Ein Beitrag von Barbara Budrich zu „Schreiben als Teamsport“ und wie Schreibclubs und andere dabei helfen können, unsere*n innere*n Kritiker*in ruhig zu stellen.
Schreiben ist vielfach eine einsame Tätigkeit. Auch wissenschaftlich Schreibende versinken in ihrer eigenen Gedankenwelt – unabhängig davon, wie viele Publikationen, Notizen, Exzerpte, Dateien und Daten sie um sich herum verteilen. Das Außen ist präsent in all diesen Dingen; um aber Wörter aufs digitale Papier zu bringen, braucht es das eigene Innen.
So ganz einsam ist dieses Innen nicht, wie Friedemann Schulz von Thun mit seinem Konzept vom „Inneren Team“ veranschaulicht. „Inneres Team“ klingt allerdings harmlos im Vergleich zu dem, was viele Schreibende in ihrer Innenwelt entdecken. Klar, die inneren Kritiker*innen beobachten scharf und streichen gern jedes selbst notierte Wort wieder durch: „Nicht gut genug!“ – Zack, weg! Doch nicht selten sind es ganze Horden von Monstern unterschiedlicher Couleur, die im Innern darauf warten, uns Autor*innen zu allem zu bringen, nur nicht zum Schreiben.
Die entsprechenden „Prokrastinations-Tänze“ – nur noch rasch die Mails beantworten, den Schreibtisch aufräumen, das Zitat suchen … – fressen viel Zeit, gelegentlich die gesamte Schreibzeit, die wir für einen bestimmten Tag reserviert hatten. So können Wochen vergehen, ohne dass wir mit unseren Texten vorankommen. (Wer mehr über professionelles Prokrastinieren erfahren möchte, dem sei das Video von Tim Urban empfohlen: „Inside the mind of a master procrastinator.“)
Zu den weiteren üblichen Verdächtigen, die wir in unserem Inneren pflegen und hegen, gehört das Imposter-Syndrom: „Alle anderen sind besser als ich. Ich gehöre nicht hier her. Hoffentlich werde ich nicht entlarvt!“ Interessant, dass einerseits nahezu jede*r daran leidet und „alle anderen“ zumeist als zugehörig, intelligent und überlegen gelesen werden. Ich empfehle sehr gern den TEDTalk der US-Sozialpsychologin Amy Cuddy, „Fake it, until you make it“, der mich immer wieder zu Tränen rührt. Denn auch sie fühlte sich nicht zugehörig – und hat dieses Gefühl auch als Professorin ihren Studierenden gegenüber nicht vergessen.
Und das sind auch lediglich Beispiele der Schwierigkeiten, denen wir uns beim wissenschaftlichen Schreiben gegenübersehen. Hinzukommen zerstückelte Schreibzeiten mit langen Unterbrechungen, die uns völlig aus dem Text bringen; die beständige Sorge, dass noch etwas Wichtiges fehlt. Was nicht selten dazu führt, dass wir immer mehr und mehr und mehr lesen, sammeln, exzerpieren, bis wir uns in der Materialfülle verlieren. Das bringt uns zur Einsicht, dass wir zu viel wissen und das ohnehin gar nicht strukturieren können. Und selbst wenn wir es aufschreiben würden, dann doch viel schlechter als alle anderen Autor*innen in vergleichbarer Situation. Doch haben wir ohnehin nicht die Zeit, egal wie gut wir planen. Und so weiter.
Eigentlich völlig verrückt, die Vorstellung, dass eine Gruppe bei all diesen Herausforderungen helfen können soll. Regelmäßige Treffen, die ihrerseits wiederum Zeit beanspruchen. Zeit, die wir nicht haben, egal wie gut wir planen. Und doch ist genau das für viele Promovierende und (angehende) Autor*innen ein guter und zeitsparender Weg, ein Umweg möglicherweise, der bei genauem Hinsehen eine Abkürzung darstellt. Diese Abkürzung bietet also unser Schreibclub.
Schreiben als Teamsport: Eine kleine Gruppe Gleichgesinnter
Ein Schreibclub setzt sich aus je maximal sechs Wissenschaftler*innen zusammen. Sie haben gemeinsam, dass sie an einem oder mehreren Schreibprojekten sitzen und sich wünschen, schneller und mit mehr Leichtigkeit vorankommen zu können. Die kleine und meist über viele Monate gleichbleibende Gruppe arbeitet vertrauensvoll miteinander. Häufig entwickeln sich daraus weitergehende Kooperationen, gemeinsame Schreibzeiten oder gar kollaborative Schreibprojekte. Schreiben als Teamsport, also.
Die kleine Gruppe sorgt dafür, dass jede*r mit den je eigenen Fragen genügend Zeit eingeräumt bekommt. Peer-Beratung ist Teil des Austauschs in der Gruppe, sodass die Erfahrungen und Ideen der anderen beim Lösen der eigenen Probleme unterstützen können.
Der Masterclass-Prozess
Der Ablauf im Schreibclub entspricht einer typischen Masterclass: Jede*r bringt seine eigene Frage mit. Die Moderatorin – zum Beispiel ich (Barbara Budrich) – systematisiert die Fragen, clustert gegebenenfalls oder hinterfragt, um tieferliegende Schwierigkeiten herauszuarbeiten. Dies geschieht allerdings nicht „schonungslos“; nicht jede Frage eignet sich für eine Bearbeitung in der Gruppe.
Im Verlaufe von insgesamt 90 Minuten werden die Fragen gemeinschaftlich diskutiert. Dabei bringen alle Teilnehmer*innen ihre Erfahrungen, Tipps und Tricks mit ein. Und am Schluss fasst die Gruppenleitung zusammen und bringt weitere Hinweise und Ressourcen ein. Dabei hat sie den Bonus der „Lektoratssicht“ auf Manuskripte und des Verlagswissens mit Blick aufs Publizieren.
Die Themen
Wie nicht anders zu erwarten, werden im Schreibclub häufig Themen rund um Textproduktion, Zeitmanagement und Selbstorganisation angesprochen. Publikationsstrategien, die konkrete Zusammenarbeit mit Verlagen und Zeitschriftenredaktionen, Grenzen und Möglichkeiten des Veröffentlichens unter den jeweiligen individuellen Bedingungen werden diskutiert. So weit, so offensichtlich. Doch meist geht es weiter und tiefer.
Kommunikation in allen Facetten, innerwissenschaftlich oder im Transfer, schriftlich, mündlich, im Vortrag, im Gespräch, am Arbeitsplatz. Wir diskutieren Machtverhältnisse in Wissenschaft und Gesellschaft und wie sie uns ganz konkret betreffen. Und was wir tun können. Unsicherheiten mit Blick auf das „richtige“ Verhalten in unterschiedlichsten Situationen werden thematisiert, aber auch konkrete Fragen zu Urheberrecht und Plagiat, Digitalisierung und KI.
Letztlich bestimmt jede*r einzelne Teilnehmer*in die Agenda. Und bis heute ist es mir noch nicht begegnet, dass nur ein*e einzige*r Teilnehmer*in ein bestimmtes Problem hatte: Auch wenn wir häufig denken, dass wir allein sind mit dieser oder jener Schwierigkeit – über die meisten Dinge stolpern wir alle!
Wird ein Thema zu persönlich, biete ich in speziellen Fällen Einzelcoachings an.
Das Text-Feedback
Jeden Monat kann jede*r Teilnehmer*in bei der Gruppenleitung einen Text einreichen, um Feedback zu bekommen. Ob erste grobe Skizze oder nahezu finales Manuskript, ob eine Seite oder 1.000 Seiten, ob auf Deutsch oder auf Englisch: Die Teilnehmenden schicken der Club-Leitung einen Text und bekommen ein Feedback dazu. Manchmal unter Berücksichtigung einer spezifischen Fragestellung, die sie formulieren, zumeist jedoch schlicht aus Lektoratssicht: Was würde ein*e Verlagslektor*in zu diesem Text oder dieser Idee sagen?
Natürlich schicken wir bei den Gutachten immer einen „Disclaimer“ vorweg: Wir sind keine Fachwissenschaftler*innen und können den jeweiligen Text also nicht auf seine wissenschaftliche Validität und Reliabilität im engeren Sinne hin überprüfen. Das liegt in der Verantwortung der Autor*innen. Doch bleibt jenseits der wissenschaftlichen Qualität genug übrig, um sinnvolles Feedback zu geben.
Weitere Goodies
Zum Schreibclub gehört zudem eine Ressourcen-Seite: Dort werden Literaturtipps gesammelt, Tools und Tipps, um das Leben als Wissenschaftler*in zu erleichtern. (Die Links zu den beiden obigen Videos finden sich ebenfalls auf dieser Seite.) Und wenn der Verlag Barbara Budrich gemeinsam mit budrich training Webinare veranstaltet, dann haben Schreibclub-Teilnehmer*innen kostenlosen oder vergünstigten Zugang dazu.
Zudem steht die Clubleitung den Teilnehmer*innen jederzeit per E-Mail zur Verfügung – was besonders dann von Vorteil ist, wenn jemand eine kurzfristige Rückmeldung zu einer schwierigen Bewerbung wünscht, oder auf kurzem Wege eine Formalie klären möchte oder sich einfach ein wenig Rückendeckung einholen möchte. Oder, was auch immer.
Seit 2020 laufen unsere Schreibclubs. Viele Teilnehmer*innen nutzen sie für ein spezifisches Schreibprojekt und setzen danach zunächst für eine Weile aus, um zu einem späteren Zeitpunkt wieder Mitglied zu werden. Die Beziehungen der Teilnehmer*innen untereinander sind wertvoll und für mich als Clubleitung, Trainerin, Coach, selbst Autorin und Verlegerin, ist der Austausch mit den Teilnehmer*innen eine große Bereicherung!
Sie wollen mehr über unsere Angebote zum wissenschaftlichen Schreiben erfahren? Einen Überblick erhalten Sie auf der Seite von budrich training.
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