Ein Grundlagenwerk, das Überblick und Tiefenschärfe verbindet: Leseprobe aus Soziale Arbeit. Grundlagen für Theorie und Praxis von – frisch erschienen in der 2., aktualisierten und erweiterten Auflage.
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Soziale Arbeit: Vorwort zur 2. Auflage
Seit der Erstveröffentlichung dieses Bandes im Jahr 2014 hat sich die gesellschaftliche Realität, in der Soziale Arbeit stattfindet, erheblich verändert. Die Herausforderungen von Flucht und Migration, die Pandemie, zunehmende soziale Ungleichheiten, ökologische Krisen, ein sich verschärfender Fachkräftemangel und die Dynamiken der Digitalisierung prägen die Lebenslagen vieler Menschen – und damit auch die Kontexte, in denen Soziale Arbeit professionell tätig ist.
Doch diese Entwicklungen bedeuten nicht, dass sich Soziale Arbeit als Profession in ihren Grundlagen ständig neu erfinden müsste. Die Stärke professioneller Sozialer Arbeit liegt gerade darin, dass sie nicht auf jeden Wandel mit einem neuen Paradigma reagiert, sondern auf der Basis tragfähiger Konzepte und Orientierungen mit Unwägbarkeit, Pluralität und Widersprüchlichkeit umgehen kann. Die Fachkräfte der Sozialen Arbeit wissen oft nicht im Voraus, welche konkreten Problemlagen ihnen in einer Situation begegnen werden. Gerade deshalb ist nicht Anwendungswissen, sondern reflexive Fachlichkeit die tragende Säule professionellen Handelns. Die Fähigkeit, unter Unsicherheit zu urteilen, zu entscheiden und zu handeln, erweist sich als zentrales Merkmal dieser Profession.
Vor diesem Hintergrund haben wir in der nun vorliegenden zweiten Auflage nicht einfach aktuelle Ereignisse und gesellschaftliche Trends nachgetragen, sondern uns darauf konzentriert, die tragenden Elemente Sozialer Arbeit im Licht neuer Entwicklungen zu überprüfen, auszubauen und an entscheidenden Stellen zu präzisieren. Dabei lag unser Augenmerk auf der Weiterentwicklung bewährter Grundlagen, nicht auf der Bearbeitung aktueller Themen. Ziel war es, den langfristig tragfähigen Gehalt Sozialer Arbeit deutlicher zu konturieren – in ihrer Verankerung in Theorie und Praxis, in ihrer Ausdifferenzierung als Profession und Disziplin und in ihrem Verhältnis zu Gesellschaft, Politik und Organisation. Ein besonderes Augenmerk galt dabei der Integration bislang unterrepräsentierter Perspektiven – etwa in der Darstellung der muslimischen Wohlfahrtspflege als Teil einer pluraler werdenden Trägerlandschaft.
Die zweite Auflage unterscheidet sich von der ersten somit nicht durch eine neue konzeptionelle Grundhaltung, sondern durch eine konsequente Aktualisierung, Erweiterung und systematische Nachschärfung. Neue empirische Befunde, theoretische Perspektiven und Praxiserfahrungen wurden eingearbeitet. Einzelne Kapitel – etwa zu Professionalität, Trägerstruktur, Methoden oder Ausbildung – wurden stärker differenziert und ergänzt. Besonders die Beschreibung Sozialer Arbeit als Antwort auf Ungewissheit wurde vertieft – in theoretischer, didaktischer und professionslogischer Hinsicht. Dabei wurde auch die Frage der Selbstreflexion, der Umgang mit professionellem Rollenstress sowie die Problematik von Burnout in helfenden Berufen deutlicher akzentuiert – als Bestandteil einer realistischen und verantwortungsvollen Selbstvergewisserung professioneller Praxis.
Wie schon bei der ersten Auflage verdanken wir die Weiterentwicklung des Buches nicht zuletzt den intensiven Diskussionen mit Studierenden, Kolleginnen und Kollegen. Ihre Rückfragen, Irritationen und Einsprüche haben uns geholfen, zentrale Stellen zu überdenken und den Text zu schärfen.
Wenn dieses Buch in der zweiten Auflage dazu beiträgt, die Grundlagen Sozialer Arbeit nicht nur zu lehren oder zu lernen, sondern sie im besten Sinne zu bedenken – als Beruf, als Wissenschaft, als Praxis unter Bedingungen der Ungewissheit –, dann erfüllt es seinen Zweck.
Aachen, September 2025
Roland Brake, Ulrich Deller
Vorwort
Soziale Arbeit ist eine der wichtigsten Aufgaben moderner Gesellschaften. In den letzten 50 Jahren hat sich die Zahl der Stellen in der Sozialen Arbeit in Deutschland verzehnfacht. Der soziale Wandel in unserer Gesellschaft ist ohne sie nicht denkbar. Nicht ohne Grund gehört Soziale Arbeit zu den beliebtesten Studiengängen in unserer Gesellschaft. Dennoch hat sie auch mit großen Herausforderungen zu kämpfen. Diese Entwicklung wollen wir mit einer grundlegenden, praxisorientierten und an einigen Stellen anspruchsvollen Einführung in die Soziale Arbeit unterstützen. Soziale Arbeit ist als Profession etabliert und aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken und wird zugleich immer auch begrenzt und in ihren Möglichkeiten eingeschränkt. Die hier vorgelegten Grundlagen zeigen, dass es eine gute Basis gibt, diese Profession auch als Disziplin im Wissenschaftssystem zu etablieren.
Soziale Arbeit ist ein hochkomplexes und in der Praxis stark differenziertes Gebilde.
In Kapitel 1 zeigen wir, was alles dazu gehört und auf welche Weise in diesem Handlungssystem Einheit gestiftet werden kann, um die Orientierung nicht zu verlieren.
In Kapitel 2 beschreiben wir, was es bedeutet von Sozialer Arbeit als einer eigenen Profession zu sprechen, und welche Kompetenzen die Fachlichkeit Sozialer Arbeit ausmachen.
In Kapitel 3 wird deutlich, dass diese Überlegungen auch historische Ansätze widerspiegeln. Wir bauen in der Sozialen Arbeit auf (zum Teil ur-) alten historischen Fundamenten auf. Diese haben sich aber an einigen Stellen unter der Hand entscheidend verändert. Dabei reflektiert die Geschichte der Sozialen Arbeit die Geschichte der Entwicklung unserer Gesellschaft und umgekehrt.
In welch großen Schritten diese Entwicklung in den letzten 100 Jahren verlaufen ist, kann man im Kapitel 4 über die Ausbildung in Sozialer Arbeit nachvollziehen. Theorie Sozialer Arbeit ist immer Theorie einer menschlichen Praxis. Als solche beschreibt Theorie die Praxis, erklärt sie und leitet sie an.
Wie dies in unterschiedlichen Ansätzen gelingt, beschreiben wir in Kapitel 5. Dass diese Angebote sehr unterschiedlich sind und auch widersprüchlich erscheinen mögen, ist ein angemessener Ausdruck des akademischen Diskurses, an dem wir Sie herzlich einladen teilzunehmen!
Kapitel 6 zeigt nach den historischen und theoretischen Absicherungen in einem dritten Schritt, wie methodisch aus der gleichsam von allen Menschen mehr oder weniger beherrschten kommunikativen Praxis fachlich anspruchsvolle Soziale Arbeit wird. Die klassische Methodentrias Einzel(fall)hilfe, soziale Gruppenarbeit und Gemeinwesenarbeit hat sich erweitert und zeigt dennoch die grundlegende Orientierung: Soziale Arbeit heißt mit Individuen, mit Gruppen und mit Gemeinwesen arbeiten.
Kapitel 7 bringt konzentriert zum Ausdruck, wie stark die Hilfestellung, die Soziale Arbeit leistet, organisiert und strukturiert ist; Träger Sozialer Arbeit in vielfaltigen Formen werden dargestellt.
In diesem Sinn ist Kapitel 8 nicht in erster Linie eine Reaktion auf die zunehmende Bedeutung wirtschaftlicher Fragestellungen in der Sozialen Arbeit, sondern nimmt Bezug zu ihrer organisierten Wirklichkeit. Dieses Organisieren muss gestaltet, muss ge-managet werden. Soziale Arbeit gibt es nicht losgelöst von diesen Organisationen und von den Überlegungen, ob und wie sie sich in die betriebswirtschaftliche Realität unserer Gesellschaft einfügt.
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Ulrich Deller, Roland Brake: