Dies ist Teil 2 des Beitrags „Unternehmung Sammelband“. Lesen Sie hier Teil 1!
Und der ganze Formalkram
Ohne weitere Vereinheitlichungen sieht der Sammelband nicht aus wie ein homogenes Ganzes. Es ist also über die thematische, inhaltliche und Zielgruppen-Orientierung hinaus noch mehr Herausgeber*innen-Arbeit zu leisten.
Sie können Ihren Autor*innen zwei (knappe und übersichtliche) Informationsblätter mit auf den Weg geben:
- eines zu den Zitationsregeln,
- eines zu weiteren Formalitäten (z.B. Formatierungen).
Natürlich könnten Sie ihnen noch viel mehr mit an die Hand geben. Je mehr Material Sie Ihren Autor*innen jedoch zumuten, desto größer die Gefahr, dass vieles – oder gar alles – ignoriert wird.
Zitationsregeln
Sollten Sie das Vergnügen haben, einen interdisziplinären Sammelband herausgeben zu dürfen, dann finden Sie sich damit ab, dass Sie u.U. keine einheitliche Zitation schaffen werden. Wenn Sie Naturwissenschaftler*innen (amerikanische Zitation oder gar mit Ziffern) mit Jurist*innen (Fußnotenzitation) zusammenspannen, treffen zwei Welten aufeinander, die Sie nur schwer homogenisieren können – und wegen der entsprechend notwendigen Auseinandersetzungen vielleicht gar nicht möchten. Da haben Sie schon viel erreicht, wenn Sie es schaffen, inhaltliche und stilistische Kohärenz für Ihre Zielgruppe herzustellen …
Wenn wir aber von derartigen Schwierigkeiten absehen und uns innerhalb einer Disziplin bewegen oder in Disziplinen, die sich leichter zusammenbringen lassen, dann ist es gut, Zitationsregeln vorzugeben. Sollte Ihr Verlag Ihnen Regeln vorgeben, ist Ihr Spielraum geringer. Häufig ist es aber so, dass Sie sich die Regeln selbst aussuchen können, solange der Band insgesamt homogen gestaltet wird. Literaturverwaltungsprogramme sind eine große Erleichterung (Tipp: Es gibt bei Citavi eine Budrich-Vorlage, die aber nicht verbindlich ist für die Budrich-Verlage), doch verwenden nicht alle Autor*innen das gleiche Programm, sodass sie keine Garantie für Einheitlichkeit darstellen.
Sie können um Nachbesserung bitten, wenn die Zitation stark von Ihren Vorgaben abweicht – aber zumeist resignieren Herausgeber*innen (und Verlage) vor der kleinteiligen Mammutaufgabe wirklich jeden Punkt, Doppelpunkt und jedes Komma an die richtige Stelle zu bringen. „Weitestgehend einheitlich“ ist oft ein ausreichend ehrgeiziges Ziel.
Weitere Formalitäten
Der Versuch, die einheitliche Formatierung von Sammelbänden auf mehrere Schultern bzw. Hände zu verteilen, ist bislang eher selten erfolgreich verlaufen. Viele Autor*innen haben Eigenheiten im Layout ihrer Texte, die sie ungern lassen. Und das Einarbeiten in die „Generelle Satzanweisung“ bzw. Formatierungsvorgaben eines Verlages ist nicht ohne.
Einfacher ist es natürlich, wenn Sie in eine entsprechende Browser-Umgebung hineinarbeiten können. Dann ist es auch möglich, dass jede*r Autor*in den je eigenen Beitrag selbst bearbeitet. Die Formatierung erfolgt zentral von Verlagsseite, gestützt durch ein halbautomatisiertes System. (Manchmal auch unterstützt von billigen Arbeitskräften am anderen Ende der Welt. Wenn deutschsprachige Wissenschaftstexte, die für nicht-akademische Muttersprachler*innen schon eine Herausforderung sein können, von Menschen bearbeitet werden, die des Deutschen nicht mächtig sind, wird es spannend.)
Wenn die Druckvorlage ohnehin von Verlagsseite erstellt wird, ist es gut, etwaige wiederkehrende Elemente – Textkästen, Abbildungen, Tabellen usw. – einheitlich von den Autor*innen vorformatieren zu lassen. Je eindeutiger diese Dinge im Vorfeld gekennzeichnet werden, desto weniger Aufwand ist die anschließende Formatierung durch die Profis und desto weniger fehleranfällig ist das Ganze.
Die Sache mit der Deadline
Bei Ihrer eigenen Planung als Herausgeber*in dürfen Sie für sich selbst und Ihre Arbeitsabläufe Puffer einkalkulieren. Verzögerungen haben leider die Angewohnheit, sich zu potenzieren, je mehr Leute daran beteiligt sind (schön zu beobachten z.B. bei Großprojekten im Baubereich). So ist ein Sammelband umso anfälliger für Verzögerungen, je mehr Leute involviert sind.
Ihre Aufgabe als Herausgeber*in ist es, die Autor*innen freundlich auf heraufziehende Deadlines aufmerksam zu machen. Und hier kommt der Punkt, wo es sein kann, dass Sie Freunde verlieren: Sie müssen diejenigen, die das Projekt über Gebühr verzögern, von der Aufgabe des Beitragens entbinden.
Vor vielen, vielen Jahren ist es mehr als einmal vorgekommen, dass ein Herausgeber mir gegenüber beteuerte, es seien alle Beiträge da, wir könnten die auch schon bekommen und mit dem Satz beginnen. Nur der „Star“ ließe noch auf sich warten. Der namhafte Wissenschaftler, um den es bei mehreren Projekten ging, verzögerte diese Bücher immer um Monate. Am Schluss bekamen wir seinen Beitrag nicht, und die Bücher erschienen ohne seinen Input. Ärgerlich für alle Beteiligten.
Namhaften Wissenschaftler*innen sind nicht automatisch unzuverlässig – und Unzuverlässigkeit ist kein Privileg der Namhaften. Die Konsequenz sollte jedoch klar sein: Wer nicht abgibt und Deadlines verstreichen lässt, bekommt einmal eine Nachfrist. Wer dann nicht abgegeben hat, ist raus. Alles andere ist unfair allen Beteiligten gegenüber, vor allem gegenüber jenen, die ihren Beitrag pünktlich abgegeben haben.
Es kann immer Umstände geben, die dazu führen, dass man selbst eine Deadline trotz Zusage nicht einhalten kann. Sobald man das feststellt, sollte man sich mit jenen in Verbindung setzen, denen gegenüber man wortbrüchig wird. So haben dann die Herausgeber*innen die Wahl, ob Sie Ihren Beitrag zu einem späteren Zeitpunkt einreichen dürften oder ob Sie für diesen Band keinen Beitrag verfassen werden.
Manche Autor*innen gehen sehr raschen Schrittes an den Verlagsständen auf Konferenzen vorbei: Sie haben bei einem oder mehreren Verlagen Projekte im Verzug und möchten sich der Auseinandersetzung nicht stellen. An der Stelle kann ich Sie beruhigen: Natürlich freuen wir Verlage uns, wenn Termine eingehalten werden. Wir sind es andererseits gewohnt, dass Zeitpläne nicht wie gewünscht aufgehen. Und dann sind wir dankbar, wenn wir mit Ihnen eine (realistische) Neuplanung besprechen können!
Als Herausgeber*in sind Sie mit Ihren Beitragenden in dauerndem Kontakt, sodass Sie frühzeitig mitbekommen, falls es bei jemandem eng wird. Möglicherweise bekommen Sie für den wegfallenden Beitrag sogar noch einen Ersatz, wenn Sie früh genug gewarnt sind.
Die Sache mit dem Umfang
Um keinen Raum für Missverständnisse mit Blick auf die Umfangsfestlegung zu lassen, geben Sie den Umfang nicht in einer Seitenzahl vor. Sie nutzen entweder Zeichen inklusive Leerzeichen (die brauchen auch Platz) oder Sie geben die Wörterzahl vor. In beiden Fällen sind Abbildungen und Tabellen nicht im Umfang enthalten. In den Verlagsverträgen ist oft vom Raum die Rede, den diese Darstellungsformen einnehmen. Eine halbe Seite ist bei einer Abbildung eine konkrete Angabe. Wenn man weiß, dass eine Druckseite (A5) zum Beispiel 400 Wörter hat, dann würde eine halbseitige Abbildung 200 Wörter „kosten“. Legen Sie daher auch Zahl und Größe von Abbildungen oder Tabellen fest, um Ihren Autor*innen einen genauen Rahmen zu geben.
Und natürlich werden Sie feststellen, dass auch in diesem Bereich Wunsch und Wirklichkeit gelegentlich auseinanderklaffen. Selten bekommen Sie weniger Zeichen oder Wörter, als Sie vorgegeben hatten. Auf Nachfrage bekommen Sie im Zweifel zu hören, dass kürzen unmöglich ist, denn „da kann man nichts weglassen“.
Oft ist das vollkommen korrekt, wobei noch ein Nachsatz fehlt: Man kann nichts weglassen, es sei denn, man lässt etwas weg. Um einen Text zu kürzen, ist häufig angesagt, die Fragestellung enger zu führen und einzelne Aspekte wegzulassen – ein einfaches Streichen etwaiger Füllwörter reicht nicht aus. Kürzen gehört zu den schwierigeren Übungen – und doch profitieren die meisten Texte enorm davon, da das Thema stärker verdichtet wird. Helfen Sie Ihren Autor*innen beim Kürzen und seien Sie mitfühlend: Man mag es nicht auf den ersten Blick sehen, doch die meisten Texte sind mit Herzblut geschrieben.
Fazit
Wenn Sie einen Sammelband herausgeben möchten, ist Führungsstärke eine hilfreiche Eigenschaft. Das bedeutet nicht etwa, dass Sie laufend die Peitsche schwingen. Sie sind vielmehr aufgerufen, den Beitragenden im beständigen Austausch mit klaren Regeln Orientierung zu geben und die Unternehmung Sammelband auf einem guten Kurs zu halten. Im schlimmsten Fall dürfen Sie sich darauf einstellen, Freunde zu verlieren …
Die Autorin
Barbara Budrich, M.A., ist von Kindesbeinen an im Wissenschaftsverlag tätig und seit 2004 selbstständige Verlegerin. Außerdem ist sie Trainerin und Coach für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren im Schulungsunternehmen budrich training. Zudem ist sie selbst Autorin. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz führt sie seit 2015 als Vorbildunternehmerin.
© Foto Barbara Budrich: privat | Titelbild: unsplash.com ; Ramon Buçard