Warum wissenschaftlich publizieren?

Warum wissenschaftlich publizieren? Eine Frau, die durch einen Park geht.

Warum wissenschaftlich publizieren? Gar nicht selten sprechen mich in meinen Workshops junge Wissenschaftler*innen an und fragen, wie sie ihre Bachelor- oder Master-Arbeit am besten publizieren können. Und meistens möchte ich darauf antworten: am besten gar nicht. Eine so kurze und als unhöflich empfundene Antwort ist wenig hilfreich, weshalb ich für gewöhnlich zurückfrage: Aus welchem Grund möchten Sie denn veröffentlichen?

Es gibt unterschiedliche Motivationen, die uns dazu bringen, Dinge veröffentlichen zu wollen. Nicht selten ist Eitelkeit im Spiel – und das ist in Ordnung! Die Frage jedoch bleibt: Gibt es ein übergeordnetes Ziel, das mich dazu bringt, publizieren zu wollen?

 

Warum wissenschaftlich publizieren: Was sind die wichtigsten Ziele einer wissenschaftlichen Publikation?

Auf die Frage nach der wichtigsten Voraussetzung zum Publizieren antwortete ein gestandener Autor einst: „Man sollte etwas zu sagen haben!“ Einerseits ist dies eine weise Feststellung, andererseits ist sie sehr beliebig und wird auch abhängig vom eigenen Selbstbewusstsein unterschiedlich beantwortet. Doch über den Aphorismus hinaus ist ein wichtiges Kriterium in dieser Antwort enthalten, die uns auch bei der Frage hilft, was wissenschaftliche Publikationen eigentlich überhaupt erreichen sollen: Sie leisten einen Beitrag zum wissenschaftlichen Diskurs.

Der Beitrag zum Diskurs kann unterschiedliche Formen annehmen. Er kann den wissenschaftlichen Forschungsstand einen großen Schritt weiterbringen, aber auch Erkenntnisse zitierfähig machen oder auf weitere Forschungsdesiderate hinweisen.

Es gibt darüber hinaus weitere Ziele, die wir mit wissenschaftlichen Publikationen verfolgen können, wie zum Beispiel den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in eine (breitere) Öffentlichkeit oder systematische Handbücher zum Festschreiben eines Status quo sowie Einführungen oder andere Lehr- und Studienliteratur mit Vermittlungsabsicht.

Lassen Sie uns diese unterschiedlichen Publikationsmöglichkeiten und deren Ziele mit dem Ziel von Bachelor- oder Masterarbeiten kontrastieren.

 

Was sind die wichtigsten Ziele von Bachelor- und Master-Arbeiten?

Bachelor- und Master-Arbeiten, selbst Dissertationen, sollen in aller erster Linie der Nachweis dafür sein, dass ein*e Wissenschaftler*in in der Lage ist, angemessen mit den Werkzeugen der Wissenschaft umzugehen. Das geht vom Formulieren der Forschungsfrage(n) über die Wahl der passenden Methode(n), die korrekte Kontextualisierung bis hin zum sauberen wissenschaftlichen Arbeiten und dem folgerichtigen Erarbeiten und Diskutieren der erzielten Ergebnisse. Das Ganze selbstverständlich in der für Fach, Format und Frage angemessenen Wissenschaftssprache.

Diese Ziele unterscheiden sich massiv von den obengenannten. Was auch dazu führt, dass die Größe und Zusammensetzung der Zielgruppe sehr unterschiedlich einzuschätzen sind.

 

Warum wissenschaftlich publizieren: Wer liest was?

Während die Zielgruppe bei Qualifikationsarbeiten vornehmlich aus den Betreuer*innen besteht, wächst die Zielgruppe mit einer thematischen Öffnung. Und doch wäre es ein Trugschluss, anzunehmen, dass zum Beispiel diejenigen, die Forschungsgegenstand sind, automatisch zur Zielgruppe würden: Selbst großangelegte Jugendstudien werden nicht automatisch zur Lieblingslektüre von Jugendlichen. Und nicht alle Eltern lesen wissenschaftliche Forschungsliteratur zu kindlicher Entwicklung oder Sozialisation.

Lehr- und Studienliteratur wird von Lehrenden dann zur Kenntnis genommen, wenn sie das eigene Lehrvorhaben unterstützt. Studierende lesen diese Literatur vor allem dann, wenn sie ihnen beim Bestehen von Prüfungen und dem Verfassen von Hausarbeiten u.ä. hilft.

Und wer liest Bachelor- und Masterarbeiten? In erster Linie die Gutachter*innen. Selbst bei Dissertationen besteht die „erste Zielgruppe“ aus den Doktoreltern. Und die Höhe der Auflagen bzw. die Dichte der Rezeption ist stark von der Konjunktur des jeweiligen Themas abhängig und von der Aufbereitung des Ganzen. Es gibt durchaus (monografische) Doktorarbeiten, die im gesamten Fach rezipiert wurden. In den rund 40 Jahren meiner einschlägigen Berufstätigkeit ist mir dies allerdings erst dreimal untergekommen.

 

Publish or perish?

Warum wissenschaftlich Publizieren? Die Antwort ist einfach: Es ist für die eigene Sichtbarkeit und die Positionierung in der Wissenschaft von großer Bedeutung. Allerdings ist es wichtig, eine gute Vorstellung davon zu haben, was ich mit meiner Publikation erreichen kann und möchte. Wenn wir uns an unsere ersten Hausarbeiten zurückerinnern, verbinden wir damit möglicherweise zweierlei:

  1. Wir waren sehr stolz darauf und die Arbeiten waren
  2. auf der Höhe dessen, was wir damals zu leisten im Stande waren.

Schauen wir uns diese Arbeiten einige Studien- oder gar professionelle Forschungsjahre später wieder an, sehen wir sie mit anderen Augen. Wir haben im Verhältnis zu dem, was wir seinerzeit wussten und konnten, gute Arbeit geleistet. Und heute – so hoffe ich jedenfalls – wissen und können wir mehr. Deutlich mehr.

Die eigene Reputation in der Wissenschaft aufzubauen, beginnt in der Regel nicht auf dem Level einer Bachelor- oder Master-Arbeit. Diese sind im Allgemeinen die Fingerübungen, die wir brauchen, um festzustellen, ob der Wissenschaftsbetrieb ein guter Ort für uns ist und ob wir diese Karriereoptionen weiterverfolgen möchten. Die eigentliche, von Publikationen flankierte Postionierung als wissenschaftliche Expert*in beginnt zumeist im Anschluss.

 

„Tu, was du willst!“ – auch beim wissenschaftlichen Publizieren

„Tu, was du willst!“, ist die Inschrift des Auryn der Kindlichen Kaiserin in Michael Endes wundervoller „Unendlicher Geschichte“. Damit ist nicht gemeint, dass wir tun und lassen sollen, was uns gerade einfällt. Wir sollten auch im Blick behalten, dass unser Tun Konsequenzen hat. Und so ist es auch beim wissenschaftlichen Publizieren: Niemand sagt, dass Sie Ihre frühen wissenschaftlichen Arbeiten nicht veröffentlichen dürfen! Ich sage lediglich, dass der Aufbau einer wissenschaftlichen Reputation eng verknüpft ist mit dem wissenschaftlichen Publizieren. Im Guten wie im nicht so Guten. Und deshalb ist es wichtig, genau zu wissen, warum man einen wissenschaftlichen Text veröffentlichen möchte und was man damit erreicht.

 

Die Autorin

Porträt der Verlegerin Barbara Budrich mit offenen langen Haaren, dunklem Jacket über einem T-Shirt, freundlich lächelnd.Barbara Budrich, M.A., ist von Kindesbeinen an im Wissenschaftsverlag tätig und seit 2004 selbstständige Verlegerin. Außerdem ist sie Trainerin und Coach für wissenschaftliches Schreiben und Publizieren im Schulungsunternehmen budrich training. Zudem ist sie selbst Autorin. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz führt sie seit 2015 als Vorbildunternehmerin.

 

 

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© Foto Barbara Budrich: privat | Titelbild: Unsplash 2023 / Charley Litchfield