Stecken Sie in einer Schreibblockade? Tipps und Tricks für effizientes Schreiben verrät Verlegerin Barbara Budrich in diesem Blogpost.
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Schon seit einer halben Stunde schaut mich die Überschrift an. Ich habe die Folien meines Webinars zum Thema Schreibblockaden herausgekramt und angeschaut, andere Blog-Posts zum Thema durchgelesen und an meinen zweitägigen Workshop vorige Woche gedacht. Auch mit meinen Workshopteilnehmer*innen hatte ich diskutiert, wie wir die eigene Schreibmotivation anzünden und hochhalten können, den eigenen Schreibprozess effizient gestalten und etwaige Blockaden überwinden.
Und jetzt hocke ich mitten in der Schreibblockade? Ja und nein. Häufig schreibe ich meine (kurzen) Texte zügig herunter – erst ein Outline, dann den Rohtext und schließlich wird in mehreren Schritten überarbeitet. Heute aber stockt der Schreibfluss. Meine Gedanken sind woanders: Ich habe in wenigen Minuten ein Meeting, für das ich vor einer halben Stunde noch etwas notieren musste, just in dem Moment, als ich diese Datei öffnete. Ich habe morgen eine Sitzung, die ich noch vorbereiten darf. Ich habe eine Interviewanfrage auf dem Tisch, bei der ich nicht sicher bin, wie ich die Thematik (Open Access und Bildungsgerechtigkeit) am besten angehe. Kurz: In meinem Kopf geht es rund.
Schreibsprint gegen „Rundreisen“
Wenn in meinem Kopf die Gedanken kreisen und ich Schwierigkeiten habe, mich zu konzentrieren, hilft ein Schreibsprint, neudeutsch: Hot Pen.
Also lege ich „Stettel“ – Stift und Zettel – bereit. Ich überlege mir meine Frage: „Welche leicht umsetzbaren Praxistipps helfen, eine Schreibblockade zu überwinden?“ und stelle meinen Timer auf 90 Sekunden. Ich beantworte diese Frage, indem ich schreibe, so schnell ich kann und ohne abzusetzen. Fällt mir zwischendurch nichts ein, wiederhole ich das vorherige Wort oder schreibe „Blumenkohl“ – Hauptsache, die Hand schwingt, der Stift schreibt.
Allein die Schwungbewegung der Schreibhand hilft dem Hirn dabei, in den Schreibmodus zu kommen. Dabei ist das Schreiben mit der Hand entscheidend. Es gibt wissenschaftliche Studien, die dem Schreiben mit der Hand beinahe magische Kräfte andichten, während das schnöde Tippen offenbar nicht mithalten kann.
Falls mir eine 90-Sekunden-Sitzung nicht ausreicht, um genügend Punkte zu notieren, gebe ich mir eine weitere Schreibsprint-Einheit. Doch heute reicht eine Einheit, in der ich sofort zwei Praxistipps identifiziert habe. Neben dem großartigen Tool des Schreibsprints arbeite ich nämlich sehr gern mit der Persona.
Die Persona zum „Zuschreiben“
Das Marketing-Tool „Persona“ wird eingesetzt, um eine idealisierte Zielgruppen-Stellvertretung zu kreieren. Häufig mit Vor- und Zunamen benannt, ausgeschmückt mit einem vollständigen Lebenslauf inkl. Elternhaus, Hobbys und Wohnort, wird die Persona zum Leben erweckt. Sie soll Unternehmen helfen, Produkte auf die Bedürfnisse der Zielgruppe zuzuschneiden und entsprechend zu präsentieren.
Übertragen auf effizientes Schreiben können wir mit unterschiedlichen Personae arbeiten. Ich unterscheide zwei grundlegende Typen: die Zielgruppen-Persona und die Fan-Persona.
Die Zielgruppen-Persona hilft mir als Autorin dabei, meine Leser*innen beim Schreiben zu adressieren. Ich setze mir meine Persona auf meine Schreibtischkante und frage sie, was sie braucht, woran sie interessiert ist und was ich eher weglassen soll. Ich stelle mir vor, wie sie meinen Text liest und sich daran erfreut.
Wenn ich Schwierigkeiten damit habe, ins Schreiben zu kommen, kann ich dieser Persona einen Brief schreiben. Wohlwissend, dass ich vor der Veröffentlichung große Teile dieses Briefes löschen werde, beginne ich damit, meiner Persona zu erzählen, woran ich gerade zu knabbern habe:
„Liebe Hella,
eigentlich wollte ich heute Tipps zum Thema „efizientes schreiben“ geben aber es hakt an allen ecken und Enden. Ich komme nicht richtig in den Schreibflus hinein. Es fält mir wirklich schwer. Was ich dir mitgeben wollte, sind Tipps wie du den SChreibpsrint nutzen kannst oder mit einer Persona arbeiten aknnst. Aber ich hänge …“
Dieser „Brief“ wird (hoffentlich) nie in die Öffentlichkeit gelangen. Und schon gar nicht in der rohen und fehlerhaften Form, wie im obigen Beispiel. Geht es beim Schreibsprint darum, durch die Schwungbewegung, den „Schreibmuskel“ anzuregen, soll der Brief an die Persona meine Gedanken nach draußen tragen. Die Form spielt in diesem ersten Schritt keine Rolle. Im Gegenteil: Je unbefangener ich es schaffe, Worte aufs digitale Papier zu bringen, desto schneller komme ich in der Regel zu meinem eigentlichen Anliegen.
Die Persona als Cheerleader für effizientes Schreiben
An manchen Tagen ist es vor allem unser Selbstbewusstsein, das so gar nicht mag. Wir fühlen uns unfähig und ungeliebt, sind enorm anfällig für Kritik, was uns darin bestärkt, unseren inneren Kritiker (als oft lautstarkes Mitglied unseres Inneren Teams nach Friedemann Schulz von Thun) zu Wort kommen zu lassen. Um dieser gnadenlosen Kritik etwas entgegenzusetzen, können wir mit der Fan-Persona arbeiten.
Die Fan-Persona kann ein echter Mensch sein, der uns wohlgesonnen ist und uns gern unterstützt, dessen Gesellschaft wir uns vorstellen. Oder es kann ein „unsichtbarer Freund“ sein, eine Person aus dem Reich der Fantasie. Auch eine dieser Personae kann auf unserer Tischkante sitzen, uns anfeuern, anlächeln oder gut zureden – was auch immer wir in der jeweiligen Situation benötigen.
Freilich können wir uns auch mit echten Freund*innen, Schicksalsgenoss*innen oder Familienmitgliedern abstimmen: Wir bitten um Erlaubnis, jederzeit (oder innerhalb verabredeter Zeiten) anrufen zu dürfen, um uns Bestärkung zu holen. Wir können gemeinsam im Vorfeld besprechen, welche Art von Lob und Zuspruch uns hilft. Wenn die Schreibblockade sich vor uns auftürmt, greifen wir zum Hörer und überwinden die Hürde mit der Unterstützung unserer echten Cheerleader.
Was hilft, hilft
Für viele Autor*innen ist der Schreibsprint eine große Hilfe, um die eigenen Gedanken zu sortieren. Und Personae helfen, Blockaden zu lösen. Doch ist es im Autor*innenleben wie überall: Nicht alles hilft allen. Deshalb ist es meiner Erfahrung nach besonders wichtig, mit Dingen zu experimentieren, wenn alles gut läuft. Ist der Schreib-Karren nämlich erst einmal festgefahren, und das Gefühl der Machtlosigkeit bekommt eine Chance, sich auszubreiten, ist es deutlich schwieriger, Neues auszuprobieren.
In diesem Sinne: Stettel bereitlegen, Timer stellen, Verabredungen mit echten Cheerleadern treffen und Personae entwerfen. Dann geht’s in der Krise deutlich schneller weiter.
Und sollte es allein einfach nicht recht vorangehen: In unseren Clubs treffen sich Gleichgesinnte für die gegenseitige Unterstützung durch Wissens-Impulse, Webinare, eine reiche Sammlung an Tools, Tipps und Ressourcen sowie Online-Diskussionen und Lektoratsfeedback. Einfach Mitglied werden!
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Effizientes Schreiben: die Autorin
Barbara Budrich arbeitete über zehn Jahre im Verlag Leske + Budrich ihres Vaters, bevor sie 2004 den Verlag Barbara Budrich gründete. Sie hat zahlreiche Bücher und Aufsätze publiziert, übersetzt und geschrieben. Seit 2012 geben sie und ihr Team im von ihr etablierten Unternehmen budrich training (www.budrich-training.de) ihr Know-how zum wissenschaftlichen Publizieren und Schreiben systematisch in Vorträgen, Workshops und Coachings weiter.
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© Titelbild: pexels.com | Cup of Couple ; Foto Barbara Budrich: privat