„Leser*innen dürfen kluge Theorien und überraschende Analysen pädagogischer Praxis erwarten.“ – Interview mit Jürgen Budde und Florian Cristóbal Klenk zur Buchreihe „Studien zu Differenz, Bildung und Kultur“

Interview Studien zu Differenz, Bildung und Kultur

Ausdrucksgestalten von pädagogischen Ordnungen und Konstruktionen sozialer Differenzkategorien in Bildungsprozessen: Wir haben ein Interview mit Reihenherausgeber Jürgen Budde und Autor sowie Bandherausgeber Florian Cristóbal Klenk zur Reihe „Studien zu Differenz, Bildung und Kultur“ geführt.

 

Interview zur Reihe „Studien zu Differenz, Bildung und Kultur“

 

Lieber Jürgen Budde, Sie sind Herausgeber der Buchreihe Studien zu Differenz, Bildung und Kultur. Mit welchen Themen beschäftigen sich die mittlerweile 16 Bände?

Die Bände beschäftigen sich – wie der Name ja sagt – mit Differenzordnungen in Bildungskontexten aus einer kultur- und sozialwissenschaftlichen Perspektive. Manchmal wird diese um eine pädagogische Perspektive ergänzt. Dabei stehen Differenzlinien in unterschiedlichen Bildungskontexten im Mittelpunkt. Zumeist bilden non-formale oder formale Bildungseinrichtungen den Forschungskontext, der von den Autor*innen rekonstruktiv, oftmals etwa aus ethnographischer Perspektive erschlossen wird. Viele Bände beschäftigen sich im weitesten Sinne mit Geschlechteraspekten, nicht selten mit Heteronormativität und der Vielfalt an geschlechtlichen und sexuellen Lebensweisen. Das freut mich besonders, weil dieses Thema in anderen Verlagen oft nicht so zur Geltung kommt. Auch Heterogenität spielt thematisch eine sehr große Rolle, manche Bände behandeln Inklusion oder etwa sexuelle Bildung. In manchen Bänden werden auch soziale Herkunft oder etwa migrations- und rassismusbezogene Fragen thematisiert, allerdings könnten diese Themen sicher noch stärker vertreten sein.

 

Wie hat die Reihe das Licht der Welt erblickt?

Die Initiative ging dankenswerterweise vom Verlag aus, ich habe sie dann sehr gerne aufgegriffen. 2015 erschien dann der erste Band, seither konnten wir 15 Bände realisieren, gegenwärtig sind zwei weitere in der Umsetzung. Ich schätze den Verlag Barbara Budrich aufgrund seiner inhaltlichen Ausrichtung. Geschlechteraspekte und Fragen von Differenz und Ungleichheit bilden einen expliziten Schwerpunkt des Verlagsprogramms. Das deckt sich natürlich gut mit den Themen, die die Autor*innen der Reihe und mich wissenschaftlich interessieren. Ich möchte mit der Reihe insbesondere mehr Sichtbarkeit für rekonstruktive Qualifikationsarbeiten an der Schnittstelle von Differenz und Bildung schaffen.

Die „Studien zu Differenz, Bildung und Kultur“ können – so die Hoffnung – einen kleinen Diskursraum bilden, in dem zwischen den Bänden eine Resonanz, ein Zusammenhang entsteht und so sowohl die einzelnen Bände als auch das Thema Differenz insgesamt mehr Aufmerksamkeit erfährt. Diesen reichern wir an durch thematisch passende Sammelbände etwa von einschlägigen Tagungen.

 

An welche Leser*innen richten sich die Studien zu Differenz, Bildung und Kultur und welchen Mehrwert dürfen sie erwarten?

Die Reihe richtet sich an Wissenschaftler*innen in unterschiedlichen Phasen ihrer Entwicklung, an Studierende, aber auch an theorie- und empirieinteressierte Personen aus ‚der Praxis‘. Diese dürfen kluge Theorien und überraschende Analysen pädagogischer Praxis erwarten.

 

Lieber Florian Cristóbal Klenk, Sie sind mit Ihrem Band Post-Heteronormativität und Schule Autor innerhalb der Reihe sowie im neusten Band Vielfaltsorientierung und Diskriminierungskritik Mitherausgeber und haben somit zwei Perspektiven inne. Wie gestalteten sich aus Ihrer Sicht die Entstehungsprozesse der beiden Bände?

Die Entstehungsprozesse der genannten Bände entsprechen grundsätzlich den jeweiligen wissenschaftlichen Publikationsformen – Monografie und Sammelband. Damit stehen die Bände exemplarisch für die beiden zentralen Publikationsformate, die bisher in der Reihe versammelt sind, nämliche Dissertationen und Tagungsbände. Auch wenn Jürgen diesen Punkt bereits angesprochen hat, so möchte diese Formate an dieser Stelle noch einmal herausstellen, weil sie sehr gut aktuelle erziehungswissenschaftliche Entwicklungen und Diskurse, z.B. innerhalb von bestimmten Fachgesellschaften, dokumentieren. Neben der ohnehin wichtigen thematischen Fokussierung auf Bildung, Differenz und Kultur, ist es gerade die Aktualität der Bände, die die gesamte Reihe lesenswert macht. Nicht zuletzt, weil hier die Dissertationsprojekte von Wissenschaftler*innen in Qualifizierungsphasen sichtbar gemacht werden. Aktueller kann Forschung doch kaum sein – denn sind wir mal ehrlich, wo, wenn nicht in der Dissertation, setzt man sich schon so umfassend mit einem Gegenstand auseinander?

Im Grunde ist damit schon viel über den Entstehungsprozess der beiden genannten Publikationen gesagt: Der Band Post-Heteronormativität und Schule stellt die Veröffentlichung meiner Dissertation dar, die ich an der Bergischen Universität Wuppertal erfolgreich abschließen konnte. Ich freue mich, dass der Verlag Barbara Budrich der eben erwähnten ‚umfassenden Auseinandersetzung‘ im Band auch die entsprechende Seitenzahl eingeräumt hat. Der Sammelband Vielfaltsorientierung und Diskriminierungskritik bündelt wiederum ausgewählte Beiträge, die auf der Tagung der DGfE-Kommission „Schulforschung und Didaktik“ in Mainz 2023 gehalten wurden. Besonders gelungen finde ich, dass der Band – ganz im Sinne des Themas der Reihe – neben diskriminierungskritischen Perspektiven auch ein erweitertes Spektrum rekonstruktiver Arbeiten aus dem Feld der Differenzforschung abdeckt. So finden sich im Tagungsband ableismuskritische Beiträge, die sich mit den An- und Widersprüchen eines inklusiven Bildungssystems auseinandersetzen, ebenso wie heteronormativitätskritische und rassismuskritische Analysen zu Schule und Unterricht. Auf diese Weise stellt der Band – gewissermaßen im Kleinen – bereits jene von Jürgen angesprochene Resonanz zwischen unterschiedlichen Differenzlinien her. Das trägt nicht zuletzt zur gegenseitigen Wahrnehmung von Ergebnissen und zu größerer Sichtbarkeit bei, was ich persönlich schön und für das Feld der Differenzforschung notwendig finde.

 

Lieber Jürgen Budde, lieber Florian Cristóbal Klenk, was raten Sie Autor*innen, die in den Studien zu Differenz, Bildung und Kultur veröffentlichen möchten?

JB: Hm, eigentlich habe ich keinen wirklichen Rat für Autor*innen. Es gibt sicherlich global agierende Wissenschaftsverlage, die finanziell günstiger sind, andere Verbreitungsgrade besitzen etc., die aber weder profiliert sind noch gesteigertes Interesse an wissenschaftlichem Diskurs erkennen lassen. Dagegen finde ich es wichtig, Verlage zu unterstützen, die eine inhaltlich klare Kontur haben und gesellschaftlich verantwortungsvolle Themen aufgreifen und unterstützen. Mein Rat wäre also, sich zu überlegen, in welchem Kontext ich als Wissenschaftler*in meine eigene Arbeit gerne sehen möchte. Und da bietet der Verlag Barbara Budrich sicher im deutschsprachigen Raum ein sehr profiliertes Umfeld.

FCK: Als bekennender Budrich-Autor ist dem eigentlich nicht viel hinzuzufügen. Ich will es dennoch versuchen und zwei Anmerkungen formulieren: Zum einen spricht meines Erachtens bereits die Tatsache, dass die Reihe nun seit bald 10 Jahren existiert und sowohl Arbeiten von akademischen ‚Newcomer*innen‘ als auch von etablierten Professor*innen umfasst, dafür, dass Menschen, die zu Bildung und Differenz forschen, hier genau richtig sind. By the way: Nicht selten waren diese etablierten Professor*innen selbst Newcomer*innen, als sie zum ersten, aber nicht zum letzten Mal in der Reihe publiziert haben. 😉

Zweitens würde ich Wissenschaftler*innen aus dem Themenfeld der Differenzforschung, die überlegen, ob sie ihre Arbeit in dieser Reihe publizieren sollen, raten, die Bände einfach mal selbst zu lesen, um sich einen Eindruck von der thematischen Vielfalt sowie der Qualität der Arbeiten zu verschaffen. Auf dieser Basis sollte jede Person selbst entscheiden, ob die Reihe das Richtige für sie ist – zunehmend mehr Bände sind übrigens im Open Access Format erschienen und damit direkt zugänglich. Mit dem Prozess der Entscheidungsfindung kann man also sofort loslegen!

 

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Interviewpartner

Jürgen Budde

Prof. Dr. habil. Jürgen Budde: Professor für die Theorie der Bildung, des Lehrens und Lernens | Institut für Erziehungswissenschaften | Europa-Universität Flensburg

Portraitfoto von Florian Cristóbal Klenk

Dr. Florian Cristóbal Klenk: wissenschaftlicher Mitarbeiter | Institut für Erziehungswissenschaften | Europa-Universität Flensburg

 

Über die Reihe

Im Zentrum der Reihe „Studien zu Differenz, Bildung und Kultur“ stehen Fragen nach Ausdrucksgestalten von pädagogischen Ordnungen und Konstruktionen sozialer Differenzkategorien in Bildungsprozessen. Der methodologische Zugriff ist qualitativ-rekonstruktiv auf die soziale Praxis der Akteur*innen in ihren Handlungsfeldern ausgerichtet. Die Reihe versammelt schul-, unterrichts- sowie bildungstheoretische Studien.

 

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