Gastbeitrag zum Thema Frauenfußball: Über die Relevanz visueller Selbstpräsentation von Fußballer*innen in sozialen Medien

Frauenfußball Mannschaft

1970 – vor 50 Jahren – hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) das Frauenfußballverbot aufgehoben. Zu diesem Anlass freuen wir uns sehr, dass sich Lisa Gutowski von der Uni Göttingen Zeit für einen Gastbeitrag zum Thema Frauenfußball genommen hat.

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I deserve this!“ rief Megan Rapinoe mit dem Weltmeisterinnen-Pokal auf dem Knie ihrer Teamkollegin Ashlyn Harris zu. Umringt von zahlreichen Fans feierte das Frauenfußallnationalteam der USA den vierten Titel als Weltmeisterinnen 2019 in New York. Währenddessen streamte Harris das Geschehen auf Instagram. Bereits die Frauenfußball-Weltmeisterinnenschaften in den Jahren 2011 und 2015 haben gezeigt, dass soziale Medien zunehmend Bedeutung im medialen Diskurs um Frauenfußball gewinnen (vgl. Tiesler, 2012: 98): Im Jahr 2011 wurden etwa 430.000 Tweets während des finalen Spiels der Weltmeisterinnenschaft auf dem Kurznachrichtendienst Twitter versandt. Im Gegensatz dazu waren es während des Finales im Jahr 2015 rund 2,5 Millionen Tweets (vgl. Lewis 2015 in Pegoraro/Comeau/Frederick, 2017: 1064).

Trotz der wachsenden Reichweite auf sozialen Plattformen, kämpft der Frauenfußball um (visuelle) Aufmerksamkeit. Der DFB setzte während der Weltmeisterinnenschaft 2011 in Deutschland auf die Strategie der „Feminisierung“ des Frauenfußballs (z.B. Schaaf 2012: 150). Ein Teil des damaligen Nationalteams posierte für ein Lifestyle-Magazin mit aufwändigem Make-Up und in Kleidern mit Accessoires in Farben der Deutschland Flagge. So trafen Patriotismus und Sexismus getreu dem WM-Motto „20elf von seiner schönsten Seite“ aufeinander. Rapinoes Aussage kann vor diesem Hintergrund auch als Antwort auf die mediale Berichterstattung zu Frauenfußball gewertet werden. Denn die sportlichen Erfolge von Athletinnen bleiben in der Sportberichterstattung klassischer Medien meist unsichtbar (Cooky / Messner / Musto 2015: 280): In einer Langzeitstudie über einen Zeitraum von 25 Jahren konnten Cooky, Messner und Musto (2015) nachweisen, dass die Sportberichterstattung im Fernsehen mit über 90% von Männersport dominiert wird. Wenn über Athletinnen berichtet wird, werden diese oftmals sexualisiert und in Kongruenz mit heteronormativen Vorstellungen über Geschlecht sowie Sexualität dargestellt (vgl. Pfister 2010: 240; Kristiansen / Broch / Pedersen 2014: 7; Pegoraro / Comeau / Frederik 2018: 1064).

 

Visuelle Selbstpräsentation: Sexismus und Heteronormativität im Abseits?

Bislang rückten dabei bild-zentrierte soziale Plattformen wie Instagram kaum in den Fokus empirischer Untersuchungen (vgl. Pegoraro/Comeau/Frederik 2018: 1064f.; Smith/Sanderson 2015: 346). Dabei bieten Fotografien aus bildtheoretischer Perspektive als „gesellschaftliche Sehschulen“ (Müller 2012: 137) das Potenzial, unseren Blick auf Frauenfußball maßgeblich zu verändern. Mit anderen Worten: Die visuelle Selbstpräsentation von Fußballerinnen erhält dadurch besondere Relevanz. Die Bilder, die von Fußballer*innen auf Instagram gepostet werden „[…] sind, wie andere symbolische Formen auch, Darstellungen und Deutungen von Wirklichkeit, die in ihrer ästhetischen und thematischen Gestalt praktische, soziale, weltanschauliche Relevanzen kommunizieren, besondere Evidenzen erzeugen, Haltungen evozieren und somit Wirklichkeit effektiv formen“ (ebd.:136). Mit dem Selbstbildnis auf Instagram formen die Fußballer*innen das Bild vom Frauenfußball mit. Die Athlet*innen erhalten eine stärkere Kontrolle über die eigene mediale Darstellung (vgl. Smith/Sanderson 2015: 343; Pegoraro/Comeau/Frederick 2017: 1066). Dadurch sind sie von der Berichterstattung klassischer Medien unabhängiger.

Nach wie vor gilt Fußball als „Arena der Männlichkeit“ (vgl. Sülzle 2008: 128f.; Pfister 2008: 16). In dieser Arena entspricht Frauenfußball nicht der hegemonialen Vorstellung von Weiblichkeit (vgl. Pfister 2008: 14 f.). Bis in die 1960er Jahre wurden in Deutschland medizinische Gründe zur Legitimation des Verbots von Frauenfußball herangezogen. Die sportliche Betätigung mit dem Fußball hätte negative Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit und Bälle gegen die Brust könnten gar Brustkrebs verursachen (vgl. Hornscheidt / Wechsel 2007: 32). Auch 50 Jahre später werden Fußballerinnen mit sexistischen, misogynen sowie homofeindlichen Stereotypen assoziiert (Kristiansen / Broch / Pedersen 2014: 7; Devenport et al. 2018: 2; Pegoraro / Comeau / Frederik 2018: 1065; Heckemeyer 2018: 145f.). In einem Werbespot im Vorfeld der WM 2019 griff die DFB-Nationalelf zusammen mit einem Sponsor diese Vorurteile auf. Trotz des humoristischen Umgangs mit Klischees und Hasskommentaren in sozialen Medien zu Frauenfußball, wurde auch hier an der Betonung der Feminität festgehalten.

 

Frauenfußball als Marke – Zwischen Wettbewerb und Ökonomisierung

Ein Aspekt darf bei der Betrachtung von Instagram nicht vergessen werden: Die Sichtbarkeit in Medien ist mit „ökonomischer [sowie] gesellschaftlicher […] Macht und Anerkennung verbunden“ (Lobinger, 2015: 95). Von den deutschen Nationalspielerinnen erhielt Giulia Gwinn während der WM 2019 die größte mediale Aufmerksamkeit. Ihr Instagram-Auftritt zählt mit einem Abonnent*innenwachstum von 2282 % zu den 13 wachstumsstärksten deutschen Marken-Accounts auf Instagram im Jahr 2019. Instagram wird daher nicht nur zur Kommunikation mit Fans genutzt, sondern ist gleichzeitig auch zur Sponsoring- und Werbeplattform für die Fußballer*innen geworden. Dabei formen sie nicht nur ihre eigene Marke (vgl. Geurin-Eagleman / Burch 2015: 133), sondern auch die Marke Frauenfußball. In diesem Kontext wird Harris Instagram-Video zur Feier des Weltmeisterinnen-Titels zum subversiv-emanzipatorischen Akt. Diese Beobachtung deckt sich mit Smiths und Sandersons (2015) Ergebnis, dass Athletinnen in den sozialen Medien dazu tendieren, sich abseits der tradierten Geschlechternormen darzustellen und dabei anstatt ihre Feminität ihr Athletinnensein fokussieren (ebd.: 354). Doch der enorme Zuwachs von Abonnent*innen auf Gwinns Instagram-Profil wirft die Frage auf, ob Fußballerinnen, ihrer Eigenmarke auf Instagram nicht schaden, wenn sie sich abseits rigider Geschlechternormen im Fußball präsentieren. Zu stark erscheint der Konnex zwischen Geschlechternormen sowie dem Wettbewerb und der Ökonomisierung des (internationalen) Frauenfußballs. Im Sinne Foucaults sind die Fußballerinnen „entrepreneur[s] of onseself“ (Foucault 2008: 226) auf Instagram. In Bezug auf Kath Woodwards (2016) lässt sich die zunehmende Relevanz der visuellen Selbspräsentation auf Instagram im Kontext der Flexibilisierung sowie Liberalisierung der sexual politics (Ludwig, 2016: 418) verorten. Auf dem Platz lässt sich die Flexibilisierung vereinzelt im Symbol der Regenbogenbinde am Arm der*des Kapitän*in beobachten. Dies ist jedoch nur bedingt als „[…] [Form] differenzierten Einschlusses und pluralistischer Integration […]“ (Engel, 2008: 4) von nicht-heteronormativen Begehren sowie Geschlechterkonstruktionen zu betrachten. Einzelne visuelle Selbstpräsentationen auf Instagram reichen daher nicht aus.  Die Bilder der Spieler*innen im Frauenfußball müssen gesehen, wiedergeben und visualisiert werden, damit Instagram der Game Changer (Sanderson 2011) sein kann. Um es mit Megan Rapinoes Worte zu sagen: They deserve this.

 

Die Autorin

Portrait Lisa GutowskiLisa Gutowski studiert im Master Sozialwissenschaftliche Diversitätsforschung an der Georg-August-Universität, Göttingen, und absolvierte ein Auslandssemester an der Central-European-University, Budapest. In ihrer Masterarbeit untersucht sie die visuelle Selbstpräsentation von Athlet*innen auf Instagram im Kontext internationalen Frauenfußballs. Zudem arbeitet sie als Projektkoordinatorin in der Bildungs- und Antidiskriminierungsarbeit.

 

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© Foto Lisa Gutowski: privat ; Titelbild: unsplash.com | Chris Leipelt