Seit langem schon nutze ich die Zeit zwischen den Jahren für die Evaluation des vergangenen und für die Planung des neuen Jahres. Ziele spielen dabei eine wichtige Rolle: Sie geben meinem Tun eine Richtung und helfen mir, meine Prioritäten zu sortieren. Auch meine Schreibziele spielen eine große Rolle. Vielleicht ist das ja auch etwas für Sie und Ihr Schreiben?
Welche Schreibziele kann ich mir setzen?
Was für den je eigenen Schreib-Output sinnvolle Ziele sein könnten, hängt davon ab, wo wir jeweils stehen und was wir mittel- und längerfristig erreichen möchten. Wenn Sie an Ihrer Dissertation schreiben, dürfte genau dieses Projekt die oberste Priorität in Ihrem Schreibkalender einnehmen. Viele Promovierende stehen vor der Herausforderung zugleich an Vorträgen und nicht selten auch an weiteren Aufsätzen zu arbeiten. Im Verlauf der wissenschaftlichen Karriere sind Schreibprojekte Bestandteil des Alltags. Was allerdings nicht bedeutet, dass deshalb Rücksicht auf Ihre (Schreib)Zeit genommen würde (ausführliche Hilfestellungen in den Büchern Christian Wymann).
Umso wichtiger ist es, dass Sie sich in allen Phasen der wissenschaftlichen Karriere über Ihre Ziele und Bedürfnisse im Klaren sind. Am einfachsten lassen sich smarte Ziele setzen: Zu bestimmten Schreibzeiten, die Sie in Ihren Kalender einbauen, nehmen Sie sich eine bestimmte Anzahl von Zeichen, Wörtern oder Seiten vor, die Sie produzieren möchten. Oder Sie zerlegen Ihre Schreibzeiten, um den Fokus auf unterschiedliche Schreibarbeitsschritte zu legen. Mal produzieren Sie Rohtext, mal planen Sie Zeit zum Überarbeiten ein, mal nutzen Sie Zeitblöcke für die Diskussion mit Peers, die Sie um Feedback bitten. Und Sie benötigen Lese- und Recherche-Zeit: Auch diese gilt es in Ihrem Kalender unterzubringen.
Nicht für jeden dieser Arbeitsschritte lassen sich messbare Ziele formulieren. Wieviele Seiten Sie zu einem bestimmten Zeitpunkt lesen können, liegt nicht zuletzt am Text selbst. Und wie die Gespräche mit Ihren Peers verlaufen, ist schwerlich in Zahlen auszudrücken. Auch Literaturrecherche und -beschaffung ist als Zahl nicht sinnvoll zu greifen. Bei diesen Arbeitsschritten würde ich empfehlen, schlicht die Zeit als Orientierung zu nutzen: Wenn Sie sich 60 Minuten in Ihren Kalender geblockt haben, füllen Sie diese beispielsweise zur Hälfte mit Rechercheaufgaben. Sie können sich dazu einen Wecker stellen und einen anderen Arbeitsschritt anschließen (nach ausreichender Dokumentation).
Welche Stolpersteine für Schreibziele gibt es und wie vermeide ich sie?
Planlosigkeit
Um die eigenen Schreibziele erreichen zu können, müssen wir wissen, was wir erreichen wollen. Ob das Verfassen der Dissertation oder das Schreiben eines Abstracts als Antwort auf einen Call ansteht: Wir brauchen eine klare Vorstellung von dem, was und wie wir inhaltlich liefern möchten (und natürlich auch: bis wann).
Hier ist nicht der Ort, im Detail auf die Fragen des Er- und Ausarbeitens einer Konzeption einzugehen. Hinweise zum Vorgehen finden Sie zahlreich in der einschlägigen Literatur. Lassen Sie mich hier nur darauf hinweisen, dass diese inhaltliche und strukturelle Klarheit gegeben sein muss: Sonst kommen Sie nicht voran!
Fehlende Publikationspartner
Bei so manchem Schreibprojekt beginnen Planungsunsicherheiten bei der Frage nach dem Publikationsort bzw. -partner: So lange wir keine Vorstellung davon haben, in welcher Zeitschrift oder bei welchem Verlag wir veröffentlichen wollen, fehlen uns Rahmenbedingungen. Länge, Format, Zuschnitt – all diese Dinge brauchen wir, um sicher planen zu können. Und nicht selten geben uns Reviewer, Redaktionen und Lektorate Überarbeitungsaufgaben, wenn wir längst dachten, wir seien fertig.
Für eine gute Planung schadet es also nicht, wenn wir frühzeitig wissen, wo wir publizieren wollen (und verbunden damit auch: für wen wir schreiben).
Zeitlosigkeit
Am häufigsten begegnet mir in meinen Schreibcoachings und Schreibclubs aber die Frage nach dem Zeitmanagement. Qualitativ hochwertige „Me-Time“ ist als Notwendigkeit vielfach akzeptiert. Aber für sich selbst und die eigene Wissenschaftskarriere regelmäßig „wissenschaftliche Me-Time“ einzuführen, ist ebenfalls sehr hilfreich. Zugegeben: Das ist weder trivial noch einfach!
Dennoch ist es für die eigene Karriere enorm wichtig, diese Zeit gegen die Prioritätensetzung von Dritten zu verteidigen! Familie, Freund*innen und – vor allem – die vielfältigen Aufgaben des Lebens in der Wissenschaft kommen wieder und wieder mit Anforderungen an unsere Zeit auf uns zu. Welche Strategien haben wir, um damit umzugehen? Wie gut sind wir im Nein-Sagen? Welche Möglichkeiten zum Delegieren haben wir?
Diese Fragen sind nicht leicht zu beantworten. Doch wenn Sie Ihre wissenschaftliche Me-Time in Ihren Kalender eintragen, können Sie darüber nachdenken, unter welchen Umständen Sie dazu bereit sind, diese Termine ausfallen zu lassen oder zu verschieben. Zwischen realistischem Abwägen und konsequentem Verteidigen liegt der Raum, den Sie zur Entwicklung Ihrer Wissenschaftskarriere haben. Und behalten Sie im Blick, dass sich diese Zeit-Organisation durchaus langfristig durchhalten lassen sollte: Wissenschaft ist kein Sprint!
Regelmäßig unvollkommen ist besser als vollkommen unregelmäßig
Sehen Sie mir das Wortspiel nach: Der Inhalt ist das Entscheidende! Sie brauchen zur Produktion von Texten regelmäßig Zeit und Sie müssen lernen zu ertragen, dass sie nicht perfekt sind. (Ich habe oft den Eindruck, dass der Anteil an Perfektionist*innen in der Wissenschaft höher ist als anderswo …) Kontinuität ist für die Textproduktion und für jede Art von Erfolg, auch für Ihren Erfolg in der Wissenschaft, eine enorm wichtige Zutat.
Deshalb gebe ich Ihnen gern die Empfehlung mit auf den Weg, dass Sie sich regelmäßige Schreibzeiten in Ihrem Kalender blocken, um Ihre eigenen Projekte vorantreiben zu können. „Alles“ bekommen Sie ohnehin nicht erledigt, deshalb ist es so wichtig, wie mein Vater immer zu sagen pflegt, bewusst zu entscheiden, was Sie zuerst liegen lassen! Damit Sie Ihre Schreibziele erreichen.
Schreibziele: Die Autorin
Im Jahr 1993 begann sie die Arbeit als Lektorin im Verlag Leske + Budrich, der ihrem Vater Edmund Budrich gehörte. Im Jahre 2004, nach dem Verkauf von Leske + Budrich, gründete Barbara Budrich ihr erstes eigenes Unternehmen, den Verlag Barbara Budrich. 2007 gründete sie die Budrich UniPress Ltd., die 2019 in Budrich Academic Press überführt wurde.
Sie hat zahlreiche Bücher und Aufsätze publiziert, wird zu unterschiedlichen Anlässen als Rednerin eingeladen – vom wissenschaftlichen Publizieren bis hin zu Unternehmensthemen – und ist vielfach ausgezeichnet. Weitere Informationen zu ihr auf ihrer eigenen Webseite.
© Titelbild: unsplash.com | Brands&People; Bild Barbara Budrich: Nina Schöner Fotografie