Freude, Frust und Fortschritte. Unsere Autorin Dr. Andrea Klein berichtet über ihr aktuelles Buchprojekt und gibt Einblicke in ihren Schreibprozess.
Mit diesem und zwei weiteren Blogbeiträgen begleite ich die Entstehung meines Buches „Mit Freude lehren“. Im Februar 2021 erschien der erste Beitrag. Darin schrieb ich unter anderem über meinen Zeitplan für die Manuskripterstellung:
„Meinen ursprünglichen Zeitplan darf ich nun komplett über den Haufen werfen. Wer schon mal länger an einem Schreibprojekt gearbeitet hat, kennt das: Man würde ewig dem Rückstand vom Anfang hinterlaufen, wenn man seinen alten Plan beibehielte. Dazu habe ich keine Lust. Also lieber noch einmal auf null und realistisch neu aufteilen.“
Außerdem kündigte ich den zweiten Blogartikel „die heiße Phase der Manuskripterstellung im Sommer“ an. Rückblickend liest sich das sehr naiv. Tatsächlich war ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie mit einem Buchmanuskript so hinter dem Zeitplan gewesen wie mit dem aktuellen. Bisher konnte ich deutlich besser die Deadlines halten und musste, wenn es kritisch wurde, einfach nur die Arbeitspakete in dem Zeitraum vor der Abgabe umverteilen. Beim aktuellen Buch war dank der schlechten Planbarkeit in Corona-Zeiten alles anders. Ich schob die Deadline, und das nicht nur einmal. Gute Laune verursachte das alles bei mir nicht gerade. Denn während ich eine Zeit lang immer dachte (mir einredete?), dass das doch zu schaffen sei, kam jedes Mal wieder aufs Neue der Punkt, an dem ich mir eingestehen musste, dass es nun wieder nichts werden würde. Nach der Verschiebung der Deadline dann ein großes Aufatmen und Durchatmen und der Gedanke, dass das doch jetzt bis zur neuerlichen Deadline „wirklich“ gut zu schaffen sein müsste. Sie ahnen es…
Im Schreibprozess: Wenn der Knoten platzt
Immerhin gab es im Sommer einen bemerkenswerten Punkt, der mich regelrecht erstaunt hat. Auf LinkedIn postete ich Folgendes:
Nicht nur war in meinem Schreibprozess ein Knoten geplatzt, ohne dass ich rekonstruieren konnte, aus welchem Grund er das getan hatte. Nein, es passierte auch noch etwas, das ich so nicht kannte: Meine Gedanken formten sich auf einmal just in dem Moment des Hinschreibens, genau genommen während des Tippens. Schon früher war es für mich normal, dass ich nicht alles fix und fertig im Kopf hatte, was ich schreiben wollte. Aber da wusste ich es immerhin ein paar Sekunden vor dem Bedienen der Tastatur. Jetzt fühlte sich das anders an, viel unmittelbarer und wenig planvoll.
Nun klingt das, was ich da vom Sommer berichte, alles noch sehr vorläufig und überhaupt nicht nach einem Manuskript, das auf dem Weg zum Lektorat ist. Von einer heißen Phase der Manuskripterstellung im Sommer kann also kaum die Rede sein. Mitten im Winter, ein gutes halbes Jahr später als gedacht, hat die heiße Phase dann endlich stattgefunden. Und was soll ich sagen? Es hat mir so gutgetan! Endlich hatte ich Zeit und Ruhe, um an dem Text zu arbeiten. Endlich konnte ich für mehrere Tage am Stück tief eintauchen und die Gedanken drehen und wenden. Es war ja nie so, dass ich keine Lust darauf gehabt hätte oder ich gern alles zum Fenster hinausgeworfen hätte – im Gegenteil, die schlechte Laune rührte daher, dass ich eben keine Gelegenheit hatte, mich mit dem Text zu befassen. Dafür hätte ich andere wichtige und meist auch dringende Aufgaben liegen lassen müssen. Anfang Januar passte dann alles: Ich hatte Zeit, ich war relativ erholt und ich spürte nicht nur die äußere Ruhe dieser Zeit, sondern endlich auch die nötige innere Ruhe.
Für den Schreibprozess: ein Semesterkurs als zusätzliches Feedback
Die Verzögerung im Schreibprozess hatte auch etwas Gutes bzw. ich konnte etwas Gutes daraus machen. Ich hatte einer Hochschule zugesagt, im Winter einen Semesterkurs zum Thema „Mit Freude lehren“ durchzuführen. Zum Zeitpunkt der Zusage dachte ich ja, dass die Arbeit am Manuskript zum Kursstart längst beendet wäre. Dass es das nicht war, fand ich zunächst nicht gerade optimal. Gern hätte ich auf der Grundlage des fertigen Texts eine Seminarskizze entworfen. Nun waren die Voraussetzungen anders: Ich hatte zwar mein schon lange feststehendes Grundgerüst für den Text und konnte daraus die Inhalte für den Semesterkurs ziehen. Allerdings hatte ich natürlich keinesfalls einen komplett zu Ende durchdachten und abgeschlossenen Text, sondern nur ein Etwas mit recht unterschiedlich ausgearbeiteten Teilen. Den Verlauf des Semesterkurses hat das nicht beeinträchtigt. Vielmehr konnte ich in den Gesprächen mit den Lehrenden herausfinden, wo die Argumentation hakte oder welche Stellen ich noch nicht verständlich genug formuliert hatte.
Going thru the motions
Als das Manuskript im Sommer eigentlich hätte fertig sein sollen, schwankte ich zwischen den beiden Extremen „Toll, eigentlich habe ich ja schon sooo viel geschrieben!“ und „Oh Mist, da fehlt ja noch sooo viel!“ Die Stimmungsschwankungen bezogen sich auch auf die Qualität: Während ich manchmal gar nicht so übel fand, was ich bisher fabriziert hatte, kam es mir an anderen Tagen vor wie der letzte Müll. Solche Zweifel sind wohl allen bekannt, die Texte veröffentlichen.
Ein weiterer Aspekt kommt hinzu. Dazu möchte ich etwas ausholen und erklären, wie ich schreibe. Meine Manuskripte entstehen meist im Patchworkstil – das bedeutet, ich schreibe nicht linear von vorne weg, sondern springe vielfach zwischen den Textpassagen hin und her. Eine Gliederung erstelle ich immer vorab, sie gibt mir Orientierung und wird auch nur aus wichtigen Gründen geändert. Aber es ist der Normalfall, dass ich die Kapitel nicht in jener Reihenfolge verfasse, wie sie in der Gliederung vorgesehen sind. Es passiert also beispielsweise, dass ich in Kapitel 2 beginne, kurz zu Kapitel 4 springen, um dort einen Absatz zu verfassen und danach für eine Weile in Kapitel 3 weitermache. Der Text wächst also an vielen Stellen gleichzeitig.
Dieses Vorgehen bringt aus meiner Sicht einen großen Vorteil mit sich: Ich schreibe in meinem ganz eigenen Flow. Ich halte mich immer an den Stellen des Texts auf, an denen es mir inhaltlich gerade leicht von der Hand geht. Es ist leicht nachvollziehbar, dass bei dieser Art des Schreibens gegen Ende unter Umständen ein nicht so erwünschter Effekt auftritt: Im schlechtesten Fall sind dann nur noch Stellen übrig, die einem eben nicht leichtfallen. (Im besten Fall, und den gibt es auch, sind die zu Beginn als schwierig eingestuften Stellen in der Zwischenzeit leicht geworden.)
Was also tun? Jetzt, wo ich etwas Erfahrung habe, geht es eigentlich: Ich vertraue dem Prozess. Ich bringe die Geduld auf und weiß, dass am Ende doch wieder alles gut wird. Manchmal passiert das einfach so, manchmal durch Feedback und die dadurch ausgelösten Gedanken.
Beim aktuellen Buch gab es zwei Unterkapitel, die wirklich lange nicht mehr als eine lose Gedankensammlung waren. Es hat sehr lange gedauert, bis ich jeweils einen Dreh gefunden hatte, wie ich diese Kapitel angehen möchte.
Loslassen
Nach all dem Hin und Her machte sich nach der Abgabe des Manuskripts eine große Zufriedenheit in mir breit.
Gleichzeitig herrscht bei mir im Schreibprozess ein Gefühl von Ruhe und von Einklang mit dem Geschriebenen. Auf LinkedIn schrieb ich „Ich bin zufrieden, weil ich es loslassen konnte. Oder war es andersherum? Ich konnte es loslassen, weil ich damit zufrieden war?“
Was meine ich mit Loslassen? Wer schon einmal einen Text zu Ende bringen wollte, kennt diesen Moment, in dem man beschließt, dass nichts mehr Wesentliches geändert werden soll. Man wird sich noch einmal gewahr, dass der Text sowieso nicht perfekt sein wird. In meinem Fall kam noch hinzu, dass ich mir zudem bewusst machte, dass nun wirklich nicht alles in dem Buch stehen muss, was ich über Coaching und über Lehre weiß. Es genügt ja, wenn die Dinge über die coachende Haltung darin stehen, die das Lehren mit Freude ermöglichen!
Die Autorin
Dr. Andrea Klein – Dozentin, Coach und Autorin – kennt sich mit dem Schreibprozess aus, denn sie lehrt seit vielen Jahren an Universitäten, Fachhochschulen und Berufsakademien die Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens. Im Jahr 2019 hat sie den Online-Kongress «Studienfeuer» ins Leben gerufen (www.studienfeuer.de). In hochschuldidaktischen Workshops teilt Andrea Klein ihre Erfahrungen mit Dozierenden und entwickelt mit ihnen Herangehensweisen für die Lehre sowie für die Betreuung und Begutachtung studentischer Arbeiten. Ihr Fachblog «Wissenschaftliches Arbeiten lehren» (www.wissenschaftliches-arbeiten-lehren.de) richtet sich ebenfalls an Dozierende.
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Der nächste Beitrag wird um den Veröffentlichungstermin des Buches herum erscheinen, der für den Frühsommer geplant ist. Hierin beschreibt Andrea Klein die letzten Schritte bis zum fertigen Buch.
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Mit Freude lehren. Was eine coachende Haltung an der Hochschule bewirkt
© Titelbild: pexels.com / Bich Tran