedener beteiligter Fachdisziplinen.

 

Liebe Herausgeber, worum geht es in Ihrem Buch Computerspielforschung?

Das Buch geht von der rasanten Entwicklung aus, die Computerspiele seit den 1970er-Jahren durchlaufen haben und die dazu geführt hat, dass die digitalen Spiele nicht nur ein wichtiger Bestandteil des Medienalltags geworden sind, sondern auch eine wachsende wissenschaftliche Beachtung finden. Der Band gibt in seinen drei Teilen (Nutzung und Nutzende, Analyse und Design, Gesellschaftliche Kontexte) einen aktuellen Einblick in wesentliche Arbeitsbereiche und Ergebnisse der Digital Game Studies. Er zeigt, wie interdisziplinär die Computerspielforschung mittlerweile aufgestellt ist und dass sie sich seit den frühen – auf mögliche negative Auswirkungen fokussierten – Studien thematisch und methodisch erheblich erweitert und ausdifferenziert hat.

 

Wie kamen Sie auf die Idee, dieses Buch herauszugeben? Gab es einen „Stein des Anstoßes“?

Das Buch kann man als Abschiedsprojekt betrachten, denn es geht auf eine interdisziplinäre Ringvorlesung zurück, die die Herausgeber im Wintersemester 2021/22 an der Universität Magdeburg organisiert haben und deren Anlass die Pensionierung von Johannes Fromme zum Ende des Semesters war. In dem von ihm geleiteten Arbeitsbereich war unter dem Dach der Medienbildung die Computerspielforschung der zentrale gemeinsame Interessenschwerpunkt. Daher lag es nahe, die Ringvorlesung diesem Themenbereich zu widmen und dazu Kolleginnen und Kollegen verschiedener Fachdisziplinen einzuladen. Für das Buch konnten die Herausgeber eine Reihe zusätzlicher Autorinnen und Autoren gewinnen, so dass der aktuelle Forschungsstand darin insgesamt gut abgebildet wird.

 

Welchen Herausforderungen steht die sozialwissenschaftliche Computerspielforschung derzeit gegenüber?

Wie erwähnt, beschäftigten sich Akteure aus verschiedenen Disziplinen mit Computerspielen. Insofern greift das Adjektiv „sozialwissenschaftlich“ eigentlich zu kurz, auch wenn die Bedeutung der Games für den sozialen Alltag für alle einen wichtigen Ausgangspunkt bildet. Im Band sind z.B. Beiträge aus der Kommunikationswissenschaft, aus der Psychologie, aus der Medien- und Kulturwissenschaft, aus der Philosophie, aus dem Bereich Design und aus der Erziehungswissenschaft versammelt. Diese Interdisziplinarität ist zugleich eine Herausforderung für die Computerspielforschung. Es gibt zwar spezielle Zeitschriften und Tagungen im Bereich der Digital Game Studies, aber jede Fachdisziplin hat zunächst ihre eigenen Publikationsorgane und -gepflogenheiten, ihre eigenen Tagungen, ihre eigenen Studienprogramme und -kulturen. Der Gegenstandsbereich Computerspiele ist in den Fächern dabei kaum strukturell verankert und wird meist in Abhängigkeit von den Interessen einzelner Personen in Forschung und Lehre berücksichtigt. Hoffnung macht freilich, dass wissenschaftliche Nachwuchskräfte in vielen Fächern heute eine Affinität zu Games mitzubringen scheinen, die sie dann auch wissenschaftlich aufgreifen.

 

Welche Aspekte der sozialwissenschaftlichen Computerspielforschung werden Ihrer Einschätzung nach künftig stärker in den Fokus rücken?

Da die Entwicklungen im Games-Bereich primär wirtschaftlich und technisch motiviert sind, aber starken Einfluss auf das soziale und kulturelle Alltagsleben haben, ergeben sich beständig neue Herausforderungen für die Computerspielforschung. Wenig Beachtung finden in der allgemeinen Digitalisierungseuphorie bislang Fragen der Nachhaltigkeit (Energie- und anderer Ressourcenverbrauch), die künftig stärker in den Fokus rücken müssten. Ein Thema der nahen Zukunft wird auch der zunehmende Einsatz von KI im Games-Bereich (und in anderen Bereichen) sein, verbunden mit der gesellschaftlich bedeutsamen Frage, wo wir Grenzen setzen wollen? Ein anderer Aspekt ist, dass neben Erwachsenen vor allem viele Kinder und Jugendliche zu den (begeisterten) Nutzenden digitaler Spiele und Spielkulturen in ihrem Kontext gehören (z.B. Let’s Plays, Streaming-Angebote auf twitch.tv., Fan-Sites und Communities). Das wirft zum einen immer wieder Fragen des Jugendschutzes auf, zu denen sich unsere Gesellschaft aus politischer, pädagogischer und juristischer Perspektive verhalten muss. An Bedeutung gewinnt zum anderen aber auch die medienpädagogische Frage, wie und wo Heranwachsende in Bezug auf wenig transparente digitale Medien wie Games jene Fähigkeiten, Kenntnisse und Einstellungen erwerben können, die für eine selbstbestimmte und ethisch-sozial verantwortliche Partizipation an diesen komplexen Medienwelten erforderlich sind.

 

Darum sind wir Autoren bei Budrich

Der Verlag hat sich vom ersten Kontakt an sehr aufgeschlossen und interessiert für das Thema und das Buchprojekt gezeigt. Der Entstehungsprozess wurde kompetent begleitet.

 

Die Herausgeber

Prof. Dr. Johannes Fromme

  • Portraitfoto von Budrich-Autor Johannes FrommeLehramtsstudium an der PH Westfalen-Lippe (Englisch, Sport, Erziehungswissenschaften) mit 1. Staatsexamen (1980)
  • Promotion zum Dr. phil. an der Fakultät für Pädagogik der Uni Bielefeld (1985)
  • Habilitation mit dem Schwerpunkt Außerschulische Pädagogik ebenfalls in Bielefeld (1995)
  • verschiedene Vertretungsprofessuren (1996-2002)
  • Professor (C3) für „Erziehungswissenschaftliche Medienforschung unter Berücksichtigung der EB/WB“ an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (seit 2002)
  • Ruf auf eine W3-Professur für „Medienpädagogik“ an der Universität Hamburg (abgelehnt 2007)
  • Ruf auf die W3-Professur für „Erziehungswissenschaftliche Medienforschung und Medienbildung unter Berücksichtigung der EB/WB“ an der Uni Magdeburg (angenommen 2008)
  • bis zum altersbedingen Wechsel in den Ruhestand im April 2022 Lehrstuhlleiter und Mitglied der Studiengangsleitung des BA- und des MA-Studiengangs Medienbildung

 

Dr. Ralf Biermann

  • Portraitfoto von Budrich-Autor Ralf Biermann, Autor von ComputerspielforschungStudium Außerschulisches Erziehungs- und Sozialwesen an der Universität Siegen (2001)
  • Studium Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Medienpädagogik an der Pädagogischen Hochschule in Freiburg (2004)
  • Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Pädagogischen Hochschule Freiburg von 2003-2007
  • Promotion zum Dr. phil. an der Universität Siegen (2008)
  • Lehrkraft für besonderen Aufgaben an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg seit 2007
  • Vertretung der W3-Professor „Erziehungswissenschaftliche Medienforschung und Medienbildung“ an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (seit 04/2022)

 

Dr. Florian Kiefer

  • Portraitfoto von Budrich-Autor Florian KieferMagisterstudium an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (OVGU) mit den Hauptfächern Pädagogik und Soziologie
  • Promotion zum Dr. phil. an der Fakultät für Humanwissenschaften (OVGU)

 

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