Wissenschaftliche Veröffentlichungen sind häufig sehr speziell. Dadurch haben sie eine kleine Zielgruppe, was zu geringen Auflagenhöhen führt. Trotz tendenziell höherer Ladenpreise lassen sich die Kosten für diese Bücher oft nicht vollständig erwirtschaften: Es werden Zuschüsse zu den Publikationskosten notwendig. Wie genau sich die Kosten zusammensetzen und was an Gemeinkosten so gemein ist, erläutere ich im folgenden Blogpost.
In meinen Vorträgen zeige ich gern die Folie „(Zu) viele Variablen“. Einerseits erläutert sie die unterschiedlichen Aspekte einer Buchkalkulation. Andererseits zeigt sie die Notwendigkeit von Zuschüssen zu den Publikationskosten auf. Jedenfalls, wenn Sie sich auf die Gleichungen einlassen, die auf den ersten Blick ein wenig überwältigend sein können.
Lassen Sie uns gemeinsam einen Blick werfen:
Die oberste Gleichung analysiert die Zusammensetzung des Ladenpreises. Wir addieren die Fremd- und Herstellkosten eines Buches (a) zu den Gemeinkosten des Verlages (b). Des Weiteren packen wir ein etwaiges Honorar (c) sowie die gewährten Rabatte (d) in die Gleichung hinein. Das sind nicht alle Variablen, die in eine Buchkalkulation einfließen, aber es sind wichtige Parameter. So fehlen nur als Beispiel die Kosten für die Auslieferung unserer Publikationen – dazu gehören Lagerhaltung, Bearbeiten von Bestellungen, Konfektionieren der Sendungen, das daran angeschlossene Rechnungs- und Mahnwesen sowie der Versand und die Kosten für die Verpackung und deren Entsorgung. Ich will die ohnehin komplexe Angelegenheit jedoch nicht weiter verkomplizieren.
Die Fremd- und Herstellkosten
Bei den Fremd- bzw. Herstellkosten gibt es den Luxus, dass sich diese Kosten direkt einzelnen Publikationen zuordnen lassen. Ob wir über Lektoratsarbeiten sprechen, über Satz- oder Grafikkosten, ob es um den Druck, den Buchbinder oder die Aufbereitung des eBooks geht – in all diesen Fällen wissen wir: Es ist genau dieses eine Projekt und die Zahlen lassen sich eindeutig zuordnen.
Deshalb weiß ich auch beim Blick auf die zweite Gleichung (a = f ˖ g ˖ h), dass es bestimmte Faktoren gibt, die einen Einfluss auf diese Kosten haben. Besonders wichtig sind hier der Umfang (f), die Auflagenhöhe (g) und die Ausstattung (h).
Je mehr umfangreicher ein Projekt, desto höher sind z.B. die Kosten für Lektorat und Satz. Je höher die Stückzahl, die ich drucken möchte, desto niedriger ist zwar der Einzelpreis, aber desto höher sind die Kosten insgesamt: Mehr Papier, mehr Umschlagmaterial, mehr Buchbindekosten usw. Und schließlich mit Blick auf die Ausstattung: Vierfarbiger Druck ist teurer als schwarzweiß, ein Hirschleder-Einband ist kostspieliger als ein schlichtes Paperback. Und leider kostet z.B. FSC-zertifizierte Produktion mehr Geld als die konventionelle Herstellung.
Auch bei der reinen eBook-Produktion gibt es mit Blick auf die nicht vollständig automatisierte Aufbereitung und die notwendigen Prüfroutinen im Bereich der Ausstattung höhere Kosten bei größeren Umfängen und bestimmten Anforderungen; hier z.B. mit Anforderungen an die Barrierefreiheit bei einem hohen Bild- und Grafikanteil.
Mit anderen Worten: Ich weiß, welches Buch unter welchen Umständen welche Kosten verursacht.
Die Gemeinkosten
Während Herstellkosten ähnlicher Bücher bei unterschiedlichen Verlagen vergleichbar sind, sind die Gemeinkosten nicht nur individuell je Betrieb. Auch die Notwendigkeit, die Gemeinkosten über die eigene Tätigkeit einzuspielen, besteht nur bei Wirtschaftsunternehmen. Dienstleister, die unmittelbar an staatlich finanzierte Institutionen angedockt sind, sind selten in einer derartigen Position.
Während Verlage also selbst Mieten und Nebenkosten für ihre Geschäftsräume bezahlen, Gehälter, Ausstattung der Arbeitsplätze, Selbstverwaltung, Weiterbildungen, Softwarelizenzen und Webspace, Beiträge und Gebühren und so weiter, sind diese Posten bei Hochschulverlagen nicht selten bereits gedeckt: ein ungleiches Rennen. Zumal die Gemeinkosten gern genau so groß sind wie die Herstellkosten – und nicht selten größer.
Professionell arbeitenden Verlage haben viel zu tun in allen Bereichen von Betreuung und Beratung von Autor*innen über die Begleitung und Beratung bei der Herstellung, Überwachen der Produktion, Organisation des Vertriebs und intensivem Marketing. In meinen Blog-Beiträgen plaudere ich gern aus dem Verlags-Nähkästchen.
Übrigens fallen für Open-Access-Publikationen die meisten dieser Arbeiten genauso an wie für andere Publikationen. Sodass die Kostenseite nicht entlastet wird. Lediglich die Erlösseite wird „entlastet“: Wir können uns darauf verlassen, dass die Umsatzerlöse für den Verkauf von gedruckten Exemplaren dramatisch abfallen. Zumeist reichen etwaige Erlöse gerade einmal aus, die Produktion der gedruckten Exemplare zu finanzieren.
Zuschüsse zu den Publikationskosten
Das ist der Punkt, an dem ich einen tiefen Blick in meine Glaskugel zu werfen habe: Wie viele Exemplare des Buches werde ich tatsächlich verkaufen können? Welcher Ladenpreis resultiert daraus? Ist dieser Ladenpreis für meine potenzielle Kundschaft akzeptabel oder wirkt er prohibitiv?
Um die Lücke schließen zu können, die sich bei niedrigen Absatzerwartungen automatisch auftut, benötigen Verlage Zuschüsse zu den Publikationskosten. Der sorgt dafür, dass die Erlösseite soweit „aufgefüllt“ wird, dass die Kostenseite abgedeckt ist.
Ohne Druckkosten kein Zuschuss?
In alten Zeiten hießen Subventionen zum Veröffentlichen von Büchern „Druckkostenzuschuss“. In unseren digitalen Zeiten könnte man bei rein digitalen Publikationen auf die Idee kommen, dass dieser entfallen kann. Kann er. Allerdings benötigen Verlage vor allem für Open-Access-Publikationen die Möglichkeit, die anfallenden Kosten zu finanzieren. Da die Erlösseite durch Verkauf quasi ausfällt, bleibt ein Vollfinanzierung in Form der sogenannten Book Processing Charge (BPC).
Wenn Sie bei den Gleichungen oben aufgepasst haben, wissen Sie, dass unter diesen Umständen zwar Rabatt und Honorar wegfallen, wie auch die Auflagenplanung (die in die Absatzerwartung mündet). Von der ersten Gleichung fällt allerdings auch der Ladenpreis (x) weg. Es bleiben die Fremd- bzw. Herstellkosten (a) wie die Verlagsgemeinkosten (b). Wir haben also eine neue Gleichung:
a + b = y
Wobei y die Summe der Kosten darstellt.
Die Herstellkosten sind durch den Wegfall der Druckkosten genau um diese geringer – aber alles andere bleibt gleich!
Die Publikation benötigt Vertriebsbemühungen, die bei einem Verlag deutlich über „Hochladen, fertig!“ hinausgehen; der Verlag sorgt für Auffindbarkeit, für Sichtbarkeit. Marketing wird genauso betrieben wie für Bücher, über deren Verkauf der Verlag Einnahmen generiert. Es werden DOIs vergeben, Datenbanken gepflegt, Werbetexte geschrieben, Kampagnen gefahren. Wie gesagt: alles so wie bei jedem anderen Titel des Verlagsprogramms auch.
Es gibt außer der BPC keine Erlöse: Die Verkäufe der digitalen Ausgabe fallen bei Open Access weg. Und die Verkäufe von gedruckten Exemplaren – sofern überhaupt gedruckt wird – können meist gerade einmal die dann doch wieder zusätzlich anfallenden Druck- und einschlägigen Druckvertriebskosten decken.
Mit anderen Worten: Auch beim Wegfall oder der Minimalisierung von Druckkosten können Zuschüsse notwendig bleiben.
Fazit: Wirtschaftliche Kalkulationen müssen aufgehen
Für einen Verlag, der sich aus seinen Aktivitäten heraus selbst finanziert, sind wirtschaftliche Kalkulationen eine Überlebensnotwendigkeit. Tatigkeiten von Verlagen gehen über das für alle Offensichtliche hinaus und jeder Handschlag in einem Betrieb muss finanziert sein: Auch die engagiertesten Mitarbeiter*innen in einem Verlag (wie überall sonst auch) wünschen sich ein Gehalt.
Manche Publikationen können die notwendigen Erlöse nicht durch ausreichende Umsätze einspielen – bei Open-Access-Titeln gibt es zumeist nur minimale Erlöse durch den sehr geringen Absatz gedruckter Exemplare. Diese Lücken müssen durch Subventionen geschlossen werden. Diese Subventionen nannte man in „alten Zeiten“ Druckkostenzuschüsse. Heute können wir sie einfach „Zuschüsse zu den Publikationskosten“ nennen – und die können unabhängig vom Publikationsformat (print und/oder digital) anfallen.
Alles über das Publizieren bei Budrich…
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Die Autorin
Barbara Budrich, M.A., ist von Kindesbeinen an im Wissenschaftsverlag tätig und seit 2004 selbstständige Verlegerin. Außerdem ist sie Trainerin und Coach für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren im Schulungsunternehmen budrich training. Zudem ist sie selbst Autorin. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz führt sie seit 2015 als Vorbildunternehmerin.
© Foto Barbara Budrich: privat | Titelbild: unsplash.com / Dylan Gillis