Abstract – ganz konkret

Eine Frau am Laptop, die auf einen Bleistift beißt. Abstract

Der eigene Text wird sehr häufig in der Reihenfolge Mittelteil, Schluss, Einleitung verfasst. Das Abstract kommt sicherlich erst danach. Wenn ich weiß, was ich geschrieben habe, kann ich das zusammenfassen. Und dann wird es schwierig. Als Lektorin habe ich häufig gehört „Da kann man nichts weglassen!“, wenn es um den Haupttext ging. Doch beim Abstract, der ja nur wenige Sätze bzw. Wörter lang sein darf, müssen Sie etwas weglassen!

Was folgt, ist häufig der Kampf zwischen dem Wunsch nach fachlicher Tiefe und dem viel zu knappen Raum. Auch wenn das Schreiben von Abstracts sicherlich nicht zu den „sexiest texts to write“ gehört, gibt es Werkzeuge, die Ihnen das Leben leichter machen können.

Drei einfache Tipps möchte ich Ihnen mit auf den Weg geben, damit Ihr Abstract ganz konkret gelingt.

 

Code-Worte im Abstract

Bevor Sie Ihr Abstract verfassen, überlegen Sie, welche Begrifflichkeiten auf jeden Fall enthalten sein sollen. An wen wendet sich der Text? Welche Fachtermini machen sich deshalb gut in diesem Text und lösen im Kopf Ihrer Leser*innen sofort ein Feuerwerk an kontextualisierenden Assoziationen aus? Notieren Sie drei bis fünf Begriffe, die Sie auf jeden Fall verarbeiten möchten. Das sind die Code-Worte, die Sie sofort mit Ihren Peers in Kontakt bringen.

 

Das Abstract: Komplexität reduzieren

Was Sie definitiv tun müssen, um ein knappes Abstract zu verfassen, ist Komplexitätsreduktion. Dazu müssen Sie unter Umständen den Maßstab ändern – wie bei einer Weltkarte im Vergleich zu einer Wanderkarte: Man sieht einerseits mehr (Fläche), andererseits viel weniger (Details). Um zu erkennen, dass es sich um die Weltkarte handelt, brauchen Sie Ihre Fachtermini und die Umrisse müssen erkennbar sein. Das heißt, Sie dürfen, Sie müssen „gröber“ werden und weniger Details liefern, aber Sie müssen natürlich beim Gleichen bleiben. Doch wie bewerkstelligen Sie genau das?

Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sehr Sie zu vereinfachen in der Lage sind, können Sie sich eine entsprechende Zielgruppe vorstellen. Setzen Sie sich einen Fünfjährigen auf den Schreibtisch. Schreiben Sie für ihn. Natürlich wollen Sie Ihren hochkomplexen wissenschaftlichen Text nicht auf das Niveau eines „Was ist Was“-Buches reduzieren. Sie können aber auf diesem Wege sehr rasch das Zentrale vom weniger Zentralen trennen. Mithilfe Ihrer „Code-Worte“ aus der ersten Übung haben Sie einen guten Ansatzpunkt.

Alternativ zu Ihrem Fünfjährigen können Sie versuchen, den Text in einer Ihnen nicht allzu vertrauten Sprache zu formulieren. Für die meisten von uns ist Englisch keine Option. Versuchen Sie eine Sprache, die Sie zuletzt in der Schule hatten – Italienisch, Französich, was auch immer. Auch hier geht es lediglich darum, sich selbst zur Komplexitätsreduktion zu zwingen. (Und es kann sehr lustig werden!)

Damit haben Sie zwei Herangehensweisen, die Sie dabei unterstützen, sich von den Details Ihrer Erkenntnisse zu verabschieden. Nur so können Sie den Hauptstrang Ihres Textes gut freilegen.

 

Schreibsprint oder Versionen für den leichteren Abschied

Funkt Ihnen immer noch Ihr Text mit allen Details dazwischen, können Sie einen Schreibsprint einlegen. Wie genau der funktioniert, habe ich an anderer Stelle ausgeführt. Indem Sie ohne abzusetzen einfach für eine bestimmte – kurze – Zeit schreiben, können Sie viele Gedanken aus Ihrem Gehirn „herausschreiben“. Damit haben Sie den Kopf frei, die reduzierte Variante Ihres Abstracts zu verfassen.

Sollte diese Variante immer noch zu lang sein, können Sie diese als neue Datei abspeichern, die Sie überarbeiten und weiter kürzen. Zur Not, so können Sie sich trösten, können Sie auf die vorherige Version zurückgehen. (Was hoffentlich nicht passiert…)

Das Weglassen ist an vielen Stellen im eigenen Text eine Herausforderung. Im Abstract ganz besonders. Ich hoffe, diese Anregungen helfen Ihnen, falls Sie beim nächsten Mal bei einer Kurzfassung steckenbleiben.

 

Die Autorin

Porträt der Verlegerin Barbara Budrich mit offenen langen Haaren, dunklem Jacket über einem T-Shirt, freundlich lächelnd.Barbara Budrich, M.A., ist von Kindesbeinen an im Wissenschaftsverlag tätig und seit 2004 selbstständige Verlegerin. Außerdem ist sie Trainerin und Coach für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren im Schulungsunternehmen budrich training. Zudem ist sie selbst Autorin. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz führt sie seit 2015 als Vorbildunternehmerin.

 

 

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© Foto Barbara Budrich: privat ; Tielbild: unsplash 2023 / Foto: JESHOOTS.COM