Auf Verständlichkeit und interne Konsistenz fokussierte Einführung: Leseprobe aus Grundbegriffe der Erziehungs- und Bildungswissenschaft von Peter Vogel in der aktualisierten 2. Auflage.
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Grundbegriffe der Erziehungs- und Bildungswissenschaft: Vorwort
Der vorliegende Band von Peter Vogel zu den ‚Grundbegriffen der Erziehungs- und Bildungswissenschaft‘ ist Teil der Einführungsreihe ‚Einführung in die Erziehungs- und Bildungswissenschaft‘. Die vier Bände dieser Reihe bilden gleichzeitig die Kurseinheiten des Moduls ‚Einführung in die Erziehungs- und Bildungswissenschaft‘, das für den Bachelorstudiengang Bildungswissenschaft an der FernUniversität in Hagen angeboten wird. Sie integrieren deshalb Reflexionsfragen, die die Auseinandersetzung mit den Inhalten unterstützen sowie Hinweise zu weiterführender Literatur, die eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Inhalten der vier Bände ermöglichen sollen.
Die Einführungsreihe besteht insgesamt aus vier Bänden, die einen Überblick über folgende Themen ermöglichen:
- über die zentralen Grundbegriffe, mit denen sich die Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft befasst (Peter Vogel (2019): Grundbegriffe der Erziehungs- und Bildungswissenschaft),
- über die Geschichte und die damit verbundenen Grundfragen pädagogischen Denkens (Birgitta Fuchs (2019): Geschichte des pädagogischen Denkens),
- über die Entwicklung der Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft als Wissenschaftsdisziplin sowie die Perspektiven darauf, was eine solche Wissenschaft tun soll und leisten kann (Heinz-Hermann Krüger (2019): Erziehungs- und Bildungswissenschaft als Wissenschaftsdisziplin) sowie
- über die AdressatInnengruppen und Handlungsfelder, auf die sich das wissenschaftliche Denken und Forschen der Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft bezieht (Arnd-Michael Nohl (2019): AdressatenInnen und Handlungsfelder der Pädagogik).
Diese Reihe richtet sich in erster Linie an Studierende, aber auch Lehrende im Feld der Erziehungswissenschaft, Bildungswissenschaft bzw. Pädagogik, die sich in einem komplexen und spannenden Fach bewegen, das vielfältige Möglichkeiten der Spezialisierung und Vertiefung bietet. Bevor man sich jedoch vertiefend in ein wissenschaftliches Feld hineinbegibt, ist ein Überblick darüber notwendig, wo diese Wissenschaft eigentlich herkommt, womit sie sich beschäftigt, wie sie dies tut und wie sie aufgebaut ist. Für Wissenschaften generell und für die Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft im Besonderen sind dies mitunter keine einfachen Fragen.
Allein bei der Suche nach einem entsprechenden Studium kann man mittlerweile feststellen, dass oft ähnliche Studiengänge ganz unterschiedlich bezeichnet werden. Erziehungswissenschaft, Bildungswissenschaft oder Pädagogik – ist das jetzt eigentlich das Gleiche oder gibt es doch Unterschiede? Machen BildungswissenschaftlerInnen später etwas anderes als ErziehungswissenschaftlerInnen oder PädagogInnen? Forschen BildungswissenschaftlerInnen anders als ErziehungswissenschaftlerInnen oder PädagogInnen? Eine wichtige Erkenntnis, die diese Einführungsreihe vermitteln möchte, ist, dass es mit den Begriffen eben so eine Sache ist. Nicht immer ist genau klar, was damit eigentlich gemeint ist, nicht jeder meint mit demselben Begriff auch das Gleiche, besonders dann, wenn – wie im Fall der Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft – wissenschaftliche Begriffe und Alltagsbegriffe ineinanderfallen. Gerade deshalb ist es wichtig, sich mit den im jeweiligen Fach verwendeten Begriffen auseinanderzusetzen, zu fragen, in welchem Bedeutungshorizont, im Kontext welcher Theorie oder vor dem Hintergrund welcher Annahmen sie verwendet werden, um eine wissenschaftliche Argumentation zu ermöglichen.
Dass dies nicht immer eindeutig ist, zeigt sich bereits an den Studienfachbezeichnungen, die manchmal synonym, manchmal aber auch in abgrenzender Absicht gebraucht werden. So hat sich aus dem Begriff Pädagogik der Begriff Erziehungswissenschaft entwickelt, um stärker die Wissenschaftlichkeit dieses Faches zu betonen, während Pädagogik noch häufiger beides meint, nämlich die Wissenschaft und die Praxis, für die sie zuständig ist. Der Begriff der Bildungswissenschaft ist dann neueren Datums und verweist oftmals auf den Umstand, dass AdressatInnen pädagogischen Handelns nicht nur Kinder sind, die ‚erzogen‘ werden müssen, sondern auch Erwachsene, für die der Begriff der ‚Bildung‘ möglicherweise passender erscheinen mag. Manchmal spielen solche Überlegungen aber auch gar keine Rolle und die drei Begriffe bezeichnen einfach synonym die Wissenschaft, die sich mit Fragen von Erziehung und Bildung befasst. Vor diesem Hintergrund ist der Titel dieser Einführungsreihe in seiner doppelten Begrifflichkeit durchaus Absicht und wird auch in den einzelnen Bänden häufig von Erziehungs- und Bildungswissenschaft oder aber auch nur von Erziehungswissenschaft die Rede sein, da in historischer Perspektive der Begriff der Erziehungswissenschaft derjenige ist, der insbesondere die wissenschaftliche Beschäftigung mit Fragen von Erziehung und Bildung bezeichnet und in der Namensgebung von Instituten, Studiengängen und auch der Fachgesellschaft DGfE (Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft) auch heute (noch) der dominante ist.
Aus dieser Problematik lassen sich aber auch die zentralen Themen der Bände dieser Reihe ableiten, die sich mit der Geschichte (Birgitta Fuchs), den Grundbegriffen (Peter Vogel), den Theorien (Heinz-Hermann Krüger) sowie den AdressatInnen und Handlungsfeldern (Arnd-Michael Nohl) beschäftigt, auf die sich diese Wissenschaft bezieht.
Während Fragen von Erziehung und Bildung schon immer Teil menschlichen Zusammenlebens waren und sind – müssen doch Wissen und kulturelle Zusammenhänge an die nächste Generation weitergegeben werden –, setzte ein systematisches Nachdenken über Ziele, Inhalte und Formen von Erziehung und Bildung im europäischen Raum zu Beginn der klassischen Epoche der griechischen Antike ein. Für die Auseinandersetzung mit solchen Fragen gab es jedoch lange Zeit keine eigenständige Wissenschaft, sondern diese wurden im Kontext anderer Wissenschaften – allen voran die Philosophie und lange Zeit auch die Theologie – verhandelt. Erst im Zeitalter der Aufklärung finden sich erste Bestrebungen, unter der Bezeichnung Pädagogik eine solche Wissenschaft zu etablieren, die sich zunächst grundlegenden Fragen der Erziehbarkeit, der Erziehungsbedürftigkeit oder der Notwendigkeit von Erziehung insbesondere von Kindern widmete.
Vorangetrieben wurde eine Etablierung auch an den Universitäten durch den wachsenden Bedarf zunächst an LehrerInnen im Kontext der Schulreformen, später aber etwa auch an SozialarbeiterInnen oder ErwachsenenbildnerInnen und mittlerweile an einer ganzen Reihe pädagogisch ausgerichteter beruflicher Tätigkeiten, etwa im Feld der Medien- oder Rehabilitationspädagogik, der frühkindlichen Erziehung oder des Personalmanagements. Damit kommen Fragen danach auf, wie diese Berufsgruppen eigentlich auf ihre Tätigkeit vorbereitet und ausgebildet werden sollen. Was soll ihnen beigebracht werden? Sollen sich etwa LehrerInnen ‚nur‘ mit Fachinhalten beschäftigen oder ist darüber hinaus auch ein Wissen über die Verhaltensweisen, Lebenswelten und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen wichtig? Was sollen Ziele der Erziehung von jüngeren Kindern oder der Weiterbildung Erwachsener sein und bedarf es für deren Bestimmung einer eigenen Wissenschaft? Wie lassen sich die Begriffe Erziehung und Bildung eigentlich definieren, wenn sie immer auch Alltagsbegriffe sind? Was soll eine darauf bezogene Wissenschaft tun, welche Fragen soll sie bearbeiten und wie und mit welchen Methoden soll sie ihre Antworten finden? Soll sie die pädagogische Praxis anleiten oder soll sie diese ‚nur‘ beobachten? Dies alles sind Fragen, die uns auch heute noch beschäftigen und die zur Herausbildung einer Wissenschaft geführt haben, deren VertreterInnen ganz unterschiedliche Antworten auf diese Fragen gefunden haben.
Die vorliegende Einführungsreihe macht deutlich, dass es im Verlauf der Auseinandersetzung mit diesen Fragen, je nach historischer Epoche und gesellschaftlicher Situation, verschiedene Ideen gegeben hat, wie diese bearbeitet werden können und dass es auch heute keine einheitliche, von allen Beteiligten geteilte Perspektive darauf gibt. Die Pluralität der Fachbezeichnungen (Pädagogik, Erziehungswissenschaft, Bildungswissenschaft) ist dafür nur ein Anzeichen. Die gegenwärtigen wissenschaftlichen Standpunkte leiten sich jedoch immer auch aus den Fragen und Antworten ab, die in der Vergangenheit formuliert wurden oder setzen sich mit diesen auseinander. Für Studierende ist es deshalb zum einen wichtig diese Entwicklungsgeschichte zu kennen, um auch heutige Diskussionen und Perspektiven einordnen zu können. Zum anderen bedarf es sowohl eines Verständnisses der zentralen Fragen, Begriffe und thematischen Dimensionen des wissenschaftlichen Feldes, auf das sich die Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft bezieht als auch der AdressatInnengruppen und Handlungsfelder, um sich ein disziplinäres Fundament zu erarbeiten, aus dem dann begründet Vertiefungen, Spezialisierungen und interdisziplinäre Perspektiven abgeleitet werden können. Die vorliegende Einführungsreihe möchte diesen Prozess begleiten und unterstützen.
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Peter Vogel:
Grundbegriffe der Erziehungs- und Bildungswissenschaft
2., aktualisierte Auflage
Einführung in die Erziehungs- und Bildungswissenschaft, Band 2

