In meinem Workshop zum Thema „Publikationsstrategien“ bekomme ich gelegentlich die Frage gestellt, ob denn Publizieren in der Wissenschaft wirklich planbar sei. Lassen Sie uns genauer hinschauen, um herauszufinden, was es mit der Planbarkeit im Rahmen einer Publikationsstrategie auf sich hat. Die Duden-Definition (Zugriff 19.3.2024) von Strategie lautet:
„genauer Plan des eigenen Vorgehens, der dazu dient, ein militärisches, politisches, psychologisches, wirtschaftliches o. ä. Ziel zu erreichen, und in dem man diejenigen Faktoren, die in die eigene Aktion hineinspielen könnten, von vornherein einzukalkulieren versucht.“
Eine Publikationsstrategie für Wissenschaftler*innen wäre demnach ein planvolles Vorgehen, zum Erreichen der eigenen Ziele unter Berücksichtigung weiterer Faktoren. Die Berücksichtigung weiterer Faktoren zeigt: Ich habe das gar nicht alles unter Kontrolle. So kann ich beispielsweise keinen Verlag dazu „zwingen“, meine Publikation im Verlagsprogramm zu realisieren und keine Zeitschriftenredaktion „überreden“, meinen Aufsatz zu veröffentlichen. Das wären Beispiele von Faktoren, die ich von vornherein mit einzukalkulieren hätte.
Die Publikationsstrategie: Das Ziel ist das Ziel
Was die Duden-Definition uns auch deutlich zeigt: Ich muss wissen, welches Ziel ich mit meiner Publikation bzw. meinen Publikationen verfolge. Erst dann kann ich strategisch vorgehen.
Bei einer Publikationsstrategie muss ich also unter anderem wissen,
- was ich mit meinem Text erreichen möchte,
- wen ich mit meinem Text erreichen möchte,
- welche Publikationsform dafür geeignet ist und
- welcher Publikationspartner dafür geeignet ist.
Für die Veröffentlichung der Dissertation sind diese Fragen relativ leicht zu beantworten. Denn das oberste Ziel ist es, die Anforderungen des Prüfungsamts an die Publikation oder Publikationen zu erfüllen. Doch auch an dieser Stelle gilt es für Promovierende, unterschiedliche Voraussetzungen zu erfüllen – die wir zunächst kennen müssen! Stecke ich also in meiner Promotion, muss ich wissen,
- ob ich kumulativ oder monografisch veröffentlichen muss bzw. möchte,
- welche Voraussetzungen Zeitschriften erfüllen müssen, in denen ich veröffentlichen kann, falls ich kumulativ promoviere,
- ob ich einen Verlagsvertrag benötige oder einfach eine PDF-Datei bzw. eine bestimmte Anzahl an Copyshop-Exemplaren abliefern kann, falls ich monografisch publiziere.
Im weiteren Verlauf meiner Wissenschaftskarriere wird es mit meinen Überlegungen zum Publizieren noch vielfältiger, denn mir tun sich zahlreiche Optionen auf und damit auch die Frage: Soll ich diese Möglichkeit ergreifen oder nicht? Strategisch sinnvoll beantworten lässt sich auch diese Frage wiederum nur, wenn ich weiß, was ich erreichen möchte. Ziele im weiteren Verlauf der akademischen Karriere könnten sein
- Ich möchte möglichst schnell eine gewisse Anzahl an Zeitschriftenaufsätzen in gerankten Journals vorweisen können – das übergeordnete Ziel wäre also der Auf- und Ausbau der eigenen Reputation – oder
- ich möchte meinen Ansatz umfassend darstellen – was die Teilhabe am wissenschaftlichen Diskurs priorisiert – oder
- ich möchte einen Schwerpunkt aufs Netzwerken legen und in Vorträgen meine Theorien und Ansätze testen, bevor ich dazu publiziere – hier läge der Schwerpunkt auf der Teilhabe am persönlichen wissenschaftlichen Diskurs.
Abhängig von meiner aktuellen Ausgangslage und meinen aktuellen Zielen eröffnen sich mir unterschiedliche Wege. Deshalb brauche ich unbedingt Klarheit über das, was ich erreichen möchte – denn nur dann kann ich die entsprechende Publikationsstrategie verfolgen!
Zwei Publikationsstrategie-Strategiebeispiele für Promovierende
Eine Promotion ist eine Qualifikationsarbeit. In erster Linie ist sie also mein „Visum“ für den Zugang zum Lande Academia. Mein oberstes Ziel mit Blick auf die Veröffentlichung meiner Dissertation ist also das Erfüllen der Voraussetzungen, die in der Promotionsordnung niedergeschrieben sind. Erst nachrangig verfolge ich möglicherweise weitere Ziele, wie erste Ansätze zu einer Positionierung oder die Vermittlung von Erkenntnissen für die Politik oder eine angeschlossene Praxis.
Schnell, mühelos und preiswert: Veröffentlichen auf dem Hochschulserver
Ich gehe für mein Beispiel davon aus, dass ich meinen Doktortitel möglichst zügig haben möchte: Das ist mein Ziel. Zeit und Geld sind für mich limitierende Faktoren – von beidem habe ich wenig. Und mit Abschluss meiner Dissertation trete ich eine neue Stelle an. Das wiederum heißt, dass ich nach dem Abschluss des Verfahrens nicht viel Zeit damit verbringen kann, die Dissertation intensiver zu überarbeiten.
Ich entschließe mich also dafür, die Dissertation mit minimalem Aufwand im Einklang mit den Forderungen der Promotionsordnung zu veröffentlichen: als PDF-Datei auf dem Uni-Server. Dazu kann ich frühzeitig einen entsprechenden Kontakt herstellen, damit ich gleich beim Erstellen der Arbeit etwaige Anforderungen an die Erstellung des Layouts erfüllen kann. Das Hochladen erfolgt ohne finanziellen Aufwand durch meine Hochschule und über die Begutachtung durch meine Betreuer*innen gibt es keine weitere Qualitätsprüfung, damit auch keine weiteren Auflagen, die ich zu berücksichtigen habe.
Was bekomme ich dafür? Eine den Vorgaben entsprechende Veröffentlichung auf dem Hochschulserver.
Langsam, arbeitsaufwendig und mit Kosten verbunden: die Dissertation als Verlagspublikation
Ist mein Ziel, die größtmögliche Reputation mit der Veröffentlichung meiner Dissertation zu erreichen, wird mein Weg mich vermutlich zu einem renommierten Wissenschaftsverlag führen. Und das ist häufig mit Arbeit und Kosten verbunden. Die guten Wissenschaftsverlage haben zusätzlich zu den für Dissertationen üblichen universitären Begutachtungen eigene Qualitätssicherungsprozesse. Es geht dabei nicht um die grundsätzliche wissenschaftliche Qualität – das ist Aufgabe der Doktoreltern –, sondern um etwaige Überarbeitungen, die das Manuskript lesefreundlicher machen. Es geht um das Prüfen formaler, rechtlicher, grafischer Aspekte. Das bedeutet die Abstimmung mit dem Verlagslektorat, ggf. die Formatierung nach bestimmten Vorgaben und eine Book-Processing-Charge im Falle einer Open-Access-Publikation bzw. ein Druckkostenzuschuss.
Was bekomme ich dafür? Eine reguläre Buchpublikation zumeist sowohl als eBook als auch als gedrucktes Buch, professionelle Begleitung durch Lektorat, Herstellung, Marketing und Vertrieb sowie die größtmögliche Sichtbarkeit für meine Publikation und Reputation für mich als Autor*in.
Strategische Entscheidung
Ob Sie den einen oder den anderen Weg gehen, das ist Ihre eigene strategische Entscheidung. Die hängt von Ihren Zielen und weiteren Faktoren ab. Diese Faktoren können Sie antizipieren, um bestmöglich damit umgehen zu können. Und Sie können sie nicht in allen Fällen in Ihrem Sinne beeinflussen.
Richtig oder falsch ist weder das eine noch das andere.
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Die Autorin: Barbara Budrich
Im Jahr 1993 begann sie die Arbeit als Lektorin im Verlag Leske + Budrich, der ihrem Vater Edmund Budrich gehörte. Im Jahre 2004, nach dem Verkauf von Leske + Budrich, gründete Barbara Budrich ihr erstes eigenes Unternehmen, den Verlag Barbara Budrich. 2007 gründete sie die Budrich UniPress Ltd., die 2019 in Budrich Academic Press überführt wurde.
Sie hat zahlreiche Bücher und Aufsätze publiziert, wird zu unterschiedlichen Anlässen als Rednerin eingeladen – vom wissenschaftlichen Publizieren bis hin zu Unternehmensthemen – und ist vielfach ausgezeichnet. Weitere Informationen zu ihr auf ihrer eigenen Webseite.
© Headerbild: pexels.com / Allan Mas ; Bild Barbara Budrich: Nina Schöner Fotografie.