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ein Beitrag von Verlegerin Barbara Budrich
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Rohtexten
Die Diskussion über das Rohtexten brachte den Teilnehmer*innen meines jüngsten Workshops ein Aha-Erlebnis: Der Anspruch, direkt druckreif zu schreiben, lebt in vielen Köpfen und erschwert vielen Autor*innen das Schreiben. Denn anstatt zunächst einen Rohtext zu produzieren, der in weiteren Arbeitsschritten zu einem Diamanten geschliffen wird, führt die Erwartung von Perfektion ab dem ersten Tastendruck zu Frust. Mit einem Rohtext zu beginnen, hilft nicht nur dabei, den Druck aus dem eigenen Schreiben herauszunehmen. Das Rohtexten bietet Autor*innen die Möglichkeit, eigene Gedanken auszuformulieren, Schreibzeit effizient zu nutzen und mithilfe einer Legende zu einem späteren Zeitpunkt planvoll zu überarbeiten.
Vielleicht kennen Sie diese Situation: Sie beginnen, einen Text zu verfassen. Ihnen fehlt eine bestimmte Prozentangabe oder eine spezifische Quelle. Oder Sie möchten ein Wortlautzitat bringen, haben es aber nicht direkt parat. Also verlassen Sie das Dokument und begeben sich auf die Suche. Manchmal führt eine solche Suche dazu, dass Sie sich am Ende dabei ertappen, wie Sie eine Schublade aufräumen … Das wäre olympiareife Prokrastination. Doch auch ohne die völlige Ablenkung: Sie bringen sich selbst dadurch aus dem Text, dass Sie Details einbauen wollen, die Sie in diesem Augenblick nur bedingt benötigen. Sicher, Sie müssen wissen, ob eine bestimmte Prozentangabe eher hoch oder niedrig ist. Doch für den Fortgang Ihrer eigenen Diskussion müssen Sie die exakte Zahl in diesem Moment vermutlich nicht einsetzen. Damit Sie sich selbst nicht aufhalten und von der eigentlichen Aufgabe ablenken, können Sie statt Ihrer Prozentzahl einen Platzhalter einsetzen. Gleiches gilt für Quellenangaben und alle weiteren Details, die Sie zu einem späteren Zeitpunkt in Ihren Text einarbeiten können, ohne dass Ihnen der rote Faden verloren geht. Wenn Sie dieses Tool nutzen, können Sie kürzere Zeiteinheiten oder Zeiten mit geringerer Konzentrationsfähigkeit nutzen, um diese Platzhalter aufzulösen.
Der Rohtext ist viele Dinge nicht: durchstrukturiert, druckreif, korrekturwürdig mit Blick auf Interpunktion, Orthografie und Konkordanz, eine stilistische Wohltat usw. Doch kann der Rohtext bereits einen guten Hinweis darauf geben, was Sie mit Ihrem Text bezwecken. Deshalb ist es durchaus möglich, sich für einen Rohtext Feedback einzuholen.
Feedback zum Rohtext
Es gibt meiner (Schreib)Erfahrung nach zwei grundlegend unterschiedliche Kategorien von Feedback-Geber*innen. Die einen sind die von mir liebevoll als Deutschlehrer*innen betitelten Menschen: Ich lege ihnen einen Text vor und bekomme sofort den Hinweis, dass in Zeile drei ein Komma fehlt. Andere hingegen schauen vermehrt aufs große Ganze. Während ich gern die Unterstützung von Deutschlehrer*innen für die letzte Korrekturrunde beanspruche, brauche ich für den Rohtext einen konstruktiven Blick aus größerer Texthöhe. Es ist klar, ja, sogar gewollt, dass der Text noch unfertig ist, Fehler und Platzhalter enthält. Soll dies jemand lesen, dem diese Fehler und Platzhalter beinahe körperliche Schmerzen verursachen? Sicherlich nicht.
Bevor Sie also Ihren Rohtext jemandem zwecks Feedback überlassen, bedenken Sie Ihre Auswahl. Geben Sie derjenigen Person eine Liste mit Leitfragen an die Hand. Diese Liste muss nicht lang sein. Manchmal reichen ein oder zwei Fragen – abhängig von Ihren konkreten Fragen. Zu einem späteren Zeitpunkt, wenn Sie selbst Ihren Text mehrfach überarbeitet haben, können Sie die Deutschlehrer*innen aus Ihrem Umfeld bitten, Ihnen beim Feinschliff zu helfen.
Vom Rohtext zur Abgabereife
Der Weg vom Rohtext zum abgabereifen Text ist lang. Es folgen zahlreiche Arbeitsschritte – vom Strukturieren, über das Reflektieren bis hin zum mehrmaligen Überarbeiten. Und das ist vollkommen normal. Mir ist bislang niemand begegnet, bei der oder dem dies grundlegend anders war. Manchen Menschen fällt das Schreiben leichter als anderen, aber wer behauptet, Schreiben mache immer nur Spaß und sei immer leicht, dem oder der begegne ich mit Misstrauen.
Als Wissenschaftler*in sind Sie Schreib-Profi. Und nach meiner Erfahrung bedeutet dies, dass Sie auch dann hervorragende Leistungen erbringen (müssen), wenn Sie weder Zeit noch besondere Lust auf die Aufgabe haben. Genau in solchen Zeiten ist es besonders wichtig, über gute Tools zu verfügen, die Ihnen das Schreibleben erleichtern. Den Rohtext gezielt einzusetzen, ist ein solches Tool: Ich hoffe, es hilft Ihnen!
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Mehr zum Schreiben in der Wissenschaft
Publishing Insights „Gut schreiben in der Wissenschaft“
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© Titelbild: pexels.com | Alexander Grey © Foto Barbara Budrich: Nina Schöner Fotografie