„Höchste Zeit, die Aufmerksamkeit auf den von Medien und Öffentlichkeit vernachlässigten Frauenfußball zu lenken“ – Interview mit Berndt Keller, Autor von „Frauenfußball: Auf dem langen Weg zum Profisport”

Cover "Frauenfußball: Auf dem langen Weg zum Profisport"

Frauenfußball: Auf dem langen Weg zum Profisport
Aktuelle Entwicklungen und Perspektiven

von Berndt Keller

 

Über das Buch

Frauenfußball ist aus dem deutschen Sportgeschehen nicht mehr wegzudenken und wird doch oft vergessen. Seine aktuellen Entwicklungen haben bisher in Öffentlichkeit, Medien und Wissenschaft zu wenig Beachtung gefunden. Dieses Buch befasst sich deshalb mit einer Vielzahl von Entwicklungen im Frauenfußball, vor allem mit der allmählichen Professionalisierung. Dabei haben sich nicht nur Organisation und Qualität erheblich verändert, sondern vor allem im vergangenen Jahrzehnt auch seine wirtschaftlichen Wettbewerbsbedingungen und Rezeption. Der Autor analysiert zudem ein breites Spektrum finanzieller Fragen im Frauenfußball, das von Vereinsbudgets über Gehälter bis hin zur rasch fortschreitenden Kommerzialisierung und internationalen Entwicklungen reicht.

 

Lieber Berndt Keller, worum geht es in Frauenfußball: Auf dem langen Weg zum Profisport?

Im Einleitungskapitel geht es um wichtige langfristige Veränderungen in Richtung einer allmählichen Teil-Professionalisierung des Frauen­fußballs: Aufhebung des Verbots des „Damenfußballs“ 1970, Entwick­lung der Nationalmannschaft seit den frühen 1980er Jahren, Übergang des Spielbetriebs von regionalen, reinen Amateurligen zur bundesweiten ersten und zweiten Bundesliga in den 1990er Jahren sowie die Unterrepräsen­tation von Frauen im Dachverband DFB.

Im ersten Hauptteil behandelt der Band ausführlich die aktuellen Verschiebungen der Kräfteverhältnisse von kleinen Amateur- zu großen Lizenzvereinen, die finanziellen Voraussetzungen durch Investitionen einiger Lizenzvereine des Männerfußballs sowie die erheblichen Folgen für die Wettbewerbsbedingungen in einer zunehmend unausgeglichenen „Zwei-Klassen-Liga“. Anschließend erfolgt die Analyse der unterschiedlichen Reaktionen der eigen­ständigen Frauen- und der anderen Lizenzvereine sowie der zuneh­men­de Bedeutung des einzigen, finanziell attraktiven internationalen Wettbewerbs, der Women’s Champions League, analysiert. Danach werden die Besonderheiten der „dualen Karrieren“ von Spielerinnen, einschließlich der Probleme der Vereinbarkeit von sportlichen und nach wie vor notwendigen anderen Tätigkeiten sowie die wieder­holt erhobenen Forderungen nach equal pay bzw. Abbau des gender pay gap, behandelt.

Der zweite Hauptteil behandelt ausführlich die aktuell fortschreitende Kommer­zia­lisie­rung. Im Mittelpunkt steht neben der Entwicklung von Zuschauerzahlen bzw. Ticketeinnahmen die Vereinsetats sowie die intensivierte Vermark­tung der lukrativen audiovisuellen Medien­rechte durch einen erheblich verbesserten Medienvertrag. Problematisiert werden dessen Folgen für Vereine und Liga, wie einerseits Verbesserung der Sichtbarkeit und des Bekanntheitsgrades, andererseits weiterhin negative Salden der Mannschaften von Lizenzvereinen.

Zusammenfassung zu Professionalisierung und Kommerzialisierung sowie Ausblick auf unterschiedliche Perspektiven der eigenständigen Entwicklung nicht nur des Spitzen- bzw. Profifußballs, sondern auch des Breiten- und Amateurfußballs der Frauen beschließen den Band. Fazit: Der Frauenfußball hat sich dauer­haft etabliert und nachhaltig modernisiert, allerdings ohne (schon) die Gleichberechtigung mit dem Männerfußball und/oder den Durchbruch zum Massen­sport erreicht zu haben.

 

Wie kamen Sie auf die Idee, dieses Buch zu schreiben? Gab es einen „Stein des Anstoßes“?

Ich hatte mich schon in früheren Arbeiten mit Sport, insbes. Profifußball beschäftigt, u.a. mit (Lieblings-)Vereinen, EU-Regelungen zu Mindestarbeitsbedingungen und der „Spielergewerkschaft“. Dabei ging es ausschließlich um Männerfußball, der nach wie vor die überwiegende Mehrzahl aller Beiträge ausmacht.

„Stein des Anstoßes“ für diesen Band war die Überzeugung, dass es höchste Zeit ist, endlich die Aufmerksamkeit auf den von Medien und Öffentlichkeit bisher weitgehend vernachlässigten Frauenfußball zu lenken. Er erlebt gerade eine uner­wartet rasante Entwicklung, u. a. mit steigenden Zuschauerzahlen bei Liga- und internationalen Spielen, zunehmendem Interesse bei Print- und Online-Medien sowie aktuellen und potentiellen Sponsoren und wachsendem Gesamtaufwand und -ertrag der Bundesliga.

Während die lange, mehrfach unterbrochene Geschichte des Frauenfußballs in zahlreichen Beiträgen aufgearbeitet ist, liegen zu den genannten aktuellen Entwicklungen des vergangenen Jahrzehnts bisher, erstaunlicherweise oder nicht, keine Analysen vor. Diese Lücke soll mein Band schließen.

 

Warum hat aus Ihrer Sicht der Frauenfußball in der umfangreichen Fußballliteratur bisher kaum Beachtung gefunden?

In der gesamten, inzwischen recht umfangreichen Sportbericht­erstattung findet der Frauensport traditionell wie aktuell nur geringe Beachtung bzw. Wertschätzung. Die bisherige Vernachlässigung des Frauenfußballs stellt insofern keine Ausnahme dar. Seine langfristige Entwicklung wurde entscheidend durch das bis 1970 geltende, offizielle Verbot des „Damenfußballs“ behindert. Insofern ist die Entwicklung des Frauenfußballs in der Tat ein Spiegelbild von Entwicklungen in der Gesellschaft.

Nach der offiziellen Aufhebung des Verbots verlief die Entwicklung viele Jahre langsam, ungleichmäßig zwischen raschem Wachstum und relativer Stagnation sowie weitgehend unbemerkt von Medien und Öffentlichkeit. Der nach der unerwartet erfolgreichen Europa­meisterschaft 2022 einsetzende Boom kann sich über die nächsten internationalen Großereignisse (Weltmeisterschaft 2023, Olympische Spiele 2024, Europameisterschaft 2025) fortsetzen und Anlass für mehr Beachtung und größere Bedeutung des Frauenfußballs sein.

 

Was kann die sozialwissenschaftliche Forschung zu Frauenfußball leisten?

Aktuelle Studien belegen, dass sich – im Gegen­satz zu nach wie vor weit verbreiteten Ansichten – beim Frauenfußball in taktischer und kognitiver Leistungsfähigkeit keine deutlichen Unter­schiede zum Männerfußball ergeben, wenn man physische Unterschiede wie Ausdauer und Schnelligkeit ausklammert.

Die häufige Relativierung durch Vergleiche mit dem Männerfußball ist folglich unbegründet. Es handelt sich beim Frauen­fußball nicht um eine weitere (Rand-)Sportart, sondern um dieselbe, eigenständige Sportart; eine strikte Aufteilung nach Geschlecht ist unbegründet. Frauenfußball kann bei entsprechender Anerkennung durch Medien,  Öffentlichkeit und Sponsoren einen „Mehrwert“ für den Fußball insgesamt leisten.

 

Darum bin ich Autor bei Budrich

Ich hatte von Anfang an den Eindruck, dass der Verlag Barbara Budrich in Anbetracht seines gesamten Programms der ideale Verlag für meinen Band sein würde. Die gesamte Kooperation war während des erfreulicherweise recht kurzen Produktionsprozesses stets professionell, überaus freundlich und sehr angenehm.

 

Kurzvita des Autors in eigenen Worten

Portraitfoto von Budrich-Autor Berndt KellerBerndt Keller, Prof. em. Dr., Jahrgang 1946, 1967 – 1971 Studium der Sozialwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum (Dipl. rer. soc.), 1973 Promotion an der Ruhr-Universität Bochum (Dr. rer. soc.), 1981 Habilitation an der Universität Essen-GH. 1971 – 1987 wissenschaftlicher Assistent / akademischer Rat an der Universität Essen-GH. 1987 – 2009 Prof. an der Universität Konstanz.

 

 

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Frauenfußball: Auf dem langen Weg zum Profisport. Aktuelle Entwicklungen und Perspektiven

 

 

 

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