EU-Entwaldungsverordnung: Es lebe der Baum!

Mann auf Baum. EU-Entwaldungsverordnung

Die Entwaldungsverordnung der EU soll Wälder vor wilder Abholzung schützen. Das ist eine große Errungenschaft für den Klima- und Umweltschutz! Die Umsetzung der Verordnung ist allerdings mit Tücken behaftet. Alle Betroffenen stehen vor großen Herausforderungen und die Zeit läuft gegen sie.

„Die EU-Verordnung über entwaldungsfreie Produkte (EUDR) ist am 29. Juni 2023 in Kraft getreten. Die Verordnung sieht vor, dass u.a. Papier, Pappe und Druckerzeugnisse wie Bücher, sofern diese auf Basis von Holz hergestellt werden, ab dem 30. Dezember 2024 (große und mittlere Unternehmen) bzw. ab dem 30. Juni 2025 (kleine und Kleinstunternehmen) nur noch dann in der EU in den Verkehr gebracht oder ausgeführt werden dürfen, wenn diese nicht mit Entwaldung oder Waldschädigung in Verbindung stehen“
(Börsenverein des Deutschen Buchhandels https://www.boersenverein.de/beratung-service/nachhaltigkeit/herstellung/entwaldungsfreie-lieferketten/ – abgerufen am 3.7.2024).

Lassen Sie mich mit dem Wichtigsten anfangen: Bäume und damit Wälder gehören zu unseren wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen die Erderwärmung. Aber auch im Kampf gegen Desertifikation, also die Ver-Wüstung, für Artenvielfalt, gegen Erosion der Böden, gegen Bodenverdichtung und vieles mehr – und damit für eine lebenswerte Umwelt. Ich habe mich immer gefragt, wie es sein kann, dass es so viele Regionen auf dieser Welt gibt, die ohne Bäume dastehen. Regionen, in denen Menschen derart viele Bäume abgeholzt haben, bis dort kein Baum mehr wachsen konnte.

Auf europäischer Ebene gehen wir nun gemeinsam gegen wildes Abholzen vor: mit der oben bereits angesprochenen EU-Entwaldungsverordnung.

 

Die EU-Entwaldungsverordnung – eine hervorragende Initiative für Umweltschutz und Nachhaltigkeit

Unsere Druckereien sind allesamt in Europa ansässig, die meisten in Deutschland. Sie verwenden für Budrich-Publikationen ausschließlich FSC-Papiere und wir arbeiten daran, möglichst viele Veröffentlichungen komplett FSC-zertifiziert produzieren zu lassen. Einige Publikationen werden sogar auf (teureren) Blauer-Engel-Papieren gedruckt, andere entstehen sogar in einer (noch teureren) vollständigen C2C-Produktion (Cradle-to-Cradle) nach beinahe allerhöchstem Umweltstandard. (Und unsere gesamte Printproduktion wird CO2-kompensiert – entweder direkt von unseren Druckerei-Partnern oder von uns selbst mit Ausgleichszahlungen an atmosfair.de. Wir haben eine Seite zusammengestellt, auf der Sie alle Elemente unserer Nachhaltigkeitsstrategie finden.)

Nicht alle Glieder von Lieferketten für die Produktion gedruckter Bücher arbeiten mit der gleichen Sorgfalt und umweltbezogenen Umsicht. Vor allem bei größeren Verlagshäusern geht es ausschließlich um die wirtschaftliche Kalkulation und „billiger“ kann „schädlicher für die Umwelt“ bedeuten. Je höher die Auflagen, desto wichtiger werden die Skaleneffekte, bei denen auch kleinere Preisunterschiede beim Papier den wirtschaftlichen Erfolg eines Buches maßgeblich bestimmen. Derartige Massenproduktion läuft gern im Fernen Osten.

„Wir bekommen dann irgendetwas erzählt, wo das Holz für das Papier herkommt“, erläuterte eine baltische Verlegerin jüngst auf der Generalversammlung der Europäischen Verlage (Federation of European Publishers, FEP), „und wir dürfen das dann glauben.“ Genau solchen Machenschaften möchte die EU-Entwaldungsverordnung einen Riegel vorschieben: Gefährdete Wälder und Baumbestände sollen geschützt, wildes Abholzen verhindert werden. Reine Erzählungen sollen nachprüfbaren Daten weichen.

Auch in FSC-zertifizierten Materialien ist Holz in Form von Zellulose verarbeitet. Das Spannende an der Produktion ist, dass das Holz, aus dem die Zellulose entsteht, nicht etwa von einem einzigen Baum stammt oder auch nur aus einem einzigen Waldgebiet. Die Zellulose, die zu Papier verarbeitet wird, stammt von Bäumen aus unterschiedlichsten Regionen. Und das macht die Entwaldungsverordnung für uns „Marktteilnehmer“ zu einer großen Herausforderung.

 

Wenn nur jeder Baum gechippt wäre …

Die Entwaldungsverordnung ließe sich vermutlich leichter umsetzen, wenn jeder Baum einen in jeder Zelle vorhandenen individuellen und lesbaren Code hätte. Dann könnte man das Ganze möglicherweise technisch lösen. So, wie die Dinge aber stehen, ist es ein wenig komplizierter. So heißt es in Artikel 9 [Hervorhebung d.d. Autorin]:

„1) Die Marktteilnehmer […] sammelt und organisiert die folgenden, durch Nachweise belegten Informationen und bewahrt sie ab dem Datum der Bereitstellung der relevanten Erzeugnisse auf dem Markt bzw. deren Ausfuhr für einen Zeitraum von fünf Jahren auf:

  1. a) eine Beschreibung, einschließlich des Handelsnamens und der Art der relevanten Erzeugnisse sowie — bei relevanten Erzeugnissen, die Holz enthalten oder unter Verwendung von Holz hergestellt wurden — des gebräuchlichen Namens der Art und ihres vollständigen wissenschaftlichen Namens. Die Beschreibung des Erzeugnisses umfasst eine Liste der relevanten Rohstoffe und relevanten Erzeugnisse, die darin enthalten sind oder zu ihrer Herstellung verwendet wurden;
  2. b) die Menge der relevanten Erzeugnisse; für relevante Erzeugnisse, die auf den Markt gelangen oder diesen verlassen, ist die Menge in Kilogramm Eigenmasse und gegebenenfalls in der besonderen Maßeinheit, die bei dem angegebenen Code des Harmonisierten Systems in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates ( 20 ) aufgelistet ist, anzugeben; in allen anderen Fällen ist die Menge in Eigenmasse oder gegebenenfalls in Eigenvolumen oder Stückzahl anzugeben; eine besondere Maßeinheit ist anzugeben, wenn eine solche kohärent für alle möglichen Unterpositionen des in der Sorgfaltserklärung angegebenen Codes des Harmonisierten Systems definiert ist:
  3. c) das Erzeugerland und gegebenenfalls dessen Landesteile;
  4. d) die Geolokalisierung aller Grundstücke, auf denen die relevanten Rohstoffe, die das relevante Erzeugnis enthält oder unter deren Verwendung es hergestellt wurde, erzeugt wurden, sowie den Zeitpunkt oder Zeitraum der Erzeugung; enthält ein relevantes Erzeugnis relevante Rohstoffe, die auf verschiedenen Grundstücken erzeugt wurden, oder wurde es unter Verwendung solcher relevanten Rohstoffe hergestellt, so ist die Geolokalisierung für jedes der jeweiligen Grundstücke anzugeben; jede Entwaldung oder Waldschädigung auf den betreffenden Grundstücken hat automatisch zur Folge, dass alle relevanten Erzeugnisse und relevanten Rohstoffe von diesen Grundstücken vom Inverkehrbringen, von der Bereitstellung auf dem Unionsmarkt oder von der Ausfuhr ausgeschlossen sind. […]
  5. e) der Name, die Anschrift und die E-Mail-Adresse aller Unternehmen oder Personen, von denen sie mit den relevanten Erzeugnissen beliefert wurden;
  6. f) der Name, die Anschrift und die E-Mail-Adresse aller Unternehmen, Marktteilnehmer oder Händler, an die die relevanten Erzeugnisse geliefert wurden;
  7. g) angemessen schlüssige und überprüfbare Informationen darüber, dass die relevanten Erzeugnisse entwaldungsfrei sind;
  8. h) angemessen schlüssige und überprüfbare Informationen darüber, dass die Erzeugung der relevanten Rohstoffe im Einklang mit den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erfolgt ist, einschließlich aller Vereinbarungen, die das Recht begründen, das betreffende Gebiet für die Erzeugung der relevanten Rohstoffe zu nutzen.

(2) Der Marktteilnehmer stellt den zuständigen Behörden auf Verlangen die gemäß diesem Artikel zusammengetragenen Informationen, Unterlagen und Daten zur Verfügung.“

Das bedeutet einen ordentlichen Mehraufwand an Kommunikation, Dokumentation und damit Organisation. Alle Beteiligten verbringen mehr Zeit mit Verwaltung und vor allem für kleinere Betriebe, die zum Überleben an jedem Platz hohe Produktivität benötigen, seufzen vernehmlich.

 

EU-Entwaldungsverordnung: Umweltschutz gibt es nicht zum Nulltarif

Auf der erwähnten Sitzung der FEP wurde über die Unmöglichkeit geschimpft, die Verordnung ab Jahresende umzusetzen. Und es ist derzeit wirklich unmöglich, diese Verordnung umzusetzen, denn es stehen noch gar nicht alle Informationen zur Verfügung, die gebraucht werden, um die Maßgaben der Verordnung zu erfüllen.

Als KMU-Verlag sind wir erst ab Mitte 2025 zur Einhaltung der Verordnung verpflichtet. Man darf hoffen, dass alle Kriterien bis dahin klar sind und sämtliche notwendigen Formulare zur Verfügung stehen. Wir haben aber beim Verkauf unserer gedruckten Bücher und Zeitschriftenhefte mit großen Händlern zu tun. Und die werden vermutlich keine Rücksicht auf unsere „Schonzeit“ nehmen. So oder so: Wir bereiten uns vor, so gut es geht. Und sobald die EU am Start ist, werden auch wir dies sein – in Kooperation mit unseren Druckereien, mit denen wir bereits jetzt im Gespräch sind.

Und: Besser ist das! Denn die Strafen, die bei Nicht-Einhaltung der Entwaldungsverordnung drohen, sind wenig lustig. Um sicherzugehen, dass ein „Marktteilnehmer“ von umweltschädlichen Handlungen nicht profitiert, kann eine Strafe von mindestens 4% vom Gesamt-Umsatz, den das Unternehmen in der EU macht, verhängt werden. Bei Bedarf kann diese Strafe auch erhöht werden.

Noch warte ich vergeblich auf den Bürokratie-Abbau. Aber wenn ich wenigstens schonmal einen Stopp im Wald-Raubbau bekomme, dann ist das ein guter und wichtiger Schritt. Dass wir durch den Mehraufwand Mehrkosten haben, versteht sich von selbst – doch gibt es Umweltschutz nicht zum Nulltarif. Und Bäume sind mir wirklich wichtig!

 

Die Nachhaltigkeitsstrategie bei Budrich auf einen Blick …

… finden Sie auf budrich.de/nachhaltigkeit.

 

Die Autorin

Porträt der Verlegerin Barbara Budrich mit offenen langen Haaren, dunklem Jacket über einem T-Shirt, freundlich lächelnd.Barbara Budrich, M.A., ist von Kindesbeinen an im Wissenschaftsverlag tätig und seit 2004 selbstständige Verlegerin. Außerdem ist sie Trainerin und Coach für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren im Schulungsunternehmen budrich training. Zudem ist sie selbst Autorin. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz führt sie seit 2015 als Vorbildunternehmerin.

 

© Foto Barbara Budrich: privat ; Titelbild: unsplash.com | Rob Mullaly