Die Vorteile von gutem Stil beim wissenschaftlichen Schreiben liegen af der Hand: Ein gut strukturierter Text begleitet die Leser*innen, erleichtert das Lesen und Verstehen und erhöht so die Freude am Text. Komplexe Gedanken sind leichter nachzuvollziehen, wenn sie klar gegliedert wiedergegeben werden. Zudem spiegelt die Struktur die gedankliche Klarheit desjenigen, der den Text verfasst hat. Was aber ist eine gute Struktur und wie bekommen Sie diese in Ihren eigenen Text? Hier ein paar Tipps, wie Sie dies angehen können.
Das Inhaltsverzeichnis zitiert aus dem Text
Wenn ein Projekt zur Einschätzung auf meinem Tisch landet – was in früheren Zeiten, als ich Lektorin war, ständig passierte –, schaue ich am liebsten auf das Inhaltsverzeichnis. Nach meiner Erfahrung gilt der Satz „How you do anything, is how you do everything“. Will sagen: Für gewöhnlich spiegelt das Inhaltsverzeichnis die Struktur des Manuskripts.
Unaufgeräumt, detailverliebt, flach, verwaschen – das Inhaltsverzeichnis verrät Einiges
Wirkt das Inhaltsverzeichnis wirr und unaufgeräumt, wird der Text selten klar strukturiert sein. Gehen die Klassifikationen bis in die sechste Hierarchiestufe, sodass sich zum Teil zwei oder drei Abschnitte mit der kleinsten Überschriftenkategorie auf einer Seite finden, nehme ich eine starke Detailverliebtheit an – oder eine geringe Durchdringungstiefe. Manchmal ist es beides. Dann möchte ich das Projekt aller Voraussicht nach nicht in meinem Verlagsprogramm haben.
Finden sich in einem Inhaltsverzeichnis für ein 300 Seiten starkes Werk lediglich drei Hauptteile mit je zwei Unterkapiteln, frage ich mich, ob die einzelnen Gedankenstränge und Fragestellungen gut voneinander abgegrenzt sind.
Guter Stil: das Inhaltsverzeichnis als Erzähler einer ausgewogenen Geschichte
Nur dann, wenn das Inhaltsverzeichnis eine nachvollziehbare Geschichte erzählt, bin ich zufrieden. Ich kann erkennen, dass mich die Überschriften der einzelnen Kapitel und Abschnitte sicher durch den Text geleiten.
Besonders gern sehe ich es, wenn alle Überschriften nach dem gleichen Prinzip gestaltet sind: Am besten ist es, sie spiegeln den Inhalt des jeweiligen Teils, Kapitels oder Abschnitts wider. Wenn die Überschriften dazu noch die einschlägigen Fachtermini und Schlüsselbegriffe enthalten, freue ich mich sehr. Zum einen optimiert dies die Auffindbarkeit (ein Inhaltsverzeichnis wird gern online durchsuchbar gemacht, sodass die einschlägigen Begrifflichkeiten die Sichtbarkeit erhöhen). Zum anderen finde ich mich als Leserin schnell zurecht und kann die Stellen ansteuern, die mich besonders interessieren.
Schwierig sind kryptische Überschriften oder reine Zitate, die für den Autor oder die Autorin bedeutungsschwanger sind – für mich als Leserin jedoch unverständlich und beliebig.
Ein letzter Blick auf die Gewichtung der einzelnen Hauptkapitel zeigt mir schließlich noch, ob hier Ausgewogenheit herrscht. Bei Qualifikationsarbeiten ist der Schlussteil häufig nicht viel länger als ein bis zwei Seiten. In manchen Manuskripten ist die Einleitung länger als der Hauptteil des Buches. Oft genug gibt es einen Anhang, der vollkommen überdimensioniert ist. Dann ist einfach Abhilfe zu schaffen, denn so ein Anhang muss ja nicht zwingend in das Buch mit aufgenommen werden. Zumeist reicht es, die zentralen Aspekte aus dem Anhang in den eigentlichen Text zu übernehmen und das übrige Material entweder ins Internet zu stellen oder auf Verlangen an Interessierte zu übermitteln.
Checkliste: guter Stil
Zwar hilft es oft beim Schreiben, wenn Sie sich im Vorfeld eine Gliederung zimmern, an der Sie entlangschreiben können. Allerdings zwingt Sie niemand, diese Gliederung hinterher als das verbindliche Inhaltsverzeichnis abzuliefern.
Prüfen Sie, wenn Sie Ihren Text publikationsreif machen, ob Ihre Überschriften angemessen sind. Erstellen Sie das Inhaltsverzeichnis – am einfachsten automatisch, wenn Sie entsprechend formatiert haben – und prüfen Sie:
- Ist das Inhaltsverzeichnis ohne weitere Erläuterungen für Dritte verständlich, die Ihren Text noch nicht gelesen haben? (Sie können auch Freiwillige ernennen, die Ihnen hierzu Rückmeldung geben dürfen.)
- Erzählt das Inhaltsverzeichnis eine konkludente, also nachvollziehbare Geschichte?
- Entspricht diese Geschichte Ihrer Forschungsfrage?
- Ist die Abfolge logisch nachvollziehbar?
- Ist die Abfolge inhaltlich stimmig?
- Gibt es ggf. eine Chronologie, an der Sie sich orientieren möchten?
- Sind die einzelnen Teile ihrem jeweiligen Informationsgehalt entsprechend gewichtet?
- Sind die drei Großteile Einleitung, Mittelteil, Schluss deutlich voneinander zu unterscheiden?
Und, zu guter Letzt, die Formalitäten:
- Haben Sie alle Verzeichnisse ins Inhaltsverzeichnis aufgenommen?
- Ist alles vollständig?
- Stimmt die Hierarchie?
- Stimmt die Zählung?
- Stimmen die Seitenzahlen?
Wenn Sie diese Kriterien erfüllt haben, sind Sie einen großen Schritt näher an gutem Stil und der erfolgreichen Veröffentlichung Ihres Projekts!
„Wissenschaftliche Prosa ist genau, also unbequem für den Autor, und einfach, also bequem für den Benutzer.“
Hermann Heimpel (Historiker, ausgezeichnet mit dem Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa)
Die Autorin
Barbara Budrich, M.A., ist von Kindesbeinen an im Wissenschaftsverlag tätig und seit 2004 selbstständige Verlegerin. Außerdem ist sie Trainerin und Coach für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren im Schulungsunternehmen budrich training. Zudem ist sie selbst Autorin. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz führt sie seit 2015 als Vorbildunternehmerin.
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© Foto Barbara Budrich: privat ; Titelbild: unsplash.com / Foto: John Jennings