„Auch auf theoretischer Ebene sehe ich noch Spielraum, die Männlichkeitsforschung stärker für das Alter(n) zu sensibilisieren.“ – 5 Fragen an Rafaela Werny

Gepflegte Männlichkeiten. Eine biographische Perspektive auf Männlichkeitskonstruktionen hochaltriger Männer im Pflegeheim

von Rafaela Werny

Reihe: promotion, Band 13

 

Über das Buch

Wie präsentieren Pflegeheimbewohner sich im Pflegeheim als Männer? Die Auseinandersetzung mit Männlichkeiten im Pflegeheim aus einer biographischen Perspektive steht im Fokus des Buches. Das Zusammenspiel von Alter und Männlichkeit(en) im Kontext von Pflegeeinrichtungen wird dabei soziologisch und sozialgerontologisch ausgeleuchtet. Dazu werden Perspektiven der Alterns-, Geschlechter- und Biographieforschung aus einer intersektionellen Perspektive miteinander verknüpft.

Rafaela Werny ist die Gewinnerin unseres Dissertationswettbewerbs promotion 2021. Ihr Titel erscheint als mittlerweile 13. Band in der gleichnamigen Reihe promotion.

 

 

Liebe Rafaela Werny, gerade erschien Ihr Titel Gepflegte Männlichkeiten. Eine biographische Perspektive auf Männlichkeitskonstruktionen hochaltriger Männer im Pflegeheim, mit dem Sie unseren Dissertationswettbewerb promotion gewonnen haben. Worum geht es in Ihrer Publikation?

Der Titel „Gepflegte Männlichkeiten“ gibt bereits erste Hinweise: es geht um den sorgenden und den sorgsamen Umgang mit Männern und ihren Männlichkeiten im Pflegekontext. Die hochaltrigen Männer, um die es in meiner Forschung geht, sind auf die Pflege anderer angewiesen. In Pflegeheimen ist die Mehrheit der Gepflegten und Pflegenden weiblich. Pflegebedürftige Männer stellen aktuell (noch) eine Ausnahme dar. Ausgehend davon lag der Schwerpunkt bisheriger Forschung zu Männlichkeiten im Pflegeheim auf ihrer Marginalisierung. Privilegien, die mit Männlichkeit verknüpft sind, und die Heterogenität von Männlichkeitskonstruktionen blieben so unsichtbar.

Meine Arbeit leistet einen Beitrag dazu die Spielräume der Männlichkeitspräsentationen und Konstruktionen der Pflegeheimbewohner aus einer biographischen Perspektive aufzuzeigen. Die Pluralität von Männlichkeiten im Pflegeheim offenzulegen ist relevant, da die Zahl der im Pflegeheim betreuten Männer sich im Zuge des demographischen Wandels in den kommenden 20 Jahren verdoppeln wird.

 

Wie sind Sie zu dem Thema Ihrer Dissertation gekommen?

Schon während meines Studiums hat mich das Zusammenspiel von Alters- und Geschlechterforschung fasziniert. Gerade der Blick auf Biographien macht es für mich zu einem sehr interessanten und wichtigen Untersuchungsgegenstand. Je länger ich mich damit beschäftigte, desto mehr wuchs mein Interesse am Thema. Als ich dann nach meinem Magister vor der Frage stand, wie es für mich weitergehen sollte, war mir klar: Ich möchte diese Schnittstelle weiter erforschen und meine Dissertation darüberschreiben.

Als ich dann aktiv an der Dissertation arbeitete, war die größte – aber auch spannendste – Herausforderung für mich, die beschriebene Wechselwirkung mit einem Fokus auf Männlichkeiten im Alter aus einer biographischen Perspektive in den Mittelpunkt zu stellen. Die Auseinandersetzung mit diesen Themenkomplex, über den seit Mitte der 2000er Jahre im englischsprachigen Raum eine lebhafte Debatte geführte wird, nahm zu Beginn meiner Dissertation auch im deutschsprachigen Diskurs an Fahrt auf. Das hat mich einerseits in meiner Themenwahl bestätigt und gleichzeitig gezeigt, dass Alter innerhalb der Männlichkeitsforschung nach wie vor wenig beforscht wird.

Die Institution Pflegeheim gilt weithin als eine „Welt der Frauen“. Für mich war es ein spannender Rahmen, die in diesem Mikrokosmos lebenden Männer zu betrachten und mich mit ihren Möglichkeiten der Selbstpräsentation als Mann auseinanderzusetzen. Ich sehe hier gleichermaßen Schwierigkeiten und Chancen. Die biographische Perspektive ermöglicht es, beide Aspekte sichtbar zu machen und mögliche Anknüpfungspunkte für eine stärker an Biographien orientierte und gendersensible Pflege abzuleiten.

 

Welche Herausforderungen ergaben sich für Sie bei der Erforschung Ihres Themas, welche Herausforderungen ergeben sich allgemein für die Biografieforschung?

Die Biographieforschung beschäftigt sich wenig mit dem Alter(n) und den Herausforderungen, die in diesem Kontext mit langen und umfangreichen Lebensgeschichten verbunden sind. Die Interviewpartner erzählten mir ihre Lebensgeschichte teilweise sehr ausführlich. Die Analyse der umfangreichen Interviews war eine Herausforderung, die ohne die kollegiale Unterstützung und gemeinsame Analyse in Forschungswerkstatt, Kolloquium und Austausch in einer interdisziplinären Arbeitsgruppe nicht zu bewältigen gewesen wäre. Zudem erwies es sich als schwierig zu Bewohnern, die weniger „pflegeleicht“ sind einen Zugang zu erhalten.

 

Wie sind Sie auf den Wettbewerb promotion aufmerksam geworden und wie war der Bewerbungsprozess?

Meine Doktormutter, Prof.in Helma Lutz, hat mich auf die Ausschreibung aufmerksam gemacht und ermunterte mich, mich mit meiner Arbeit zu bewerben. Kurz vor dem Sommerurlaub habe ich dann die Bewerbung fertiggemacht und erstmal nichts gehört. Ich kam aus dem Urlaub zurück und andere Dinge rückten in den Vordergrund. In den nächsten Wochen kümmerte ich mich darum, einen Verlag für den Druck meiner Arbeit zu finden. Kurz bevor ich sie einreichen wollte, fand ich eine E-Mail mit positiven Nachrichten vom Budrich Verlag in meinem Postfach!

Ich freue mich riesig über die Auszeichnung mit dem Promotionspreis des Budrich Verlags für meine Arbeit. Ganz besonders freut mich, dass andere das Thema so wichtig und interessant finden wie ich.

 

Planen Sie, sich auch nach Ihrer Dissertation weiter mit Ihrem Thema zu beschäftigen?

Die Verknüpfung von Geschlecht und Alter beschäftigt mich als Leitthema und Herzensangelegenheit nach wie vor. Auch mit Männlichkeiten werde ich mich weiter auseinandersetzen, unter anderem in der AG Kritische Jungen*-, Männer*- und Männlichkeitenforschung der Fachgesellschaft Geschlechterstudien, die sich dieses Jahr gegründet hat. Ergänzend zu meiner bisherigen Forschung wäre es spannend, die Perspektive der Pfleger*innen auf die Männlichkeitspräsentationen der Bewohner miteinzubinden und Handlungsempfehlungen für die Praxis in Richtung gendersensibler Pflege zu formulieren. Auch auf theoretischer Ebene sehe ich noch Spielraum, die Männlichkeitsforschung stärker für das Alter(n) zu sensibilisieren.

 

Kurzvita von Rafaela Werny

Rafaela Werny studierte an der Goethe-Universität Frankfurt Soziologie und Theater-, Film- und Medienwissenschaften. Mit einem Stipendium des Frankfurter Forums für interdisziplinäre Alternsforschung promovierte sie an der Schnittstelle von Soziologie und Alternsforschung zum Zusammenspiel von Männlichkeit und Alter aus biographischer Perspektive. Als Post-Doc beschäftigt sie sich im partizipativen EU-Projekt EQualCare mit der Frage, wie Alleinlebende im Alter ihr Beziehungsnetzwerk strukturieren und welche Rolle dabei die Digitalisierung und digitale Geräte spielen.

 

 

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Gepflegte Männlichkeiten. Eine biographische Perspektive auf Männlichkeitskonstruktionen hochaltriger Männer im Pflegeheim

von Rafaela Werny

Reihe: promotion, Band 13