In der Rubrik „Engagement im Portrait“ rücken wir gemeinnützige Organisationen, Stiftungen und Aktionen ins Licht, mit denen wir uns verbunden fühlen und die mit ihrer Arbeit die Welt ein Stückchen besser machen. Heute: Gastbeitrag von Sigrid Tschöpe-Scheffler über ihre Arbeit bei der gemeinnützigen Organisation Light of Maasai.
***
Nach meiner Emeritierung als Professorin der Technischen Hochschule in Köln habe ich mir einen Kindheitstraum erfüllt, der sich für mich inzwischen zu einem wichtigen neuen Thema meines jetzigen Lebens entwickelt hat.
Als ehrenamtliche Volontärin der irischen gemeinnützigen Organisation Light of Maasai bin ich 2015 erstmals in das Dorf Rombo am Fuße des Kilimandscharo nach Kenia gereist, um dort in einem der vielen Projekte mitarbeiten zu können.
Die Schwerpunkte der Organisation liegen in der Wasserversorgung, dem Bildungssystem und der Gesundheit. Mit der Leiterin Elaine Bannon wurde vor meiner Reise abgesprochen, dass ich sowohl Unterricht in den Schulen geben als auch in der Lehrerweiterbildung tätig sein sollte. Die Themen, die sich die LehrerInnen wünschten, reichten von Informationen über das deutsche Familien- und Schulsystem über neue Lehr- und Lernmethoden und Fragen zur Resilienz, die wir dann tatsächlich unter einem Akazienbaum sitzend angeregt erarbeitet haben.
Den Kindern sollte ich etwas über das Leben in Deutschland erzählen.
Die SchülerInnen und LehrerInnen sind aus dem Stamm der Maasai, die in erster Linie von der Viehzucht leben. Das Wasser wird von den Frauen in Kanistern auf dem Kopf von den Bächen oder Wasserstellen geholt. Die Häuser bestehen aus Dung und Schlamm mit einer Drei-Steine-Feuerstelle in der Mitte. Viele Kinder können nicht zur Schule gehen, da die Eltern sich das Schulgeld nicht leisten können (50-400 Euro jährlich je nach Schulform) und die Kinder beim Hüten der Tiere eingesetzt werden.
Nach meiner Ankunft in dem Volontärhaus von Light of Maasai, in dem für ca. acht Gäste Platz ist, die sich zwei Toiletten und Duschen teilen, wurde mit mir mein Wochenplan besprochen. Das Programm war dicht gefüllt, gleich am nächsten Tag sollte ich abgeholt werden, um die erste Schule zu besuchen. Ich war nicht darauf vorbereitet, dass dann nicht der Fahrer mit dem Auto, das mich aus Nairobi abgeholt hatte, auf mich wartete, sondern der Sozialarbeiter Jonathan mit seinem Motorrad, und wir von nun an täglich auf diese Weise unterwegs sein würden, um die weit verstreut liegenden Schulen und Kindergärten in der Umgebung zu besuchen. Es waren holprige Wege durch den Busch, zum Teil mussten wir in der Regenzeit das Motorrad durch große Wasserlachen schieben, es ging vorbei an Ziegen- und Kuhherden. Aus den Dörfern kamen Kinder gelaufen, die freudig der weißen Frau zuwinkten und sie mit “Jambo” begrüßten.
Vorher hatte ich noch nie ein Motorrad bestiegen, und die Bewältigung dieser Herausforderung (ohne Sturzhelm) war eine von vielen, die mein Leben erweitert und bereichert haben.
Ich begann in der ersten Woche mit dem Unterricht in den Schulen, lernte die Kinder kennen, die schüchtern und sehr diszipliniert in ihren Schuluniformen auf mich warteten. Wir brauchten eine gewisse Zeit, um miteinander in Dialog zu kommen. Sie waren Frontalunterricht gewöhnt und trauten sich anfangs noch nicht, etwas zu sagen. In den Pausen zeigten sie mir ihre Schulküchen, teilten mit mir den Maisbrei und erzählten von ihren Familien. Später luden mich einige ein, sie zu besuchen, was ich auch gerne zusammen mit meinem Begleiter Jonathan tat. Bedauernd wiesen sie immer wieder darauf hin, dass ihre Geschwister nicht das Glück hätten, zur Schule gehen zu können. Immer wieder wurde die Frage an mich herangetragen, ob ich nicht eine Schulpatenschaft übernehmen könnte. Inzwischen habe ich ca. 20 Kinder in Deutschland vermitteln können und besuche sie und ihre Familien bei meinen jährlichen Keniaaufenthalten, kann an ihren Fortschritten und Problemen in den Familien Anteil nehmen, und es haben sich kleine Freundschaften entwickelt.
Nach wie vor sind die Schulen darauf angewiesen, dass Mais für die Schulküchen gespendet wird. Bei einem meiner Besuche in einer Grundschule zupfte mich ein Junge am Ärmel und fragte, ob der Mais von mir käme. Ich antwortete ihm, das sei ein Geschenk von Freundinnen und Freunden aus Deutschland. Er sagte ganz leise, etwas verschämt: “Warum denn immer Mais, könnte es nicht auch mal Reis sein?” Der Lehrer war etwas erbost über den Jungen und entschuldigte sich für sein “freches Verhalten”. Ich nahm den Jungen zur Seite und versprach ihm, beim nächsten Mal auch Reis liefern zu lassen. Abwechslung in der Eintönigkeit der Schulmahlzeiten, was für ein bescheidener Wunsch. So sammle ich weiterhin für Mais und für Reis, der teurer, aber schmackhafter ist.
Im März dieses Jahres war wieder eine Reise nach Rombo geplant. Ich war bereits in einem anderen Projekt in Kenia unterwegs, als mich die Nachricht erreichte, dass nicht nur die Schulen geschlossen wurden, sondern auch alle Projekte beendet und im Volontärhaus keine Besucher mehr empfangen werden dürfen. Da ich bereits in Kenia war, blieb ich in einem Dorf, 20 km vom indischen Ozean entfernt, wo ich beim Aufbau einer Kirche und eines Familienzentrums mithelfen und am regen Dorfleben teilnehmen konnte. Erst durch die Rückholaktion des Auswärtigen Amtes bin ich kurz vor Ostern nach Deutschland ausgeflogen worden.
Die aktuelle Situation in Kenia beunruhigt mich: Die Lehrer können nicht arbeiten und bekommen natürlich, wie alle anderen, denen von heute auf morgen verboten wurde, ihrem Beruf nachzugehen, kein Gehalt. Jonathan, der Sozialarbeiter in Rombo, kann die Familien im Dorf nicht mehr besuchen und vor allen Dingen keine Volontäre mehr begleiten. Sein Motorrad steht still, Benzin ist zu teuer und Gehalt bekommt er auch keines mehr. Wovon soll die sechsköpfige Familie jetzt leben? Wie ihm geht es fast allen Menschen in dem Ort, und auch Elaine Bannon, die u.a. von den kleinen Einnahmen lebt, die durch die Volontäre für Übernachtung und Essen bezahlt werden, muss, wie sie sagt, ihr Geld „strecken“. Das Volontärhaus ist leer, keiner weiß, wie lange das dauern wird. Ich erhalte Berichte aus den beiden Projekten, dass es immer mehr Familien gibt, die seit Wochen nichts mehr zu essen haben.
Jetzt sind alle auf Spenden angewiesen und warten auf Wunder. Wer spenden oder eine Schulpatenschaft übernehmen möchte, kann sich auf der Homepage von „Light of Massai“ informieren und sich direkt mit der Organisation in Verbindung setzen.
Das Geld kommt eins zu eins an, alle MitarbeiterInnen in Dublin, die für die Organisation und Verwaltung zuständig sind, arbeiten ehrenamtlich. Ich danke Barbara Budrich, die selbst auch ein Patenkind aus Rombo unterstützt, dass sie Elaine Bannon und mir die Möglichkeit gegeben hat, über das Projekt zu erzählen.
Weitere Gastbeiträge von Sigrid Tschöpe-Scheffler …
… finden Sie auf unserem Blog.
Mehr über Light of Maasai erfahren
© Fotos: Sigrid Tschöpe-Scheffler; Titelbild „Engagement im Portrait“ gestaltet mit canva.com