Zum Beitrag der Fachrepositorien in der Open-Access-Transformation

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Ein Gastbeitrag von Agathe Gebert

Teamleitung Library & Open Access bei GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften

Leitung des Social Science Open Access Repository (SSOAR)

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Open Access auf wissenschaftliche Informationen ist mit vielen Vorteilen für die Wissenschaftskommunikation verbunden und wird daher wissenschaftspolitisch verfolgt. Das Tempo der Umsetzung ist in den STM-Fächern noch ungleich höher als in den Sozial- und Geisteswissenschaften. Das hängt auch mit unterschiedlichen Publikationskulturen zusammen.

 

Die DEALs – Open Access im Zeitschriftensektor

Die Abschlüsse der Transformations- und DEAL-Verträge mit den großen STM-Verlagen markieren einen deutlichen Trend in der Open-Access-Publikationslandschaft. Im Kern dieser Verträge bzw. Lizenzen, die den lesenden Zugriff auf das Zeitschriftenportfolio mit der Möglichkeit des Open-Access-Publizierens verknüpfen, geht es darum, noch hybride Zeitschriften zu genuinen Open-Access-Zeitschriften zu flippen, so diese in hinreichendem Maße zur Publikation genutzt werden. Wissenschaftler*innen der Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die über ihre Bibliothek an diesen Verträgen bzw. Lizenzen teilnehmen, profitieren von einer unkomplizierten, rechnungsfreien Einreichung und Veröffentlichung. Autor*innen müssen im Einreichungsprozess lediglich ihre Affiliation deutlich machen und am besten aus dem IP-Bereich der eigenen Einrichtung einreichen, um als partizipierende*r Autor*in erkannt zu werden. Die Rechnungsbegleichung wird zentral abgwickelt: entweder über eine jährliche Publish & Read-Fee oder über eine publikationsbasierte Abrechnung oder eine Kombination aus beiden.

Nicht zuletzt durch die starke Bewerbung dieser Verträge in den Einrichtungen seitens der Bibliotheken steigt der Publikationsanteil in den hybriden Zeitschriften, die den größten Teil des Portfolios der großen Zeitschriftenverlage ausmachen, in den letzten drei Jahren beträchtlich. Die Möglichkeit, in einer großen Auswahl an Zeitschriften unkompliziert im Open Access veröffentlichen zu können, überzeugt Wissenschaftler*innen. Bei hoher Nutzung wird von den Verlagen erwartet, dass sie die entsprechenden hybriden in goldene Journale flippen. Das Ziel, den goldenen Weg des Publizierens in den Zeitschriften der STM-Verlage umzusetzen, rückt damit in greifbare Nähe.

Die wissenschaftspolitische Fokussierung auf Zeitschriften, die bereits in dem 2014 eingeführten unabdingbaren Zweitveröffentlichungsrecht zum Ausdruck kam, wird damit begründet, dass in diesen Periodika neueste Forschungen veröffentlicht werden. In der Ausgestaltung der Transformations- bzw. Publish & Read-Verträge war zudem entscheidend, dass diese mit den großen STM-Publishern, insbesondere mit Springer und Wiley, im großen Stil, also nahezu deren gesamtes Zeitschriftenportfolio umfassend, fast „industriell“ abgewickelt werden konnten. Finanziert wurden diese DEALs aus der Umwidmung des Erwerbungsetats der Bibliotheken in Mittel für APC-Zahlungen unter der Prämisse, dass die Verlage im Grunde keine Gewinneinbußen haben. Gleichzeitig werden durch diese Transformationsverträge große Summen in den Bibliothekshaushalten zurückgestellt, die in Folge für andere Formen der Open-Access-Publikationen z.B. im Buch- und Sammelwerksbeitrag nicht zur Verfügung stehen.

 

Kooperationen – Open Access im Buchsektor

Durch diese Fokussierung auf den Zeitschriftensektor und auf die großen Publisher geraten andere Publikationsmedien ins Hintertreffen. Gerade in den Sozial- und Geisteswissenschaften gehören Monographien und Sammelwerke zu wichtigen Publikationsmedien. Sie tragen einer spezifischen Publikationskultur Rechnung, die nicht zuletzt darauf aus ist, mit den zumeist kleineren, mittelständischen Verlagen zusammen Buch- und Sammelwerkspublikationen oder gar Editionsvorhaben zu planen und durchzuführen. Es geht dabei oft um Forschungspublikationen, die mit mehr Vorlauf geplant werden und zumeist Ergebnisse beinhalten, die über einen längeren Zeitraum relevant sind, oft auch über Jahrzehnte Maßstäbe in der Disziplin setzen, bevor sie durch neue Forschungen erweitert, revidiert und überarbeitet werden. Gleichzeitig ist die Planung eines Buches oder Sammelwerkes ein eher individuell gehaltener Prozess und zwar sowohl inhaltlich als auch finanziell. Während im Zeitschriftensektor 2000,- (und mehr) Euro APC längst akzeptiert sind, wird vergleichbaren Berechnungen der book processing charges (BPC) noch größere Skepsis entgegengebracht, obwohl mittelständische Verlage wie transcript, Budrich oder auch waxmann diese nachvollziehbar und  transparent auf ihren Webseiten darlegen. Tatsächlich müssen aber auch, oder gerade die mittelständischen Verlage gewinnorintiert arbeiten, um den Innovationsrückstand gegenüber den STM-Verlagen aufzuholen, um die technischen Voraussetzungen für die Produktion und die Vermarktung von Open-Access-Publikationen zu schaffen.

 

Die Expertise der Fachrepositorien

Individuell geplante und umgesetzte Buch- und Sammelwerke müssen auch kurzfristig unter dem Paradigma des Open Access als Publikationsmöglichkeit zur Verfügung stehen, um die Vielfalt akademischen  Publizierens zu gewährleisten.

Mit diesem Ziel und für eine Open-Access-Transformation im Buch- und Sammelwerksbereich kooperieren mittelständische Verlage und Herausgeber, Bibliotheken, Intermediäre und Vermittler sowie offene Infrastrukturen wie die Fachinformationsdienste oder Fachrepositorien bereits seit geraumer Zeit in unterschiedlicher Weise. Auch hier spielen die Erwerbungsbudgets der Bibliotheken eine wichtige Rolle. Die Ergebnisse dieser Zusammenarbeit können sich sehen lassen. Nur eines sei an dieser Stelle genannt, das bereits Nachfolger in anderen Disziplinen hervorgebracht hat: Seit 2019 werden neue Titel in den Politikwissenschaften des transcript Verlages gebündelt und als Paket im Open Access veröffentlicht. Möglich wurde die „transcript open library Politikwissenschaften“[1] in der Kooperation mit dem FID Politikwissenschaften und über das Crowdfunding zahlreicher teilnehmender Bibliotheken, die über die Auswahl der geplanten Titel entscheiden. Damit wird eine große Anzahl von Titeln einer Disziplin frei verfügbar. Bislang ohne finanzielle Beteiligung der Autor*innen bzw. deren Einrichtungen. Für die Verlage ist das daher bislang ein Nullsummenspiel.

Ganz entscheidend für die Erfolge scheint der disziplinspezifische Ansatz. Herausforderungen für die mittelständischen und kleinen Verlage in den Geistes- und Sozialwissenschaften sind das Metadatenmanagement, die Verbreitung und Sichtbarkeit der Publikationen, die Langzeitarchivierung sowie die Nachvollziehbarkeit bzw. Nachverfolgbarkeit von deren Nutzung im Netz. Gerade hierbei können öffentlich gepflegte, nichtkommerzielle, nur dem wissenschaftlichen Austausch verpflichtete und urheberrechtskonform arbeitende Fachrepositorien unterstützen. Open-Access-Repositorien wurden flächendeckend seit den frühen 2000er-Jahren etabliert. Sie stellen eine Infrastruktur zur nachhaltigen digitalen Archvierung von Volltexten – bislang hauptsächlich im PDF-Format – dar. Alle ernstzunehmenden Repositorien laufen seit vielen Jahren mit einer der Open-Source-Softwarelösungen z.B. EPrints, DSpace oder Feodora, welche die Repositorien mit wichtigen Schnittstellen für den Datenaustausch, einem Discovery-Suchmodus sowie einer gescheiten Backend-Verwaltung ausstatten. Wesentliche Leistungsmerkmale von Repositorien sind neben der Sach- und Inhaltserschließung die Vergabe Persistenter Identifier (PID) sowie (freier) Nutzungs-Lizenzen, die Möglichkeiten, Förderhinweise nachzuweisen, Embargos zu verwalten, Versionen einer Publikation anzulegen und die Nutzung eines Volltextes über verschiedene Altmetrics anzuzeigen. Darüber hinaus können Repositorien über OAI-PMH geharvestet werden. Zahlreiche OAI-Provider verbreiten daher die Metadaten weiter, wodurch Repositorien zu einer vervielfachten Sichtbarkeit der bei ihnen archivierten Volltexte beitragen.

Zahlreiche öffentlich geförderte Fachrepositorien wie SSOAR, peDOCS, EconStor, media/rep/ oder GenderOpen – um nur einige zu nennen – sind sehr gut in ihren wissenschaftlichen Fachcommunities vernetzt, sorgen für Sichtbarkeit von Publikationen im fachlichen Kontext und gestalten als eine auf Partizipation angelegte offene Infrastruktur die Open-Access-Transformation in ihren Disziplinen mit und setzen darüber hinaus fachspezifische Akzente. Oft tun sie dies in Kooperation mit anderen öffentlich geförderten Infrastrukturen wie den bereits erwähnten Fachinformationsdiensten oder anderen Datenarchivierungsdiensten. So plant SSOAR die Institutionalisierung eines bisher rudimentär eingerichteten Dienstes, welcher die archivierten Publikationen mit den in ihnen zitierten und beim sozialwissenschaftlichen Registrierungsdienst da|ra hinterlegten Forschungsdatensätzen verlinkt und über die Metadatenvollanzeige anzeigt. Fachrepositorien nehmen einerseits die einzelnen Wissenschaftler*innen in den Blick, denen sie die möglichst einfache Zweitverwertung ihrer Publikationen anbieten, wenn der Weg des genuinen Open Access aus unterschiedlichen Gründen verwehrt blieb. Andererseits haben einige – allen voran SSOAR und peDOCS – über die Jahre solide Kooperationen zu Verlagen und Herausgeber*innen aufgebaut, mit dem Ziel partnerschaftlich den freien Zugang auf wissenschaftliche Literatur zu realisieren.[2] Stellten die Repositorien die Infrastruktur, so kam von den Verlagen qualitätsgeprüfter Content. Über die Kooperationsseite von SSOAR kann man sich alle archivierten Publikationen des Partners auf einen Blick anzeigen lassen. Über die Zweitarchivierung hinaus nutzen Herausgeber SSOAR mittlerweile auch als ausschließliche Publikationsplattform. Im Fall von frei verfügbaren Working Paper-Reihen können über SSOAR neue Forschungsfelder und Autor*innen identifiziert und gezielt zu weiteren Veröffentlichungen angesprochen werden.

 

Kooperativen als Baustein einer erfolgreichen Open Access-Transformation

Die Open-Access-Transformation im Buch- und Sammelwerksbereich muss also individueller vorgenommen werden. Dazu gibt es bereits erfolgreich agierende Kooperativen. Da ist zum einen die Initiative Copim für ein gemeinnütziges OA-Ökosystem für Buchpublikationen, die vor allem kleine, von Wissenschaftler*innen betriebene, nichtkommerzielle Verlage in den Blick nimmt. Einen ebenfalls partnerschaftlichen Kooperationsansatz verfolgt die ENABLE!-Community, ein Zusammenschluss von kommerziellen, mittelständischen Fachverlagen, Bibliotheken, Repositorien und Intermediären. In dem Bemühen, Open-Access-Co-Publishing zu modellieren geht es ENABLE! darum, in einem offenen Diskurs die Expertise der einzelnen Stakeholder zu heben und für das Co-Publishing nutzbar zu machen und so die für die Sozial- und Geisteswissenschaften relevanten Publikationsmedien jenseits des Zeitschriftenmarktes zu erhalten und zu modernisieren. Als aktiver Partner verfolgt SSOAR als Fachrespositorium mit Spannung, welche alten und neuen Rollen wir dabei einnehmen können.

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[1] Die transcript Open Library Politikwissenschaft – eine Erfolgsgeschichte für Open-Access-Kooperationsmodelle — transcript Blog (transcript-verlag.de)

[2] Vgl. BIT2010-4.pdf (b-i-t-online.de)

 

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