Strategien gegen Missbrauch von wissenschaftlichen Publikationen

Frau an Schreibtisch legt Kopf auf den Tisch. Missbrauch von wissenschaftlichen Publikationen.

Ihre Forschungspublikation wurde missbräuchlich verwendet, etwa zur Verbreitung von Verschwörungstheorien? Als Autor*in sind Sie in einem solchen Fall keinesfalls machtlos. Wir stellen Ihnen wirksame Strategien im Umgang mit dem Missbrauch von wissenschaftlichen Publikationen vor.

 

Wissenschaftliche Forschung und Verschwörungstheorien

Verschwörungstheorien sind häufig durch Wissenschaftsfeindlichkeit geprägt – Beispiele hierfür sind Verschwörungsmythen zur COVID-19-Pandemie oder dem Klimawandel. Gleichzeitig missbrauchen Verschwörungstheorien und Desinformationskampagnen wissenschaftliche Publikationen regelmäßig gezielt für ihre Zwecke: Etwa, indem sie Ergebnisse wissenschaftlicher Studien durch falsches Zitieren verzerren oder in ein falsches Licht rücken. Oder, indem sie die Tatsache ausnutzen, dass wissenschaftlicher Diskurs durchaus widersprüchlich sein kann (und auch soll, denn Wissenschaft lebt vom Widerspruch und wissenschaftliche Erkenntnisse sind immer vorläufig).

Wenn Ihre Forschung missbräuchlich zur Verbreitung von Desinformation oder Verschwörungstheorien verwendet wird, kann es zu einer rasanten Verbreitung über die sozialen Medien kommen – insbesondere dann, wenn Sie in einem Online-Medium falsch zitiert werden. Häufig wird Ihre Publikation dann gar nicht mehr selbst gelesen, sondern es werden nur der Titel und Ihr Autor*innenname im falschen Kontext wahrgenommen. Das gilt es zu vermeiden.

 

Maßnahmen gegen den Missbrauch von wissenschaftlichen Publikationen für Autor*innen

Wie können Sie gegen die missbräuchliche Verwendung Ihrer Forschung vorgehen? Als Autor*in stehen Ihnen verschiedene Maßnahmen zur Verfügung. Als eine erste Orientierungshilfe – die jedoch keine Rechtsberatung im Einzelfall ersetzen kann – stellen wir Ihnen Strategien aus dem Urheberrecht und im Rahmen der Creative Commons (CC) Lizenzen vor, die Ihnen im Umgang mit dem Missbrauch von wissenschaftlichen Publikationen helfen können.

 

Schutzmechanismen aus dem Urheberrecht: Schutz vor Entstellung und anderer Beeinträchtigung

Als Autor*in räumen Sie einem Verlag über einen Verlagsvertrag lediglich die Nutzungs- und Verwertungsrechte an Ihrem Text ein. Ihr geistiges Eigentum ist dagegen unverkäuflich, das heißt, das Urheberrecht bleibt bei Ihnen. Das gilt auch, wenn Sie Ihre Publikation durch eine CC-Lizenz freigeben – das Urheberrecht am Text wird dadurch nicht berührt. Tatsächlich können Sie Ihr Urheberrecht in Deutschland gar nicht vollständig aufgeben.

Das Urheberrecht sieht Verbotsrechte vor. §14 des Urheberrechtsgesetztes (UhrG) schützt Werke vor Entstellung und anderer Beeinträchtigung. Eine Entstellung meint eine Verfälschung oder Verstümmelung Ihres Werkes. Andere Beeinträchtigungen liegen, etwas unpräziser formuliert, vor, wenn die Wirkung Ihres Werkes entweder gehemmt, behindert, eingeschränkt oder geschmälter wird.

 

Voraussetzungen für ein Verbotsrecht nach dem Urheberrecht

Um ein Nutzungsverbot Ihrer wissenschaftlichen Publikation nach dem Urheberrecht durchsetzen zu können, müssen weitere Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Nach §14 (UhrG) muss die Entstellung oder andere Beeinträchtigung Ihre berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen als Urheber*in am Werk gefährden.
  • Ihr Integritätsinteresse als Autor*in muss das Nutzungsinteresse des Entstellers/der Entstellerin überwiegen. Dies wird anhand einer Interessenabwägung im konkreten Einzelfall geprüft.

 

Die Interessenabwägung: Integritätsinteresse vs. Nutzungsinteresse

Bei der Interessenabwägung werden individuelle Nutzungsrechte und Nutzungsbedingungen in Form von Lizenzen beachtet. Wenn Ihre Publikation mit einer Nutzungsvereinbarung mit Änderungserlaubnis versehen ist, wird das grundsätzliche Nutzungs- und Änderungsrecht des Entstellers/der Entstellerin in die Abwägung mit einbezogen – das ist etwa bei der international anerkannten CC BY 4.0-Lizenz von Creative Commons, die häufig für Open Access-Publikationen verwendet wird, der Fall. Auch in diesem Fall wird die Grenze jedoch dort gezogen, wo eine Veränderung Ihre berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen als Urheber*in verletzt.

Der offene und kostenfreie Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen gewinnt in allen akademischen Disziplinen – auch in den Sozial- und Geisteswissenschaften – zunehmend an Bedeutung. Das Publizieren im Open Access unter einer offenen Lizenz ist zwar mit einem Kontrollverzicht verbunden, da Sie den Großteil der Rechte an Ihrer Publikation der Allgemeinheit zur Verfügung stellen. Allerdings hat es auch wertvolle Vorteile wie eine größere Verbreitung und Sichtbarkeit Ihrer Publikation und dadurch (zumindest potenziell) eine breitere Rezeption und Steigerung Ihrer Bekanntheit als Urheber*in.

Ihr Integritätsinteresse als Urheber*in kann das Nutzungsinteresse des Entstellers/der Entstellerin in den folgenden Fällen überwiegen:

  • Wenn Ihr Ursprungstext aufgrund von erheblichen sprachlichen oder sachlichen Veränderungen durch den/die Nutzer*in seinen ursprünglichen Kern verliert.
  • Wenn der/die Nutzer*in Ihren Text in einen aus Ihrer Sicht als Urheber*in herabwürdigenden Sachzusammenhang stellt.

Bei wissenschaftlichen Publikationen kann das Nutzungsinteresse des Entstellers/der Entstellerin dagegen überwiegen,

  • wenn die Publikation aufgrund von geringer Individualität unter die „kleine Münze“ des Urheberrechts fällt;
  • bei Parodie oder Pastiche – in diesem Fall kommt ein Nutzungsverbot nur bei Verwechslungsgefahr mit Ihrer Publikation in Frage.

 

Strategien gegen den Missbrauch von Publikationen im Rahmen der Creative Commons-Lizenzen

Wenn Sie Ihre Publikation mit einer offenen Lizenz freigegeben haben, ist eine nachträgliche Zurückziehung der Lizenz nicht möglich. Sollte das Kriterium der Entstellung oder anderen Beeinträchtigung nicht greifen, stehen Ihnen als Autor*in im Rahmen der Lizenzbedingungen der CC-Lizenzen jedoch weitere Mittel zur Verfügung, um gegen den Missbrauch Ihrer wissenschaftlichen Publikation vorzugehen.

Sie können von dem/der Nutzer*in die Entfernung der Attribution vom Inhalt fordern. Diese Strategie ist deutlich schneller als die Durchsetzung einer Unterlassung nach dem Urheberrecht. Daher kann sie in jedem Fall als erste Maßnahme sinnvoll sein, um etwa einer schnellen Verbreitung von Falschinformationen über die sozialen Medien entgegenzuwirken.

Die Lizenzbedingungen der CC-Lizenzen sehen zudem eine „Endorsement-Verbots“-Klausel vor. Laut dieser Vorgabe darf durch den/die Nutzer*in nicht der Eindruck entstehen, dass die konkrete Nutzung der Publikation in Verbindung mit Ihnen als Autor*in steht oder von Ihnen unterstützt wird. Bei einem Verstoß können Sie die Nutzung verbieten.

Mehr zum Thema lesen Sie im Beitrag “Von der Forschung zur Verschwörung: Mittel gegen Missbrauch von Publikationen“.

 

Fazit: So können Sie effektiv gegen den Missbrauch von wissenschaftlichen Publikationen vorgehen

Bei der missbräuchlichen Verwendung wissenschaftlicher Publikationen, etwa zur Verbreitung von Desinformation oder Verschwörungstheorien, stehen Ihnen als Autor*in verschiedene Maßnahmen zur Verfügung. Nach dem Urheberrechtsgesetz können Sie bei Entstellung oder anderer Beeinträchtigung ein Nutzungsverbot erwirken. Dieser Schutz gilt auch, wenn Ihre Publikation mit einer offenen Lizenz freigegeben und im Open Access veröffentlicht ist.

Als schnellste Strategie für Publikationen, die mit einer CC-Lizenz versehen sind, können Sie die Entfernung der Attribution fordern. So verhindern Sie eine schnelle Verbreitung von Falschinformationen in Ihrem Namen, etwa über die sozialen Medien. Zudem können Sie im Rahmen einer CC-Lizenz durch die „Endorsement-Verbots“-Klausel eine missbräuchliche Nutzung untersagen.

Als Autor*in unserer Budrich Verlage stehen wir Ihnen gern für Fragen im Umgang mit dem Missbrauch Ihrer Publikation zur Verfügung. Sie erreichen uns unter info@budrich.de.

 

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Nehmen Sie auch gern direkt Kontakt zu uns auf: lektorat@budrich.de

 

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