Es gibt die Anforderungen an (Nachwuchs-)Wissenschaftler*innen, möglichst nicht ausschließlich deutschsprachig zu publizieren. Für die Wissenschaftskarriere sind dabei in erster Linie englischsprachige Publikationen gemeint. Doch bedeutet internationales Publizieren nicht automatisch, dass man auf Englisch publiziert. Und auch dafür kann es gute Gründe geben.
Lassen Sie uns einen Blick auf die unterschiedlichen Möglichkeiten des internationalen Publizierens werfen.
Ranked peer-reviewed Journal
Vor allem an den Ecken, wo die Sozialwissenschaften sich in direkter Nachbarschaft zu den Naturwissenschaften finden, wird viel und gern von Impact gesprochen. Gemeint ist in der Regel der Impact Factor eine Zeitschrift, der sogenannte JIF.
Während der JIF häufig als Qualitätsindikator für Zeitschriften missverstanden wird, ist er eigentlich ein rein quantitatives Merkmal. Die Zahl bietet einen Anhaltspunkt dafür, wie häufig Aufsätze aus einer bestimmten Zeitschrift in anderen Zeitschriften, die ebenfalls beobachtet werden, zitiert wurden.
Betrieben wird der JIF von dem an der New Yorker Börse registrierten Großkonzern Clarivate. Clarivate hatte 2016 den einschlägigen Teil von Thomson Reuters übernommen, die zuvor den JIF und weitere derartige Messinstrumente, wie den SSCI (Social Science Citation Index), bereitgestellt hatten. (Übrigens hat der Konzern gerade zudem ProQuest akquiriert – einen von zwei international agierenden sogenannten Bibliotheksaggregatoren, sodass wir eine weitere Konzentration von Playern im internationalen Wissenschaftskontext beobachten können.)
Bei den überhaupt für den JIF berücksichtigten Zeitschriften finden sich in überwiegender Mehrzahl englischsprachige Journals. Wenn also die Forderung nach einer Publikation in einem gerankten, peer-reviewten Journal auftaucht, liegt eine englischsprachige Veröffentlichung nahe.
Andere Fachzeitschriften
Fast alle Zeitschriften arbeiten mit einem Prozess zur Qualitätssicherung. Das muss nicht automatisch ein doppelt-blindes Peer-Review-Verfahren sein. Es muss nicht einmal überhaupt ein Peer-Review-Prozess sein. Es gibt nach wie vor zahlreiche wichtige und qualitativ hochwertige Zeitschriften, die mit Editorial Reviews arbeiten: Die Redaktion selbst beurteilt die eingehenden Aufsätze, trifft Entscheidungen und macht Überarbeitungsvorschläge. Nicht selten sind diese Editorial Reviews flankiert von Peer Reviews, zum Beispiel dann, wenn in der Redaktion einschlägiges Spezialwissen fehlt. In dem Fall werden einschlägige Kolleg*innen hinzugeholt und um Unterstützung in Form eines Reviews gebeten – (doppelt-)blind oder auch nicht.
Eine qualitativ hochwertige und im Fach angesehene Zeitschrift muss also weder gerankt sein noch einen doppelt-blinden Peer-Review-Prozess implementieren. Auch die Sprache ist nicht notwendigerweise Englisch.
Internationales Publizieren: Englisch oder …?
Wie Anfangs angerissen, bedeutet internationales Publizieren nicht zwangsläufig, auf Englisch zu publizieren. Selbst wenn ich die DACH-Region mal nicht als „international“ werte, bleiben noch weitere Sprachen übrig, in denen ich publizieren kann. Und sogar – seltener – internationale Journals, in denen eine deutschsprachige Publikation möglich ist.
Welche Sprache oder Sprachen sich für die Publikation Ihres Textes eignen, ist von einer Reihe von Faktoren abhängig:
- Wie aufwändig ist es, die Kontextualisierung Ihres Textes für diesen Sprachraum durchzuführen?
- Lässt sich Ihr Thema für einen anderen Sprachraum interessant aufbereiten?
- Ist es für Sie grundsätzlich sinnvoll, in einer anderen Sprache zu veröffentlichen?
Der sprachliche und kulturelle Kontext
Wenn wir uns überlegen, dass wir in der Mikrobiologie forschen und veröffentlichen, dann ist – wie viele Wissenschaftler*innen selbstironisch anmerken – „Bad English“ häufig die Lingua franca. Die Kontextualisierung ist – nach meinem Wissen – wenig kulturell geprägt: Ein Mikro-Organismus in Asien funktioniert ganz grundsätzlich so wie ein Mikro-Organismus in Afrika. Klar, wir haben vielleicht unterschiedliche Milieus zu berücksichtigen. Doch die Laborbedingungen können wir in Experiementen weltweit annähernd vergleichbar hinbekommen.
Anders in den Geistes- und Sozialwissenschaften: Die Voraussetzungen sind zum Teil dramatisch unterschiedlich – soziale Ungleichheit in Deutschland hat ganz andere Vorzeichen als soziale Ungleichheit in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Doch auch weniger offensichtliche Unterschiede können die Kommunikation über (Wissenschafts-)Kulturen hinweg erschweren: So gibt es unterschiedliche Schwerpunktsetzungen in der Bildungsforschung in Italien und Deutschland; rezipierte Literatur bildet einen Kontext, der auch von den Sprachen mitgeprägt wird, in denen eine scientific community Erkenntnisse rezipiert. Letzteres gilt freilich auch in der Molekularbiologie – aber da sind wir wieder bei Bad English als Lingua franca.
Wenn Sie um die Schwierigkeiten der Übertragbarkeit wissen, können Sie die Aufbereitung so gestalten, dass in der Zielsprache Anschlussfähigkeit herrscht und Interesse bestehen sollte.
Internationales Publizieren: Lohnt der Aufwand?
Viele Wissenschaftler*innen freuen sich über die Chance, die im anderssprachigen Publizieren liegt. Das allein ist es ihnen schon wert. Und wenn jemand anders die Verantwortung (und die Kosten) für die Übersetzung übernimmt, dann freut man sich natürlich erst recht.
Wenn es allerdings darum geht, sich selbst eine echte Positionierung in dieser anderen Sprache zu erarbeiten, dann ist auch dies nicht mit der einen Veröffentlichung getan. Niemand aus der spanischsprachigen Welt wird bei Ihnen sturmklingeln, nachdem Sie einen einzigen Aufsatz auf Spanisch veröffentlicht haben. (Ausnahmen bestätigen die Regel.)
Im Grunde genommen gelten für die Positionierung überall auf der Welt – und damit auch in allen Sprachen, vielleicht mit der Ausnahme von Englisch – die gleichen Regeln. Wer eine gewisse Bekanntheit anstrebt, ist gehalten, für die angepeilte Community regelmäßig sichtbar zu werden. Ob in Publikationen oder Vorträgen, in Gesprächen und Netzwerken: Die eigene Präsenz lässt sich nicht „mal eben“ aufbauen und halten.
Warum ist Englisch eine Ausnahme?
Zum einen wird englische Literatur – zumindest potenziell – weltweit rezipiert; zumindest in bestimmten Communities. Das macht Englisch zu der wissenschaftlichen Lingua franca auch in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Allerdings ist es weit einfacher, auf Englisch zu veröffentlichen, als tatsächlich auch international rezipiert zu werden. An dieser Stelle erlangt die Sache mit der Community eine besondere Wichtigkeit.
In jeder Disziplin gibt es internationale Communities. Damit meine ich nicht etwa die „Internationalen Beziehungen“ in der Politikwissenschaft, sondern auch – um im Bild zu bleiben – Kommunalpolitik, die in einen internationalen Diskurs gestellt wird.
Wenn Sie Ihre internationale Sichtbarkeit untermauern wollen, schadet es nicht, zunächst eine spezifische Community anzupeilen, zum Beispiel in Form einer europäischen oder internationalen Fachgesellschaft. Da gibt es einschlägige Kongresse, Treffen, Netzwerke und Publikationen, mit deren Hilfe Sie durch Ihren Fokus die Komplexität des Globalen reduzieren können. Durch diese Konzentration haben Sie die Möglichkeit, die nächsten Schritte zu operationalisieren, die Ihren eigenen Wünschen und Vorstellungen entsprechen.
Internationales Publizieren: Lassen Sie uns zusammenfassen
Internationales Publizieren bedeutet nicht zwangsläufig, auf Englisch zu publizieren. Wenn es sich um das eigene Profil bei Stellenausschreibungen oder Forschungsanträgen handelt, ist allerdings „international“ häufig gleichbedeutend mit „ranked peer-reviewed journal“ und das sehr häufig gleichbedeutend mit „auf Englisch“.
Wenn Sie eine Positionierung in einem anderen Sprachkontext anpeilen, reicht eine Publikation für gewöhnlich nicht aus. Die gleiche Arbeit, die Sie in den Aufbau Ihrer deutschsprachigen Reputation stecken, können Sie im Zweifel in den Aufbau Ihrer Reputation in anderen Sprachen investieren. An dieser Stelle kann es helfen, mit dem Fokus auf eine spezifische Community zu beginnen. International ausgerichtete Fachgesellschaften können Ihnen ein gutes Forum bieten.
Die Autorin
Barbara Budrich, M.A., ist von Kindesbeinen an im Wissenschaftsverlag tätig und seit 2004 selbstständige Verlegerin. Außerdem ist sie Trainerin und Coach für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren im Schulungsunternehmen budrich training. Zudem ist sie selbst Autorin. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz führt sie seit 2015 als Vorbildunternehmerin.
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