Internationales Publizieren von Büchern

Barbara Budrich © Nina Schöner Fotografie

ein Beitrag von Verlegerin Barbara Budrich

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Als Wissenschaftler*in ist das Publizieren für Sie von gro­ßer Bedeutung. Neben dem Veröffentlichen deutsch­sprachiger Texte wird von Ihnen zudem erwartet, dass Sie auch international publizieren. Für die Wissenschafts­karriere sind dabei in erster Linie englischsprachige Pu­blikationen gemeint. Doch bedeutet internationales Publizieren nicht automatisch, dass man auf Englisch publiziert. Auch für nicht-englische Veröffentlichungen kann es gute Gründe geben.

Lassen Sie uns einen Blick auf das internationale Publi­zieren in Buchform werfen. Ich differenziere dabei nicht zwischen der Veröffentlichung eines Sammelbandes und einer Monografie. Die Publikation eines Buchbeitrags thematisiere ich hier nicht. Mir geht es um die Vorüber­legungen und den Kontakt zum Verlag – und mit beidem hat man in der Regel als Autor*in einer Monografie bzw. Herausgeber*in eines Sammelbandes zu tun; in der Rol­le als Sammelbandautor*in sind Sie zumindest mit Blick auf die Kontaktanbahnung mit einem Verlag nicht in der vordersten Kommunikationslinie.

Für diesen Beitrag gehe ich davon aus, dass Deutsch Ihre Muttersprache ist oder doch Ihre hauptsächliche For­schungs- und Wissenschaftssprache.

 

Welches Ziel möchten Sie erreichen?

Wenn es ums Veröffentlichen geht, dürfen Sie sich zu­nächst fragen, was Ihr wichtigstes Ziel ist. Ich rate Au­tor*innen, sich immer Gedanken über das eigene Warum zu machen. Denn die Antwort auf diese Frage beeinflusst auch die Entscheidung, in welcher Form Sie welchen Text veröffentlichen möchten. Ein Buch zu schreiben, ist rela­tiv aufwändig. Ein Buch in einer anderen als Ihrer Mutter­sprache auf den Weg zu bringen, ist häufig noch aufwän­diger. Umso sinnvoller ist es, das eigene Ziel gut im Blick zu haben.

  • Geht es Ihnen in erster Linie darum, Ihre internationa­le Reputation in einem spezifischen nicht-deutschen Sprachraum auf- bzw. auszubauen?
  • Möchten Sie dafür sorgen, dass Ihre Perspektive auf eine bestimmten Fragestellung oder Ihre Erkenntnisse in einer (oder mehreren) anderen Sprache(n) zur Dis­kussion gestellt werden?
  • Benötigen Sie Ihr Material, um in anderen Sprachen zu lehren?
  • Oder benötigen Sie einen internationalen Eintrag in Ihrer Publikationsliste?

Dies sind nur vier mögliche Motive – überlegen Sie in Ruhe, was Ihr Warum an dieser Stelle ist. Es ist Ihre Ent­scheidung, in einer anderen Sprache zu publizieren. Ob Sie diese Zeit und Mühe investieren wollen und können, hängt nicht zuletzt davon ab, ob es Ihnen das Ziel wert ist, das Sie in diesem Falle erreichen möchten.

 

Englisch oder …?

Wie anfangs angerissen, bedeutet internationales Pub­lizieren nicht zwangsläufig, auf Englisch zu publizieren. Abhängig von Ihren Zielen, Ihrem Forschungsgegen­stand und Karriereüberlegungen bleiben noch weitere Sprachen, in denen Sie veröffentlichen können.

Welche Sprache oder Sprachen sich für die Publikation Ihres Textes eignen, ist von einer Reihe von Faktoren ab­hängig. Um Klarheit zu schaffen, können Sie sich zum Beispiel folgende Fragen stellen:

  • Ist es für Sie grundsätzlich sinnvoll, in einer anderen Sprache zu veröffentlichen?
  • Lässt sich Ihr Thema für einen anderen Sprachraum interessant aufbereiten?
  • Wie aufwändig ist es, die Kontextualisierung Ihres Tex­tes für den jeweiligen Sprachraum durchzuführen?

 

Der sprachliche und kulturelle Kontext

Es ist von Ihrer individuellen Forschungsfrage abhängig, ob eine internationale Anschlussfähigkeit mit Leichtig­keit gegeben ist oder mit mehr oder weniger Mühe er­arbeitet werden muss.

So hat zum Beispiel soziale Ungleichheit in Deutschland ganz andere Vorzeichen als soziale Ungleichheit in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Doch auch weniger offensichtliche Unterschiede können die Kommunika­tion über (Wissenschafts-)Kulturen hinweg erschweren: Es gibt unterschiedliche Schwerpunktsetzungen in der Bildungsforschung in Italien und Deutschland; rezipierte Literatur bildet einen Kontext, der auch von den Spra­chen mitgeprägt wird, in denen eine scientific community Erkenntnisse rezipiert und diskutiert. Sind die Theorien bzw. Methoden, die für Ihren Text zentral sind, in der an­deren Sprache präsent?

Wenn Sie um die Schwierigkeiten der Übertragbarkeit wissen, können Sie die Aufbereitung Ihres Textes so gestalten, dass in der Zielsprache Anschlussfähigkeit herrscht und Interesse bestehen kann. Wie gesagt – mit mehr oder weniger Arbeitseinsatz auf Ihrer Seite.

 

Lohnt der Aufwand?

Viele Wissenschaftler*innen freuen sich über die Chan­ce, die im anderssprachigen Publizieren liegt. Das allein ist es ihnen schon wert. Und wenn jemand anders die Verantwortung (und die Kosten) für eine etwaige Über­setzung übernimmt, dann freut man sich natürlich erst recht.

Wenn es allerdings darum geht, sich selbst eine echte Positionierung in dieser anderen Sprache zu erarbeiten, dann ist auch dies nicht mit einer einzigen Veröffentli­chung getan. Niemand aus der spanischsprachigen Welt wird bei Ihnen sturmklingeln, nachdem Sie ein einziges Buch auf Spanisch veröffentlicht haben. (Ausnahmen mögen die Regel bestätigen.)

Im Grunde genommen gelten für die Positionierung überall auf der Welt – und damit auch in allen Sprachen, vielleicht mit Ausnahme von Englisch – die gleichen Re­geln. Wer eine gewisse Bekanntheit anstrebt, ist gehal­ten, für die angepeilte Community regelmäßig sichtbar zu werden. Ob in Publikationen oder Vorträgen, in Ge­sprächen und Netzwerken: Die eigene Präsenz lässt sich nicht „mal eben“ aufbauen und halten.

 

Warum ist Englisch eine Ausnahme?

Publikationen auf Englisch haben in zweierlei Hinsicht eine Sonderstellung: Zum einen wird englischsprachige Literatur – zumindest potenziell – weltweit rezipiert; je­denfalls innerhalb bestimmter Communities. Das macht Englisch zur wissenschaftlichen lingua franca, auch in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Etwaige kultu­relle Bezüge müssen nicht automatisch auf den anglo-amerikanischen Sprachraum passend gemacht werden. Es empfiehlt sich des ungeachtet, eine genaue Vorstel­lung davon zu haben, was die von Ihnen angepeilte Le­ser*innenschaft erwartet, worauf sie aufbaut, woran sie anknüpft.

Hinzu kommt, dass es weit einfacher ist, auf Englisch zu veröffentlichen, als tatsächlich international rezipiert zu werden. An dieser Stelle erlangt die Sache mit der Com­munity eine besondere Wichtigkeit: In jeder Disziplin gibt es internationale Communities. Damit meine ich nicht etwa beispielsweise die „Internationalen Beziehun­gen“ in der Politikwissenschaft, sondern auch – um im Fachbereich zu bleiben – Kommunalpolitik, die in einen internationalen Diskurs gestellt wird.

Wenn Sie Ihre internationale Sichtbarkeit untermauern wollen, schadet es nicht, zunächst eine spezifische Com­munity anzupeilen, zum Beispiel in Form einer europäi­schen oder internationalen Fachgesellschaft. Dort su­chen Sie sich eine Ihrem Themenbereich entsprechende Untergruppe – Sektion, Arbeitsgruppe oder wie auch immer die Fachgesellschaft organisiert sein mag. Da gibt es einschlägige Kongresse, Treffen, Netzwerke und Publi­kationen, mit deren Hilfe Sie durch Ihren Fokus die Kom­plexität des Globalen reduzieren können. Durch diese Konzentration haben Sie die Möglichkeit, die nächsten Schritte zu operationalisieren, die Ihren eigenen Wün­schen und Vorstellungen entsprechen.

 

Wie finden Sie einen passenden Verlag?

Die von Ihnen anvisierte Zielgruppe publiziert häufig bei ähnlichen Verlagen. Bei einer internationalen Communi­ty ist es allerdings nicht selten, dass sich zu den üblichen internationalen Großkonzernen auch Verlagshäuser aus den unterschiedlichen Weltregionen gesellen.

Um einen Verlag zu finden, der Ihnen mit Ihrer Publika­tion zur Seite steht und gute Dienste leistet, prüfen Sie Ihre eigene Literaturliste: Welche Autor*innen haben welche Texte in welchen Häusern publiziert? Welche Publikationen ähneln der Ihren am meisten? Mit diesen Fragen beginnt die Suche nach dem passenden Publika­tionspartner.

Natürlich können auch Sie versuchen, in einem der in­ternationalen Großkonzerne unterzukommen. Große Häuser haben in den letzten Jahren „Schnellschienen“ entwickelt, weil ihnen klar geworden ist, dass ihre Pu­blikationszeiten zu lange dauern. Allein von der ersten Kontaktaufnahme bis zum Publikationsangebot verge­hen nicht selten Monate. Und von der ersten Abgabe des (fast) finalen Manuskripts bis zum fertigen Buch dauert es in manchem großen Haus gern zwei Jahre oder länger.

Alternativ suchen Sie sich einen anderen, nicht ganz so großen Verlag, bei dem auch internationale Kolleg*in­nen veröffentlicht haben und der Ihnen sympathisch ist. Achten Sie bei kleineren Häusern darauf, dass es auch internationalen Vertrieb gibt: Distributoren in unter­schiedlichen Weltregionen. Auch die großen Bibliotheks­lieferanten beliefern Bibliotheken weltweit. Eine entspre­chende Kooperation ist aus Ihrer Sicht also unbedingt wünschenswert. Im Zweifel lohnt es sich, beim Verlag Ihrer Wahl nachzufragen, wie er international aufgestellt ist. Um es gleich vorwegzunehmen: Einzig eine Koopera­tion mit Amazon reicht nicht aus.

Doch auch die Sichtbarkeit auf einschlägigen Messen und Kongressen ist von Vorteil, um Ihrer Publikation in­ternationale Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Fer­ner ist internationale Medienarbeit ein Muss: Schließlich ist es in Ihrem ureigenen Interesse, die scientific commu­nity weltweit mittels Rezensionen über Ihre Publikation zu informieren.

Verlagsarbeit ist weit komplexer, als ich es hier anreiße. Über die genannten Punkte hinaus gehören aktiver Ver­trieb und kontinuierliches Marketing, gute Netzwerke und deutliche Sichtbarkeit. Selbst mit einer Open-Ac­cess-Publikation sind diese Fragen nicht automatisch obsolet.

 

Ist Open Access die Antwort auf all die offenen Sichtbarkeitsfragen?

Das Problem mit Open-Access-Publikationen ist der Fokus auf den reinen „Pull“-Faktor: Vielfach sind Open-Access-Publikationen zwar bei exakter Suche und ent­sprechend sorgfältig aufbereiteten Metadaten auffind­bar. Jedoch nur für diejenigen Interessierten, die gezielt danach suchen. Wenn Sie also zu einem spezifischen Thema eine genaue Suche definieren können, wirkt Ihr „Pull“: Sie können den entsprechenden Text finden. Auf­findbarkeit ist nur ein Aspekt von Sichtbarkeit.

Für Open-Access gibt es ohne einschlägige Aktivitäten seitens der Autor*innen und Publikationspartner keine „Push“-Faktoren. Rein digitale Open-Access-Publikatio­nen liegen nicht auf Büchertischen aus – weder national noch international. Und es hängt von Ihrem Publikations­partner ab, ob aktive Vertriebsarbeit dazu führt, dass Ihre Publikation nicht nur in wenigen Repositorien geführt, sondern in den wichtigen Datenbanken gelistet wird, in zentralen digitalen „Schaufenstern“ steht.

Eine weitere wichtige Frage bleibt auch im Zusammen­hang mit Open Access: Gibt es aktives Marketing, das dazu führt, dass Sie und Ihr Werk in einschlägigen Me­dien sichtbar werden? Sei es durch Rezensionen, redak­tionelle Beiträge, Interviews, Blog-Posts, Podcast-Inter­views, (Online-)Buchpräsentationen oder auch nur das kontinuierliche Informieren einschlägig Interessierter.

Jedes Jahr erscheint eine große Anzahl an wissenschaft­lichen Publikationen. Um mit den eigenen Veröffentli­chungen sichtbar zu werden, sind beide Faktoren wich­tig: „Pull“ und „Push“.

Wenn Reputationsaufbau oder Positionierung ganz oben auf der Liste Ihrer Ziele stehen, dann sind professionelle Publikationspartner für Sie unabdingbar. Die genannten Faktoren professioneller Marketing- und Vertriebsarbeit sind meiner Erfahrung nach unverzichtbar. Ihr eigenes Engagement in diesem Bereich kann die Maßnahmen eines Verlages flankieren: Und je besser Sie selbst in Ihrer Zunft vernetzt sind, desto besser stehen die Chancen auf Erfolg für Ihre Publikation – übrigens unabhängig von der Sprache, in der Ihre Publikation erscheint.

 

Dieser Artikel ist erschienen in

Exposé – Zeitschrift für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren

Heft 2-2021: Internationales

 

 

 

 

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© Unsplash.com | Peggy Anke © Foto Barbara Budrich: Nina Schöner Fotografie