Seit 20 Jahren Ihr Publikationspartner für die Sozialwissenschaften: 2024 feiert der Verlag Barbara Budrich runden Geburtstag! Über das Jahr hinweg erzählen wir davon, was den Verlag in dieser Zeit bewegt und geprägt hat, lassen unsere Partner*innen zu Wort kommen und feiern mit Ihnen – live und digital hier auf unserem Blog und den Social-Media-Kanälen.
In diesem Blogbeitrag spricht Barbara Budrich darüber, wie sich der Rekrutierungsprozess im Verlag über die Jahre gewandelt hat.
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Wenn ein Verlag wächst, dann stellt es sich im Außen so dar, dass es mehr Publikationen gibt und unterschiedliche Menschen, mit denen man kommuniziert. Im Innern hingegen gibt es eine Umstrukturierung nach der anderen und die Stellenbeschreibung der Gründerin ändert sich im gleichen Takt. So hatte ich zu Beginn der Verlagstätigkeit alle Hüte auf: In meinem Homeoffice war ich die Verlegerin, die Lektorin, die Marketingabteilung, der Vertrieb, die Buchhaltung, ja sogar Lageristin, Einkäuferin und Logistikerin – und vieles mehr. Jede nur erdenkliche Tätigkeit vom Einrichten des PCs und Reparieren des Druckers bis hin zu Verhandlungen mit Banken und Gesprächen mit dem Finanzamt, vom Konzipieren neuer Publikationen bis hin zu Vertragsabschlüssen mit Autor*innen und Hochschulen – alle Verantwortung lag bei mir und alle Tätigkeiten ebenso.
Der Rekrutierungsprozess: Von Zufällen zu strukturierten Prozessen
Welche Veränderung der Verlag Barbara Budrich seit Gründung mit Blick auf die strukturelle Komplexität durchgemacht hat, zeigt der Rekrutierungsprozess deutlich auf. Die beiden ersten Rekrutierungen liefen noch vollständig „ohne Prozess“ ab: Ich fragte meine ehemalige Arbeitskollegin aus dem Verlag meines Vaters, ob sie Lust hätte, mich mit meinem neugegründeten Verlag zu unterstützen. Zum August 2004, drei Monate nach Gründung, nahm sie ihre Arbeit auf, zunächst auf geringfügiger Basis (heute leitet Karen Reinfeld Vertrieb und Marketing).
Im kommenden Jahr im Februar trat Corinna Hipp ihre Stelle an – sie hatte sich initiativ beworben und der Verlag konnte ihre Unterstützung gut gebrauchen; damals wie heute, denn heute ist sie für viele Marketingbereiche verantwortlich.
Doch dann wurde es schwierig für mich, denn das Programm wuchs und ich brauchte Unterstützung im Lektorat. Und mir fiel kein Weg ein, wie ich geeignete Menschen finden könnte. Wie so oft im Leben, half mir der Zufall: Das mittlerweile leider vergriffene, von Johannes Varwick herausgegebene Buch „Die Beziehungen zwischen NATO und EU“ erschien 2005 und wir hatten zwei gemeinsame Buchpräsentationen. Eine mit Rudolf Scharping, damals gerade kein Minister mehr, in den Räumen der Deutschen Gesellschaft für Außenpolitik (DGAP), bei der es mir gleich zweimal die Sprache verschlug. Und eine weitere Präsentation in Brüssel bei der EU.
Kleiner Exkurs: Wie man Barbara Budrich zum Schweigen bringt
Dass ich nicht mehr weiß, was ich sagen soll, passiert höchst selten. Doch damals in Berlin lieferte mein Hirn gleich zweimal hintereinander keine passenden Worte.
Zunächst stand ich vor Beginn der Veranstaltung mit Johannes Varwick zusammen und wir unterhielten uns nett. Ein Dritter hatte sich zu uns gesellt und wir plauderten ungeniert. Bis ich den Dritten erkannte: Es war Rudolf Scharping. Er hatte sich einen Bart wachsen lassen – was ihn für mich unkenntlich machte (ich habe da eine ausgeprägte visuelle Schwäche – neue Frisur = neuer Mensch). Doch irgendwer grüßte ihn mit Namen, was mich völlig aus der Fassung brachte: Plötzlich stand neben mir ein waschechter ehemaliger Bundesminister! Das lähmte Hirn und Zunge: Schluss mit dem launigen Geplänkel.
Nach einiger Zeit kam ich wieder zu mir und wir gingen hinein – Varwick, Scharping, Klaus Feldmann, ein renommierter Journalist, und ich aufs Podium. Der Raum füllte sich mit zahlreichen Menschen, vornehmlich mit Herren in Anzügen. Mir fiel die Aufgabe zu, Podium und Publikum zu begrüßen. Dabei kam ich auf eine sehr unglückliche Formulierung, bei der mein Hirn intervenierte. Ich weiß nicht mehr genau, was ich hatte sagen wollen, aber es ging in die Richtung, dass ich mich freute, dass die Anwesenden meiner Einladung gefolgt waren. Mein Hirn funkte dazwischen und schimpfte, dass ich erstens nicht eingeladen habe, und was mir zweitens einfiele, die hier anwesende Mehrheit an Diplomaten und wichtigen Politikwissenschaftlern als „mir folgend“ zu bezeichnen. Und, schwupps, verstummte ich zum zweiten Mal in den Räumen der altehrwürdigen DGAP. Die Kollegen auf dem Podium gaben mir einen soufflierten Schubs und mein Sprachzentrum setzte wieder ein.
Das war vermutlich die Feuertaufe für all meine folgenden öffentlichen Auftritte. Denn auch wenn es mir immer wieder gelingt, treffsicher Fettnäpfchen anzusteuern oder mich sprachlich im Register zu vergreifen: Die bloße Anwesenheit von Berühmtheiten allein – ob Präsident*innen, Bundesminister*innen, Würdenträger*innen von Kirchen, Verbänden, Vereinen, aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kunst, Kultur und Politik – vermag mich nicht mehr einzuschüchtern.
Doch zurück zur ursprünglichen Frage.
Der Rekrutierungsprozess: Wie also finde ich Mitarbeiter*innen?
An dieser Stelle hatte Johannes Varwick eine Antwort für mich, auch wenn ich glaube, dass ich ihn gar nicht gefragt hatte. Er habe einen wissenschaftlichen Mitarbeiter, der gern im Verlag arbeiten würde, sagte er. Und ich bat ihn, er möge diesem jungen Mann mitteilen, dass er sich bei mir melden möge.
Und das tat dieser zunächst einmal nicht. In meiner Erinnerung wartete (!) ich mehrere Wochen, bevor er sich endlich bei mir meldete. Und in meiner Vorstellung hatte ich ihn bereits engagiert, noch bevor er sich überhaupt bei uns vorgestellt hatte. „Warten“ war also meine allererste Strategie der Mitarbeiter*innengewinnung und „in Gedanken schon engagieren“ der Rekrutierungsprozess.
Immer wieder traf ich auf Menschen, die ich aus anderen Zusammenhängen kannte und ins Unternehmen holte: Ex-Kolleg*innen, alte Studienkolleg*innen, Freund*innen von Freund*innen und natürlich auch Familie – wozu hat man schließlich Mann und Kinder?
Doch mehr und mehr wurde mir klar, dass dieses Vorgehen möglicherweise Nachteile hatte. Zwar fand ich in der einschlägigen Literatur und bei zahlreichen Fortbildungen gute Impulse, wie wir den Rekrutierungsprozess gestalten könnten. Doch es dauerte Jahre, bis wir tatsächlich ein Modell entwickelt hatten, das ich guten Gewissens als mehrstufigen Rekrutierungsprozess bezeichnen würde.
Das bedeutet weder, dass ich KuKis und MiKis (wie Unternehmen Kund*innenkinder und Mitarbeiter*innenkinder nennen) und ähnliche Bekannte nicht mehr anstellen möchte, noch – leider – dass die Treffsicherheit der nachhaltig erfolgreichen Rekrutierungen bei 100% liegt. Doch es bedeutet, dass wir einen objektiv nachvollziehbaren und damit auch dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz entsprechenden Prozess haben, Mitarbeiter*innen zu gewinnen. Einen Prozess, der sich noch dazu bewährt hat.
Was die Zukunft bringt
Heute stehen wir mit demografischem Wandel und Fachkräftemangel vor neuen Herausforderungen. Das Selbstverständnis von Arbeit in Form von Vollzeitbeschäftigung steht in Frage, die Identifikation mit dem Unternehmen ist hoch, aber unter Umständen nicht von langer Dauer. Strukturen sind in Auflösung begriffen – die gesamtwirtschaftlichen und damit gesellschaftlichen Konsequenzen noch nicht recht absehbar. Und die Konsequenzen für den Verlag Barbara Budrich freilich auch nicht.
Als Verlag bieten wir ein interessantes und herausforderndes Betätigungsfeld, das uns für unsere Stellenausschreibungen Bewerbungen garantiert. Doch können auch wir uns als Unternehmen darauf einstellen, dass wir unser Verständnis von Unternehmen und Team werden verändern müssen, um im beständigen Wandel erfolgreich zu bleiben. Für mich bedeutet dies die Fortsetzung der kontinuierlichen Umstrukturierungen und der Erneuerung meiner Stellenbeschreibung – es bleibt also alles anders, wie gehabt.
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