Nachruf auf Sigrid Metz-Göckel

Nachruf Sigrid Metz-Göckel

„Endlich habe ich meinen Verlag gefunden!“ Diesen Satz hat Sigrid Metz-Göckel mit Blick auf mein Haus häufig wiederholt und er erfüllt mich mit großer Dankbarkeit! Als Unterstützerin der ersten Stunde war Sigrid treue Autorin meines Verlags Barbara Budrich – und unterstrich dies bei jeder unserer Begegnungen. Sie wurde bei seiner Einrichtung Mitglied unseres wissenschaftlichen Beirats und nahm mit Freude an unseren Sitzungen teil.

Unser gemeinsamer Weg aber begann noch vor der Gründung meines Verlages. Sigrid war Professorin an der TU Dortmund. Ich war Lektorin im Verlag Leske + Budrich meines Vaters und gemeinsam hatten er und ich beschlossen, eine Buchreihe für Frauen- und Geschlechterforschung ins Leben zu rufen. Wie Zufälle im Leben so spielen, war Prof. Dr. Ilse Lenz mit einer Handvoll Kolleginnen auf der Suche nach einem Verlag für eine solche Buchreihe. Und eine der Kolleginnen war Sigrid Metz-Göckel. Der erste Band dieser Reihe „Geschlecht und Gesellschaft“, die wir gemeinsam begründeten, hieß „Neue Horizonte?“ und erschien im Jahr 1995.

Bis 2003 arbeiteten wir in diesem Kontext intensiv zusammen. Große Highlights waren unter vielen anderen Bänden dieser Reihe: „Der gemachte Mann“ von Raewyn Connell, eine Übersetzung aus dem Englischen, die wir dem Suhrkamp Verlag abringen konnten, und das „Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung“, für das ich zehn Jahre lang auf der Suche nach einem Herausgeber*innenteam war. Leider musste ich diese wunderbare Reihe abgeben, als Leske + Budrich an die Konkurrenz verkauft wurde.

Sigrid gründete ihre „Stiftung aufmüpfige Frauen“ 2004, als ich meinen Verlag Barbara Budrich gründete.

Und es dauerte gar nicht lang, bis ich Sigrid in meinem damals noch ganz kleinen Verlag begrüßen durfte. Bereits 2005 war sie im Band Lebenswerke. Porträts der Frauen- und Geschlechterforschung, herausgegeben von Beate Kortendiek und A. Senganata Münst, vertreten – allerdings als Porträtierte! Ab 2008 kooperierten wir dann regelmäßig: Sie veröffentlichte viele Bücher bei uns und empfahl uns als Publikationspartner immer aktiv an ihre Kolleg*innen.

Dann kam der Tag, an dem die Zeitschrift für Frauenforschung und Geschlechterstudien mit dem Kleine-Verlag, Bielefeld, verkauft wurde. Die Zeitschrift, ursprünglich als Zeitschrift für Frauenforschung vom Hannoverschen Institut Frau und Gesellschaft unter der Leitung von Prof. Dr. Rita Süßmuth gegründet, bekam so einen neuen Besitzer. Die Redaktion trat geschlossen zurück und gründete eine neue Zeitschrift: GENDER. Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft. Eine der treibenden Kräfte: Sigrid Metz-Göckel. Genau wie die Zeitschrift für Frauenforschung und Geschlechterstudien ist auch die GENDER an die Koordinationsstelle des Netzwerks Frauenforschung NRW angebunden, die zunächst in Dortmund saß und nun in Essen an der UDE beheimatet ist. 2019 verfasste Sigrid fürs Netzwerk-Journal einen Rückblick auf zehn Jahre GENDER.

Von 2009 an erschien die GENDER im Verlag Barbara Budrich und anfänglich trafen Sigrid und ich uns regelmäßig bei den Redaktionskonferenzen. Bis ich aus Zeitgründen den Staffelstab an Miriam von Maydell als Programmleitung des Verlags weitergeben musste. Später zog sich auch Sigrid aus dem aktiven Dienst zurück.

Zuletzt sind wir uns am 14. Februar 2024 persönlich begegnet – danach haben wir uns noch mehrfach ausgetauscht und weitere gemeinsame Publikationen vorbesprochen bzw. verabredet. Posthum erscheint in Bälde ihre Lebenserzählung Wie ich lernte aufmüpfig zu sein. Lebensrückblick einer Pionierin der Frauen- und Geschlechterforschung.

„Interessiert denn das überhaupt jemanden?“, fragte sie mich bei einem unserer letzten Telefonate mit Blick auf ihre Biografie. „Du darfst nicht unterschätzen“, habe ich ihr geantwortet, „welch großes Vorbild du bist. Nicht nur für mich! Und Vorbilder wie dich gibt es nicht viele!“

Am 11. Februar 2025 mussten wir dieses große Vorbild gehen lassen. Eine eindrucksvolle Persönlichkeit, Mitbegründerin der Frauen- und Geschlechterforschung in Deutschland und unermüdliche Wissenschaftlerin, Bundesverdienstkreuzträgerin, Stifterin, Autorin, Freundin. Für mich ein leuchtendes Vorbild, ein kritischer Geist, voller Neugier und Mitgefühl – eine wahre Grande Dame. Ich bin dankbar, dass mein Verlag, mein Team und ich sie ein wenig haben begleiten dürfen.

Mein Mitgefühl gilt ihrem Mann und all ihren Wegbegleiter*innen!

 

© Titelfoto: privat