20 Jahre Budrich: Budrich gegen die V. Republik

20 Jahre Budrich Übersetzung

Seit 20 Jahren Ihr Publikationspartner für die Sozialwissenschaften: 2024 feiert der Verlag Barbara Budrich runden Geburtstag! Über das Jahr hinweg erzählen wir davon, was den Verlag in dieser Zeit bewegt und geprägt hat, lassen unsere Partner*innen zu Wort kommen und feiern mit Ihnen – live und digital hier auf unserem Blog und den Social-Media-Kanälen.

In diesem Blogbeitrag spricht Barbara Budrich darüber, wie es in jungen Verlagsjahren wegen einer Übersetzung fast einmal zu einer „Klage gegen Frankreich“ gekommen wäre.

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Nach meiner Erfahrung ist es immer besser, miteinander Wege aus Konflikten zu finden, ohne „den Rechtsweg zu beschreiten“. Wenn die Gegenseite dies aber als Schwäche auslegt, dann bleibt nur die Eskalation. Dass ich aber in die Situation kommen würde, Frankreich eine Klageschrift übersenden zu wollen, hätte ich mir nicht träumen lassen. Es fing harmlos an.

 

Die Sache mit den Übersetzungen

Der Verlag Barbara Budrich war erst wenige Jahre alt, als ein Bekannter aus den USA mich ansprach. Ursprünglich aus Frankreich, lebte dieser Wissenschaftler zwischen Europa und den USA. Sein neustes Buch war ursprünglich auf Französisch erschienen und war auch in den USA erfolgreich. Er bot mir an, dass wir die deutsche Übersetzung veröffentlichen könnten.

Für den jungen Verlag war das einerseits eine große Auszeichnung. Doch muss man wissen: Übersetzungen sind teuer. Es geht ja nicht allein darum, einen Text Wort für Wort von einer Sprache in eine andere zu überführen. Es geht darum, in der neuen Sprache anschlussfähig zu sein. Quellen müssen überprüft werden, unter Umständen müssen von diesen Quellen Übersetzungen oder Originale aufgespürt werden. Manch eine Erkenntnis muss für einen anderen Sprachraum neu kontextualisiert werden. Fachbegriffe sind möglicherweise nicht zu übersetzen und Vieles ist nur schwer vergleichbar.

Daraus ergibt sich die Notwendigkeit mehrerer Durchgänge durch das komplette Manuskript: Die erste Übersetzung, die Überprüfung auf Vollständigkeit dieser Übersetzung, fachliche Prüfungen und schließlich eine stilistische Überarbeitung. Und immer wieder müssen Übersetzer*innen und Lektor*innen zum Originaltext zurückkehren und häufig genug auch zu den Autor*innen, um Fragen zu klären, Aussagen zu schärfen. Aus diesem Grund war meine inhaltliche Begeisterung für diese Idee gebremst durch ökonomische Bedenken.

Doch damals gab es in Frankreich eine staatliche Fördereinrichtung für Übersetzungen. Also stellten wir dort einen Antrag. Im Erfolgsfalle bekämen wir maximal 30 Prozent der Übersetzungskosten gefördert. Immerhin.

Wie immer bei derartigen Anträgen dauerte es eine Weile, bis wir alles beieinander hatten. Eine kleine Erschwernis war der Umstand, dass es keinen Lizenzvertrag gab: Normalerweise schließt ein Lizenznehmer – das waren in dem Falle wir – mit dem Lizenzgeber – das wäre der französische Verlag der Originalausgabe – einen Lizenzvertrag. In diesem Vertrag wird die Rechteübertragung geregelt, also in diesem Falle die Übertragung der Rechte für die Veröffentlichung der deutschen Übersetzung, und natürlich die Höhe einer etwaigen Lizenzgebühr.

Unser Autor hatte aber die Übersetzungsrechte nicht an einen anderen Verlag übertragen. Also schlossen wir mit ihm einen Vertrag über die deutsche Ausgabe ab. Mit seinem französischen Verlag hatten wir keinerlei Kontakt. Wir reichten die Unterlagen ein und bekamen eine Förderzusage.

 

Eine Zusage ist noch kein Scheck

Nachdem die deutsche Ausgabe im Oktober erschienen war, schickten wir die entsprechenden Unterlagen an die Fördereinrichtung in Paris. Und hörten nichts.

Freundliche Nachfragen führten zu der Forderung, einen Lizenzvertrag mit dem französischen Originalverlag vorzulegen. Es gab ein langes Hin und Her zwischen unserem Autor, der Fördereinrichtung, dem französischen Verlag und uns: Es gab nämlich keinen gültigen Vertrag zwischen dem französischen Verlag und unserem Autor. Stattdessen gab es einen Rechtsstreit zwischen diesen beiden Parteien: Die französische Originalausgabe war ohne letztgültige Freigabe unseres Autors erschienen und der wiederum hatte dagegen geklagt. Den Verlagsvertrag für die französische Ausgabe hatte er nie unterschrieben. All dies hatte unser Autor im Vorfeld wohl vergessen zu erwähnen.

Damit fehlte dem französischen Verlag aber eine wichtige Grundlage dafür, mit uns einen Lizenzvertrag abzuschließen. Gegenstand dieses Vertrages ist ja die Übertragung der Übersetzungsrechte. Doch diese Rechte konnte der Verlag nicht an uns übertragen – der Autor hatte sie ihm nie eingeräumt. Doch die Fördereinrichtung bestand nun lange nach der Förderzusage darauf, dass wir einen Lizenzvertrag abschließen sollten: Willkommen in Absurdistan!

Schließlich gab ich mich geschlagen: Ich erklärte mich bereit, mit dem französischen Verlag einen sinnfreien Vertrag abzuschließen, um wenigstens einen Teil der zugesagten Förderung zu bekommen. Ich hatte für mich eine symbolische Summe von 500 Euro festgesetzt, die ich als „Lizenzgebühr“ zu zahlen bereit war, um den Streit nicht eskalieren zu lassen. Denn die Fördereinrichtung bewegte sich keinen Millimeter – Urheberrecht hin, bereits erfolgte Förderzusage her.

 

Verhandlungen um eine sinnlose Lizenz

Die Verhandlungen mit meinem französischen Verlagskollegen waren unangenehm, schwierig und zogen sich lang hin. Dann kam noch der Sommer dazwischen und Frankreich war quasi geschlossen. Im September nahmen wir die Verhandlungen wieder auf und die Forderungen meines Kollegen wurden immer weniger amüsant. Er verlangte Gebühren weit jenseits meiner selbstgesteckten Marke. Für die Übertragung von Rechten, die er nicht besaß. Schließlich hatte ich genug und wandte mich an einen Anwalt.

Immer wieder zwischendurch, während mein französischer Verlagskollege gedroht hatte, die Verhandlungen platzen zu lassen, hatte ich Kontakt zum französischen Geldgeber. Immer wieder hatte ich angesprochen, dass ich zwar bereit wäre, einen symbolischen Betrag zu bezahlen für diesen eigentlich nichtigen Lizenzvertrag. Und jedes Mal hatte die Fördereinrichtung beim französischen Verlag interveniert, damit die Verhandlungen weitergingen. Sie wussten also, wie sehr sich die Dinge hinzogen und wie schwierig sie sich gestalteten. Und sie bestanden darauf, dass sie ohne den Vertrag die zugesagte Fördersumme nicht auszahlen würden.

 

„Komm, wir verklagen die V. Republik!“

Mein Anwalt, ein ehemaliger Verleger, hörte sich die ganze Geschichte an, sichtete die Unterlagen, vor allem die Förderzusage. „Prima,“ sagte er, „das ist alles eindeutig. Ich glaube, uns bleibt nichts anderes übrig, als die Fördereinrichtung zu verklagen.“ Die Fördereinrichtung unterstand dem Centre National du Livre. Das wiederum war Teil des französischen Ministère de la Culture. Es stand an, Frankreich zu verklagen.

Ich rief also bei der Fördereinrichtung an und bat sie um die exakte Anschrift für die Zustellung unserer Klageschrift. Man versprach mir zügige Rückmeldung.

Dann ging alles sehr schnell: Statt einer korrekten Anschrift bekam ich einen Scheck über den versprochenen Übersetzungszuschuss – etwa ein Jahr nach Erscheinen des Buches.

So wurde es doch nichts mit der Klage „Budrich gegen die V. Republik“.

 

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© Foto Barbara Budrich: Nina Schöner Fotografie | Titelbild gestaltet mit canva.com | Foto Titelbild: unsplash.com, Priscilla Du Preez