Einführung in das politische System der Bundesrepublik Deutschland. Grundstrukturen und Funktionen
Über das Buch
Auf welchen Grundstrukturen basiert das politische System der Bundesrepublik Deutschland? Wer sind die zentralen Akteure? Wie sind die wichtigsten Prozesse und Institutionen beschaffen? Das Buch baut auf den Grundbegriffen – Staat, Verfassung, Demokratie – auf, führt über die politische Geschichte der Bundesrepublik hin zum Grundgesetz, zur gesellschaftlichen Willensbildung und schließlich zu den Grundzügen der parlamentarischen Demokratie mit den politischen Organen. Die umfassend aktualisierte Neuauflage enthält Vertiefungen zu aktuellen Problemlagen, u.a. zu den Themen EU, Meinungs- und Pressefreiheit sowie Rechtsextremismus.
Lieber Michael Becker, Ihr Titel Einführung in das politische System der Bundesrepublik Deutschland erscheint in einer zweiten, überarbeiteten Auflage. 2011 erschien die erste. Welche Inhalte sind in der zweiten Auflage hinzugekommen?
Inhaltliche Neuerungen ergaben sich aus der Art und Weise, wie das politische System, mit seinen gleichgebliebenen Strukturen, aber mit anderem politischen Personal, auf neu auftretende Probleme reagiert hat. Ein Schwerpunkt ergab sich dabei automatisch aus der fünfzehnjährigen Amtszeit von Kanzlerin Merkel und deren inhaltlich kaum fassbaren Politikstil, der an vielen Stellen nicht nur nicht problemlösend, sondern auch problemverursachend wirkte. Daneben wirft die Verzahnung des politischen Systems der Bundesrepublik mit dem der Europäischen Union verstärkt demokratie- bzw. souveränitätstheoretische Fragen auf, die aber in erster Linie nicht seitens der Politik, sondern vom Bundesverfassungsgericht thematisiert werden. Schließlich befassen sich einige Parteien, vor allem Die Linke, aber auch die SPD, mit der sogenannten „Identitätspolitik“, die das traditionelle Thema der sozialen Gerechtigkeit in den Hintergrund zu drängen droht.
Welche Herausforderungen bringt die Arbeit an einem Einführungs- bzw. Grundlagenwerk mit sich?
Eine „Einführung in das politische System der Bundesrepublik Deutschland“ muss zumindest zweierlei leisten: Sie muss zum einen verlässlich die zahlreichen wichtigen Einzelelemente, das heißt, Institutionen eines solchen Systems beschreiben und relevante Details hervorheben, ohne sich zu sehr in Spezialfragen zu verlieren – dafür müssen Einzeldarstellungen herangezogen werden). Gleichwohl müssen Veränderungen über die Zeit hinweg, vor allem im personellen Bereich, erfasst und am Ende auch ein möglichst aktueller Stand der Dinge vermittelt werden. Das ist mit der umfassenden Überarbeitung für die vorliegende zweite Auflage des Buches unternommen worden. Zum anderen muss eine „Einführung“ aber auch zu den Grundstrukturen und Prinzipien eines politischen Systems Auskunft geben. Dazu wurden immer wieder Beziehungen zum Grundgesetz der Bundesrepublik hergestellt und grundsätzliche Überlegungen im Ausgang von Klassikern der modernen politischen Theorie mit einbezogen. Die Idee war dabei, die Beschreibung eines konkreten politischen Systems mit abstrakten politiktheoretischen Überlegungen zu verbinden.
Hat sich der Prozess der politischen Willensbildung in den vergangenen Jahren verändert – und wenn ja, wie?
In Bezug auf Veränderungen in der politischen Willensbildung in den vergangenen Jahren sind vor allem zwei Faktoren anzuführen: zum einen der Versuch, die Grenzen des im politischen Diskurs bzw. in der Öffentlichkeit Sagbaren immer enger zu ziehen. Inspiriert von grundsätzlich nachvollziehbaren Bemühungen in den USA, die auch durch die Sprache verursachten Diskriminierungen von Minderheiten zu unterbinden, wurde hierzulande in einer anderen gesellschaftlichen Wirklichkeit, die noch nicht vor allzu langer Zeit allgemein akzeptierte Maxime in Zweifel gezogen, dass in einem öffentlichen Dialog „alle alles“ behaupten und bestreiten können. Zum anderen stammt eine mindestens ebenso problematische Veränderung aus dem politischen System selbst: Vor allem in den zurückliegenden Jahren der Großen Koalitionen hat das Niveau der von der Regierung selbst an den Tag gelegten öffentlichen Diskussion bzw. der Rechtfertigung ihrer Politik einen erschreckenden Tiefpunkt erreicht. Prinzipienlosigkeit und Opportunismus haben Kehrtwendungen über Nacht auch im Grundsätzlichen als normal erscheinen lassen und politische Willensbildung auf Fragen der Personenwahl reduziert.
Der Aufstieg rechtspopulistischer Parteien, sinkende Wahlbeteiligung, mangelndes Vertrauen in politische Institutionen – lässt sich sagen, dass die Demokratie in Deutschland in Gefahr ist?
Die liberale Demokratie in der Bundesrepublik bzw. der deutsche Verfassungsstaat hat sich in den vergangenen Jahren als sehr solide erwiesen. Dazu hat auch die Leistungsfähigkeit des ökonomischen Systems und der damit einhergehende relative Wohlstand, wenn nicht für alle, so doch für viele, beigetragen sowie eine stabile außenpolitische Lage. Der Rechtspopulismus (und -extremismus) ist ein europaweit und nicht nur in Deutschland auftretendes Phänomen, dem durch klare programmatische Aussagen und durch den Willen zur Problemlösung entgegen getreten werden kann. Allerdings machten sich es Regierungen der letzten Jahre hierzulande, zumal diejenigen in Großen Koalitionen, viel zu leicht, Reaktionen auf real existierende und vor allem von ihnen selbst verursachte Fehlentwicklungen als rechtsextrem zu brandmarken. Demgegenüber muss festgehalten werden: Es gibt auch einen Populismus der Mitte, und paradoxerweise können gerade Regierungen, denen mehrheitlich vertraut wird, durch aufgeschobene Problemlösungen zur Unzufriedenheit mit der Demokratie beitragen. Regierungsverantwortliche müssten die Demokratie ernster nehmen, bevor das Bundesverfassungsgericht auf nationaler Ebene sie dazu anhält. Auch in der Europäischen Union, die nach wie vor an einem erheblichen Demokratiedefizit leidet, werden selbst noch so vorsichtige Demokratisierungsbemühungen schnell wieder kassiert, wie anlässlich der jüngsten Besetzung des Amtes der Kommissionspräsidentin deutlich wurde.
Kurzvita des Autors
Michael Becker, Promotion 1991 an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz, 2001 Habilitation an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg, 2002-2006 Vertretungsprofessuren an den Universitäten in Bamberg, Konstanz und Landau. Seit 2007 an der Universität Julius-Maximilians-Universität Würzburg, dort 2019 Ernennung zum außerplanmäßigen Professor. Forschungsschwerpunkte: Konstitutionelle Demokratie, politischer Liberalismus, moderne westliche politische Theorie und zeitgenössische indische politische Theorie.
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Grundstrukturen und Funktionen