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4 Herausforderungen für die Soziale Arbeit
Der Gegenstandsbereich der Sozialen Arbeit ist im weiten Sinne das „Verhindern und Bewältigen sozialer Probleme“ (Engelke et al. 2016: 20). Folgt man Engelke et al. (2016: 20), ist es Aufgabe der Sozialen Arbeit als Disziplin, soziale Probleme und die Möglichkeiten, sie zu verhindern bzw. zu bewältigen, mittels wissenschaftlicher Erkenntnis- und Forschungsmethoden zu analysieren. Dieses durch die Disziplin generierte Wissen ist wiederum notwendige Voraussetzung für professionelles Handeln und bedarf einer fall- und kontextbezogenen Relationierung der Fachkräfte (vgl. Dewe/Otto 2012: 210). Professionalität im beruflichen Handeln ist demnach durch die Gleichzeitigkeit von Theorie- und Fallverstehen gekennzeichnet und die Soziale Arbeit als Profession kann mit Engelke et al. als die „tätige Antwort auf soziale Probleme“ (Engelke et al. 2016: 21) gefasst werden. Damit bezieht sich die Soziale Arbeit sowohl als Disziplin als auch als Profession auf soziale Probleme, verfügt jedoch über kein geteiltes Verständnis davon, wie soziale Probleme zu bestimmen sind. Auf Basis einer umfassenden Zusammenstellung zahlreicher Definitionen hat Groenemeyer (2012) drei Merkmale herausgearbeitet, die soziale Probleme imWesentlichen kennzeichnen: (1) der Schaden, den soziale Probleme darstellen, bzw. das Leiden, das mit sozialen Problemen verbunden ist, (2) die Bedeutung der öffentlichen Thematisierung und Problematisierung des sozialen Problems und (3) die Aufforderung zur Bearbeitung oder zur Lösung des sozialen Problems (vgl. Groenemeyer 2012: 28 f.).
In den vorangegangenen Kapiteln wurden sexualisierte Gewalt gegen Bewohnerinnen der stationären Altenhilfe und ihre Folgen für die Betroffenen als soziales Problem markiert und analysiert. Daran anschließend thematisieren die folgenden Ausführungen zwei exemplarische Herausforderungen und daraus resultierende Handlungsmöglichkeiten der Sozialen Arbeit: Zum einen die Politisierung (4.1), um das soziale Problem der sexualisierten Gewalt gegen Bewohnerinnen der stationären Altenhilfe als politisches und damit öffentliches, gesellschaftlich relevantes Thema zu etablieren. Zum anderen Schutzkonzepte (4.2), um Ansätze aufzuzeigen, die eine Veränderung in Organisationen der stationären Altenhilfe bewirken und damit einen Beitrag zur Verhinderung und Bearbeitung des sozialen Problems sexualisierter Gewalt gegen Bewohnerinnen leisten können.
4.1 Politisierung
Körper, Geschlecht und Sexualität sind politisch – dies zeigt nicht erst das jahrzehntelange Ringen um das Abtreibungsgesetz, die Sexualstrafrechtsreform oder die gleichgeschlechtliche Ehe. Dieser Annahme folgend ist auch sexualisierte Gewalt als Politikum zu werten und im Sinne Groenemeyers (2012: 29) öffentlich zu thematisieren und zu problematisieren. Deshalb fordern die Autorinnen die Politisierung des Themas sexualisierter Gewalt im Sinne eines kollektiven Umgangs, der über die oft geäußerte Betroffenheitsrhetorik politischer Amtsträger*innen hinausgeht und sexualisierte Gewalt als das anerkennt, was sie ist: ein tief verwurzeltes Phänomen bzw. soziales Problem. Hier sind u. a. politische Maßnahmen im Sinne einer Querschnittsaufgabe gefragt, die die kollektive Verantwortung für sexualisierte Gewalt anerkennen, die ernsthafte Täter*innen- und Bystander-Prävention54 voranbringen und zugleich die solidarische Unterstützung, die über bloße Lippenbekenntnisse hinausgeht, zur Aufarbeitung mit Betroffenen und Täter*innen zeigen.
Ausgangspunkt der Forderung nach einer Politisierung ist folgender: Sexualisierte Gewalt, die gegen ein Individuum verübt wird, sollte auch als Missachtung gesellschaftlicher Werte gedeutet werden und die Betroffenheit bzw. Aufarbeitung des Falls darf nicht nach der Klärung von Einzelfällen abebben. Aus dieser Perspektive kann der Anspruch formuliert werden, sexualisierte Gewalt als etwas anzuerkennen, das kollektiv alle Menschen einschränkt und – mit Blick auf verschiedene Polarisierungs- und Deutungssysteme sexualisierter Gewalt (beispielsweise Victim Blaming, Tabuisierung sexualisierter Gewalt gegen vulnerable Personengruppen) – auch zu spalten vermag. Folglich sollte jeder Fall sexualisierter Gewalt, von der in der Mikrobetrachtung nur eine einzelne Person betroffen zu sein scheint, auf der Makroebene als Übergriff gegen alle Menschen der Gesellschaft bewertet werden. Dies mag bei dem Problemfeld sexualisierter Gewalt gegen Kinder bereits recht gut gelingen – hier herrscht gesamtgesellschaftlich Einigkeit, dass sich sexuelle Annäherungen an Kinder verbieten. Was sexualisierte Übergriffe gegen andere vulnerable Personengruppen angeht, insbesondere ältere und alte Menschen, so sucht man einen breiten (Verbots‐)Diskurs hierzu vergebens (vgl. u. a. Bows 2019). Die Politik hat es verpasst, auch das Sujet sexualisierte Gewalt gegen ältere Frauen in den allgemeinen Diskurs zu sexualisierter Gewalt einzubringen. Mit der Praxis der Nicht-Thematisierung sexualisierter Gewalt gegen alte Menschen im öffentlichen Raum geht eine „Epistemic injustice“ (Fricker 2007), eine hermeneutische Ungerechtigkeit, einher. Kavemann et al. (2022) brachten die Theorie der hermeneutischen Ungerechtigkeit in den Diskurs um sexualisierte Gewalt gegen Kinder ein, die sich auch auf den Kontext sexualisierter Gewalt gegen Frauen im Fünften Alter anwenden lässt. Mit hermeneutischer Ungerechtigkeit ist eine Form struktureller Diskriminierung von Menschen gemeint, die für das, was sie erleben, keine Worte haben, da sie ihnen nicht beigebracht wurden, es keine gibt bzw. die Betroffenen ihr Erleben nicht in ihrem Lebenskontext repräsentiert sehen und daher ihr Erleben als irrelevant einordnen (vgl. Fricker 2007: 149). Die sexualisierte Gewalt, die Frauen im Fünften Alter erleben (müssen), ist in ihrer lebensweltlichen Sprachpraxis nicht mit ihnen und ihrem Alter verkoppelt, da sie meist nur auf Kinder, Jugendliche und junge Frauen angewendet wird. Nur eine entschiedene Anerkennung der sexualisierten Gewalt, die sie sichtbar und artikulierbar macht, kann die hermeneutische Ungerechtigkeit reduzieren (vgl. Kavemann et al. 2022: 145). Diese Anerkennung bedeutet, so Kavemann et al. (2022: 145), auch die Anerkennung der dramatischen Erfahrung der Betroffenen, die Anerkennung des Leids und der Bewältigungskraft zum Umgang mit dem Leid, die Anerkennung des Fakts, dass Unrecht geschehen ist, und die klare Mitteilung, dass die Tat und das Erleben nicht in Zweifel gezogen werden. Diese Anerkennung können den betroffenen Frauen im Fünften Alter auf individueller Ebene beispielsweise An- und Zugehörige sowie Fachkräfte entgegenbringen, sie sollte jedoch auch auf politischer Ebene erfolgen, um hermeneutische Ungerechtigkeit abzubauen. Die individuelle Anerkennung kann den betroffenen Personen unmittelbar durch den Kontakt zu ihnen nahestehenden Menschen und so scheinbar leichter entgegengebracht werden. Die Politik benötigt durch ihre Distanz zu den Betroffenen eine deutlich klarere Verantwortungs- und Anerkennungspraxis, um diese zu erreichen.
Für betroffene Kinder wurde auf politischer Ebene durch die Einrichtung der Stelle der bundespolitischen unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM)55 ein erster begrüßenswerter Schritt zum Abbau hermeneutischer Ungerechtigkeit gemacht. Im Hinblick auf von sexualisierter Gewalt betroffene Erwachsene sollte die UBSKM jedoch entweder ihre Perspektive öffnen oder es sollte eine äquivalente Behörde für andere Betroffenengruppen berufen werden, da aktuell ausschließlich die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt, welche in Kindheit und Jugend erlebt wurde, fokussiert wird. Die Aufforderung der UBSKM, Schutzkonzepte gegen sexualisierte Gewalt zu entwickeln und zu etablieren, die sich bisher vornehmlich an Schulen zum Schutz ihrer Schüler*innen richtet, könnte durch die Ausweitung der Adressat*innengruppe auch generell an alle sozialen Organisationen ergehen. Damit wären auch Einrichtungen der stationären Altenhilfe verpflichtet, Schutzkonzepte für ihre Bewohner*innen vorzulegen (siehe hierzu Kapitel 4.2). Gefragt ist also eine staatlich gerahmte Programmatik, die insbesondere die spezifische Vulnerabilität von Menschen im Fünften Alter in den Blick nimmt. Dies würde auch der Forderung der „UNECE-Ministerkonferenz über das Altern“ (UNECE Ministerial Conference 2017) entsprechen, die Politik habe das Altern in Würde zu gewährleisten, indem sie Gewalt und Misshandlungen verhindert:
We are also cognizant that policies on health and welfare of older persons in many member States need to be complemented with measures aimed at empowering older persons, particularly older women, safeguarding their dignity and preventing all forms of discrimination, abuse, violence and neglect. (UNECE Ministerial Conference 2017: 3)
In diesem Aufruf wird die spezifische Schutzbedürftigkeit älterer Frauen deutlich hervorgehoben und die Politik als gewährleistendes Organ adressiert. Ob die deutsche Politik der Aufforderung, eine UN-Altenrechtskonvention aktiv anzustreben, mit zu verfassen und zu ratifizieren, in Zukunft nachgekommen wird, wird sich zeigen. Die entsprechenden Absichtserklärungen der inzwischen regierenden Parteien von 2021 lassen hoffen (vgl. BAGSO 2021).
Auch aus (gesundheits-)ökonomischer Perspektive kommt der Verhinderung sexualisierter Gewalt eine große Relevanz zu. Studien zu den Folgen sexualisierter Gewalt weisen auf die hohen Folgekosten hin. So schätzt beispielsweise eine Studie des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE) die Kosten infolge geschlechtsspezifischer Gewalt für Gesundheitssystem, Justiz, Polizei und Arbeitsmarkt in Deutschland auf ca. 54 Milliarden Euro pro Jahr (vgl. EIGE 2021: 22). Auf diese hohen Summen würde auch ein politischer Ansatz reagieren können, der sexualisierte Gewalt stärker als Thema der öffentlichen Gesundheit bzw. der „Public Health“56 anerkennt (vgl. Butchart et al. 2019; McCartan et al. 2015). Durch das interdisziplinäre Zusammenwirken des Public-Health-Ansatzes mit einer entsprechenden intersektionalen Gesundheitspolitik-Agenda könnten die folgenden Forderungen erfüllt werden: (1) die Aufstockung der Forschungsförderung zu evidenzbasierten Präventionsmaßnahmen, (2) die Ausweitung von spezialisierten Psychotherapieangeboten für Betroffene und Täter*innen (besonders im Sinne der Rückfallprophylaxe), (3) die Anpassung der Ausbildungsinhalte von Fachkräften aus allen sozialen, pädagogischen und medizinischen Sektoren hinsichtlich sexualisierter Gewalt und deren Verhinderung, (4) die Ratifizierung einer UNAltenrechtskonvention sowie (5) alters- und geschlechtsspezifische sexuelle Bildung als Präventionsmaßnahme.
Diese Liste ließe sich durch Maßnahmen erweitern, die sich mit steigendem gesellschaftlichem Interesse an der Thematik leichter umsetzen ließen, um die Politisierung und politische Bewusstwerdung bezüglich sexualisierter Gewalt gegen Frauen im Fünften Alter voranzutreiben.
4.2 Schutzkonzepte
Durch Erfahrungen sexualisierter Gewalt hervorgerufene Traumata und der gesellschaftliche Umgang mit ihnen stellen häufig eine große Herausforderung für die Betroffenen dar. Sie beeinflussen ihr gesamtes Leben und Erleben und können im Falle von manifestierten Traumatisierungen nachhaltige Folgen haben. Umso wichtiger sind präventive Bemühungen, um sexualisierter Gewalt in Einrichtungen der stationären Altenhilfe möglichst frühzeitig und effektiv zu begegnen. Dabei gilt es die „Täter-Opfer-Institutionen-Dynamik“ (Wolff 2014: 101) zu berücksichtigen, sprich, das „Zusammenwirken zwischen personengebundenen, organisationsbezogenen und systembezogenen Faktoren“ (Wolff 2014: 101) zu analysieren und sowohl an der individuellen Professionalität als auch an der organisationalen Struktur anzusetzen. Vor diesem Hintergrund sind eindimensionale, kurzfristige oder formalistische Präventionsstrategien nicht erfolgversprechend. Neben der Notwendigkeit, ein integratives Präventionsverständnis zu entwickeln, das professionalisierende und strukturierende Momente beinhaltet, gilt es eine alleinige Fokussierung des Schutzaspektes zu vermeiden. So droht Sielert zufolge die Debatte in zweierlei Hinsicht zu vereinseitigen: „Zum einen ist mehr von Gewalt als von Sexualität die Rede, zum anderen mehr von Kontrolle als von […] Bildung“ (Sielert 2014: 111). Mit Blick auf die allgemeine Debatte um Schutzkonzepte muss gleichwohl auch konstatiert werden, dass diese in den verschiedenen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit einen unterschiedlichen Stellenwert eingenommen hat. Röder und Pätzmann-Sietas (2018: 394) weisen zurecht darauf hin, dass es im Bereich der Kinder und Jugendlichen am Runden Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ auch eine Diskussion über Schutzkonzepte vor sexualisierter Gewalt in Einrichtungen gab. Eine vergleichbare Diskussion um und eine Entwicklung von Präventions- und Interventionsmaßnahmen wie im Kinderschutz haben im Bereich der Altenhilfe in diesem Ausmaß bisher nicht stattgefunden (vgl. Röder/Pätzmann-Sietas 2018: 394). Auch bei den gesetzlichen Regelungen zeigen sich Differenzen. So finden sich für die Kinder- und Jugendhilfe rechtsverbindliche Anforderungen, die im Bereich der Altenhilfe fehlen. Hirsch (2016: 81) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die „Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen“ (BMFSFJ/BMG 2014) zwar Auswirkungen auf manche Gesetzesveränderungen habe, jedoch keine Rechtsverbindlichkeit für sie besteht. Vor diesem Hintergrund werden im Folgenden allgemeine Bausteine von Schutzkonzepten beschrieben sowie konkrete Maßnahmen zur Prävention als integraler Bestandteil von Schutzkonzepten in der stationären Altenhilfe vorgestellt.
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54 Während es für die Kindheits- und Jugendphase etliche Angebote sexueller Bildung gibt, so dünnt sich das Feld mit steigendem Alter der Adressat*innen deutlich aus; sexuelle Bildung für alte und hochaltrige Menschen gibt es in programmatischer Weise bislang im deutschsprachigen Raum nicht (vgl. Wagner/Wichers 2021: 307). Gleichwohl kann auch für die sexuelle Bildung in Schulen noch nicht von einem flächen- und bedarfsdeckenden Angebot gesprochen werden (vgl. Siemoneit/Windheuser 2021: 246ff.); im Gegenteil: es formieren sich immer wieder Gegenbewegungen, die sexuelle Bildung als ‚Frühsexualisierung‘ von Heranwachsenden diffamieren und in ihr den Werteverfall der Gesellschaft erkennen (vgl. Siemoneit/ Verlinden 2023: 131). Nach Überzeugung der Autorinnen würde eine ernsthaft betriebene Täter*innen- und Bystander-Prävention zuvorderst dort ansetzen, wo Annahmen und Einstellungen, die sexualisierte Übergriffe beeinflussen, erstmalig auftauchen und sich etablieren: im Kindes- und Jugendalter (vgl. Stein-Hilbers 2000: 62ff.). Hier ließen sich sowohl über eine schulische, fächerübergreifende sexuelle Bildung als auch über sexuelle Bildungsangebote in außerschulischen, non-formalen Settings relevante Haltungs-, Handlungs- und Wissensfragen klären, die wiederum nachhaltig zur Reduktion sexualisierter Gewalt beitragen würden. Erste Studien zur Wirksamkeit sexualpädagogischer Bildungsangebote, die gezielt das Thema sexualisierte Gewalt und die Eigenverantwortung als potenzielle*r Bystander adressieren, konnten die Reduktion von Annahmen, die sexualisierte Gewalt bagatellisieren, bei den Teilnehmer*innen belegen (vgl. u. a. Kettrey/Marx 2019). Hinsichtlich der Wirkungen sexueller Bildungsangebote in der Kindheit und Jugend wären Langzeitstudien weiterführend, die die Effekte solcher Bildungsmaßnahmen evaluieren. Sexuelle Bildung braucht nach Auffassung der Autorinnen (1) eine alle Lebens-, Bedürfnis- und Entwicklungsphasen abdeckende Angebotsstruktur und (2) eine thematische Erweiterung der ‚klassischen Sexualaufklärung‘, bei der es zum Thema sexualisierte Gewalt meist noch an der Diskussion und Reflexion von Konsens, Verantwortung, Geschlechtergerechtigkeit, Männlichkeits- und Weiblichkeitszuschreibungen, gesellschaftlichen Machtverhältnissen, Umgang mit stereotypisierten, unrealistischen Darstellungen in pornografischen Materialien etc. mangelt.
55 Diese Stelle ist das Ergebnis zähen, jahrzehntelangen Drängens von Betroffenenverbänden und (feministischen) Akteur*innen und Fachberatungsstellen, aber auch die Reaktion auf das Bekanntwerden der hohen Fallzahlen sexualisierter Gewalt in pädagogischen Einrichtungen wie dem Odenwald-Internat oder dem Canisiuskolleg 2010 zu deuten. Bedauerlicherweise ist diese staatliche Stelle allerdings nicht weisungs- und handlungsbefugt. Eine Ausweitung der Machtbefugnisse dieser Behörde, so dass die Ergebnisse der UBSKM auch in ihren Handlungsaufforderungen wirkmächtiger wäre, ist erstrebenswert.
56 Der Public-Health-Ansatz konzentriert sich auf die Sicherheit und den Nutzen von Präventions- und Interventionsmaßnahmen für eine größtmögliche Gruppe von Menschen und entwickelt Lösungen vor dem Hintergrund aktueller Erkenntnisse aus Medizin, Epidemiologie, Soziologie, Psychologie, Kriminologie, Pädagogik und Ökonomie für das jeweils anvisierte Problem.
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Charlotte Rimbach, Karla Verlinden, Sabrina Schmidt, und Julia Steinfort-Diedenhofen:
Die Autorinnen
Charlotte Rimbach hat den Bachelor Soziale Arbeit an der Katholischen Hochschule NRW absolviert, aktuell studiert sie den Master „Diversität – Forschung – Soziale Arbeit“ an der Universität Kassel. Zuvor arbeitete sie mehr als 2 Jahre mit Freude beim „Altentheater des Freien Werkstatt Theaters“ (Köln) und ehrenamtlich bei „Paula e.V. – Beratungsstelle für Frauen ab 60“. Ihre wissenschaftlichen Interessenschwerpunkte liegen in der (kritischen) Gerontologie, (feministischen) Gewaltforschung, und den Disability Studies.
Sabrina Schmidt ist Professorin für Soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt Kinder- und Jugendhilfe am Fachbereich Sozialwesen der Katholischen Hochschule NRW in Köln. Ihre Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind die Hilfen zur Erziehung – insbesondere die Heimerziehung – sowie Fragen von professionellem Handeln und Organisieren in der Sozialen Arbeit. Mit Blick auf das Thema sexualisierte Gewalt liegt ihr Fokus auf den organisationalen Bedingungen, die gegebenenfalls Machtmissbrauch erleichtern sowie aufrechterhalten und damit begünstigen können.
Julia Steinfort-Diedenhofen ist seit zehn Jahren Professorin am Fachbereich Sozialwesen der Katholischen Hochschule NRW in Köln. Dort lehrt und forscht sie im Themengebiet Theorien, Konzepte und Methoden Sozialer Arbeit mit dem Schwerpunkt Geragogik. Die vielfältigen Lebenslagen älterer Menschen und die daraus resultierenden Bildungs- und Lernanlässe sowohl für die Älteren als auch für Fachkräfte, die in den Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit mit älteren Menschen arbeiten, verfolgt sie mit verschiedenen Schwerpunktsetzungen. Das Thema der sexualisierten Gewalt ist in der Geragogik bisher noch nicht im Blick gewesen und bildet somit einen neuen, wichtigen Ausgangspunkt weiterer Forschungen.
Karla Verlinden ist Professorin für Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunkt Resilienz an der Katholischen Hochschule NRW. Zudem ist sie approbierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin und hat seit über 15 Jahren Expertise in der Intervention als auch Prävention sexualisierter Gewalt (insbesondere gegen marginalisierte Personengruppen). Ihre Forschungs- und Interessensschwerpunkte sind neben dem Problemfeld sexualisierter Gewalt die Resilienzforschung und sexuelle Bildung – welche Verlinden als zentralen Schlüssel für die Prävention sexualisierter Gewalt ansieht.
Über „Sexualisierte Gewalt in Einrichtungen der stationären Altenhilfe“
Das Thema sexualisierte Gewalt im Kontext stationärer Altenhilfe kann als ein Forschungsdesiderat bezeichnet werden, wie der im Rahmen dieser Arbeit entstandene Datenkorpus belegt. Das Buch untersucht und identifiziert sexualisierte Gewalt gegen Bewohnerinnen der stationären Altenhilfe als bislang kaum beachtetes Phänomen und als praktische Herausforderung in diesem Feld. So wird mittels einer systematischen Literaturrecherche dieses Thema als deutliches Forschungsdesiderat im (inter-)nationalen Raum rekonstruiert und als Auftrag für Disziplin und Profession Sozialer Arbeit diskutiert.
© Titelbild: gestaltet mit canva.com