„Hochschulabgänger*innen müssen ihren beschäftigungspraktischen Handlungsspielraum in Richtung Nachhaltigkeit ausloten.“ – Interview mit Corinne Ruesch Schweizer, Autorin von „Kompetenzen für eine Nachhaltige Entwicklung aus der Perspektive beruflicher Praxis”

Kompetenzen für eine Nachhaltige Entwicklung aus der Perspektive beruflicher Praxis
Eine empirische Untersuchung zu idealtypischen subjektiven Theorien über nachhaltigkeitsbezogene Anforderungen

von Corinne Ruesch Schweizer

 

Über das Buch

Wozu soll Nachhaltigkeitskompetenz Hochschulabgänger*innen in ihrer beruflichen Praxis befähigen? Corinne Ruesch Schweizer geht dieser bisher zumeist normativ diskutierten Frage mit einer qualitativ-empirischen Studie nach. Über Situationsschilderungen der von ihr befragten Praxisexpert*innen arbeitet sie typische nachhaltigkeitsbezogene Anforderungen beschäftigungspraktischer Situationen heraus. Damit liefert sie nicht nur eine empirisch-fundierte Entscheidungs- und Reflexionsgrundlage für die curriculare Gestaltung von Studienangeboten im Kontext der Hochschulbildung für Nachhaltige Entwicklung, sondern zeigt auch die Relevanz des organisationalen Handlungskontextes für die Präzisierung der Nachhaltigkeitskompetenz auf.

 

Liebe Corinne Ruesch Schweizer, worum geht es in Kompetenzen für eine Nachhaltige Entwicklung aus der Perspektive beruflicher Praxis?

Mit meiner Studie bin ich der Frage nachgegangen, welche Anforderungen sich für Hochschulabgänger*innen stellen, wenn sie in ihrer beruflichen Praxis Verantwortung für Nachhaltige Entwicklung übernehmen wollen oder sollen. In den geführten Experteninterviews mit Personen, die in der Organisation, in der sie tätig sind, den Beitrag zu einer Nachhaltige Entwicklung über mehrere Jahre vorangetrieben haben, wird deutlich, wie Hochschulabgänger*innen ihren beschäftigungspraktischen Handlungsspielraum ausloten müssen, um organisationales Handeln in Richtung Nachhaltigkeit zu verändern. Mit diesem Wissen ließ sich dann präziser fassen, was es heißt, in einer beschäftigungspraktischen Situation nachhaltigkeitskompetent zu agieren. Damit bietet das Buch eine Grundlage, um Kompetenzerwartungen für nachhaltigkeitsbezogene Studienangebote zu formulieren.

 

Wie kamen Sie auf die Idee, dieses Buch zu schreiben? Gab es einen „Stein des Anstoßes“?

Ausgangspunkt meiner Dissertation war die im Rahmen eines Forschungsantrags entwickelte Idee, Vignetten für die Erhebung von Nachhaltigkeitskompetenz zu entwickeln. Aus diesem Blickwinkel fiel mir für die Hochschulbildung auf, dass die hier formulierten Nachhaltigkeitskompetenzen vor allem Dispositionen – also Wissen, Können und die Bereitschaft – benennen. Demgegenüber blieb die mit der Kompetenz zu bewältigenden Situationen oder anders gesagt, der Leistungsanspruch, den ein*e Hochschulabgänger*in in der Praxis einlösen können soll, vage. Dieser Befund führte mich zu meiner Forschungsfrage.

 

Wie ist die Studie methodologisch gerahmt?

Als Zugang zu nachhaltigkeitsbezogenen Situationsanforderungen, die sich Hochschulabgänger*innen stellen, habe ich die subjektive Sicht von Expert*innen auf nachhaltigkeitsbezogene Situationen in der beruflichen Praxis gewählt. Im Mittelpunkt stehen also subjektive Theorien über nachhaltigkeitsbezogene berufliche Situationen. Dabei ging es mir vor allem um die gemeinsamen Perspektiven der Befragten. Dieses habe ich mit dem Ziel, den invarianten Kern der wahrgenommenen Realitäten nachhaltigkeitsbezogener Situationen zu identifizieren, zunächst inhaltsanalytisch herausgearbeitet, um dann mittels empirisch begründeter Typenbildung idealtypische Argumentationsstrukturen zu nachhaltigkeitsbezogenen Situationsanforderungen zu charakterisieren.

 

Wie würden Sie die Studienergebnisse in maximal drei Sätzen zusammenfassen?

Die in der Studie herausgearbeiteten idealtypischen nachhaltigkeitsbezogenen Anforderungen in der Beschäftigungspraxis von Hochschulabgänger*innen machen deutlich, dass individuelles Handeln in der Beschäftigungspraxis nicht im direkten Bezug zu einer Nachhaltigen Entwicklung verstanden werden darf, sondern vermittelt wird über die Gestaltungsoptionen im organisationalen Handeln. Entsprechend bedeutet nachhaltigkeitskompetentes Handeln in der Beschäftigungspraxis von Hochschulabgänger*innen, den eigenen Handlungsspielraum in der Organisation so auszuloten, dass es gelingt, gemeinsam mit anderen organisationsinternen und -externen Stakeholdern Einfluss auf das organisationale Handeln im Sinne einer Nachhaltigen Entwicklung zu nehmen. Der Leistungsanspruch an Hochschulabgänger*innen umfasst somit (a) die Determinanten organisationalen Handelns mit Blick auf deren Veränderung zu durchdringen, (b) sich dabei auf unterschiedlich konkrete Nachhaltigkeitsansprüche zu beziehen und (c) die Motivation aufzubringen, immer wieder neue Möglichkeiten und Mitstreiter*innen zu suchen, mit denen Einfluss auf die Gestaltung organisationalen Handelns genommen werden kann.

 

Darum bin ich Autorin bei Budrich

Ich kannte den Verlag Barbara Budrich zum einen bereits von meinem Beitrag in einem Tagungsband, zum anderen von der Reihe Ökologie und Erziehungswissenschaft der Kommission Bildung für nachhaltige Entwicklung der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE). Die persönliche Begleitung von Beginn an, hat es mir leicht gemacht, mich für den Verlag zu entscheiden. Ich bin gerne Autorin bei Budrich, weil ich mit meinen Anliegen immer auf offene Ohren gestoßen bin und gemeinsam nach passenden Lösungen gesucht wird. Zudem finde ich das Angebot, das Barbara Budrich für ihre Autor*innen anbietet, toll.

 

Kurzvita in eigenen Worten

Portraitfoto von Budrich-Autorin Corinne Ruesch SchweizerAls ich mit meiner Dissertation begonnen habe, war ich Assistentin an der Interfakultären Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie (IKAÖ) der Universität Bern, von wo ich nach deren Auflösung mit unserer Forschungsgruppe Inter- und Transdisziplinarität an das Programm Mensch-Gesellschaft-Umwelt der Universität Basel wechselte. Dort habe ich insbesondere im Nationalfondsprojekt „Auf dem Weg zu einem gesellschaftlichen Konsens“ gearbeitet. Meine Dissertation habe ich parallel dazu als externe Doktorandin am Lehrstuhl Allgemeine Pädagogik an der Universität Bamberg bei Frau Prof. Dr. Annette Scheunpflug geschrieben. Seither bin ich als Dozentin an der Professur Didaktik des Sachunterrichts der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz tätig.

 

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Cover "Kompetenzen für eine Nachhaltige Entwicklung aus der Perspektive beruflicher Praxis"Corinne Ruesch Schweizer:

Kompetenzen für eine Nachhaltige Entwicklung aus der Perspektive beruflicher Praxis. Eine empirische Untersuchung zu idealtypischen subjektiven Theorien über nachhaltigkeitsbezogene Anforderungen

Schriftenreihe Ökologie und Erziehungswissenschaft der Kommission Bildung für Nachhaltige Entwickung der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE)

 

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© Titelbild: gestaltet mit canva.com; Autorinnenfoto Titelbild: FHNW; Autorinnenfoto Kurzvita: Barbara Keller, https://www.barbarakeller.ch/